Kirche und Wirtschaft:Gesegnete Gewinne

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Nonnen kontrollieren Frankreichs ersten Ethik-Fonds und verzichten notfalls auch auf Rendite. An der Spitze steht jedoch keine Nonne.

Michael Kläsgen

Es ist eine dieser stillen Oasen von Paris, in der Frankreichs erster Ethik-Fonds geboren wurde. Der Besucher tritt von der stark befahrenen, lärmenden Hauptstraße durch eine Pforte und steht plötzlich inmitten eines Gartens, groß wie ein Volleyballfeld. Dort hört man Vögel zwitschern, und vereinzelt laufen Nonnen durch den Kreuzgang.

Marie-Laure Payen, die Chefin des Ethik-Fonds - und eine Laiin (Foto: Foto: oh)

Eine von ihnen, die Finanzverwalterin des Notre-Dame-Ordens, Nicole Reille, gründete den Fonds 1983. Von Ethik und Nachhaltigkeit redeten damals nicht viele. Für die Nonnen aber waren die Begriffe die Voraussetzung dafür, sich überhaupt in das Abenteuer Börse zu stürzen. Geheuer war ihnen das Ganze nicht, sie taten es aus purer Not.

Die Nonnen bangten darum, nicht genügend Geld im Alter zu haben. Ihre Lebenserwartung stieg kontinuierlich, ihre Renten reichten jedoch kaum zum Überleben. Schwester Nicole Reille versammelte schließlich die Finanzverwalter von insgesamt 39 Kongregationen und beratschlagte mit ihnen, was zu tun sei. War die Sozialenzyklika überhaupt mit den Gesetzen des Kapitalmarkts zu vereinbaren? Die Nonnen glaubten es, zumindest wenn man strenge ethische Maßstäbe anlegte.

Und so schuf Reille den Pensionsfonds Nouvelle Stratégie 50, einen Mischfonds aus Aktien- und Rentenpapieren mit einem heutigen Volumen von fast 25 Millionen Euro. Später kam ein zweiter Fonds mit einem größeren Aktienanteil hinzu. Um die technischen Details kümmert sich noch heute die Vermögensverwaltung Meeschaert. Die Nonnen wachen ihrerseits darüber, dass in den Fonds nur solche Unternehmen aufgenommen werden, die ihren Ansprüchen genügen.

Die Entstehungsgeschichte beider Fonds erzählt Nicole Reille nicht selbst. Sie ist 2002 von der Glaubensgemeinschaft nach Rom berufen worden. Die Vorsitzende der Vereinigung Éthique et Investissement, die Reille ebenfalls gründete und die die Unternehmen auf ihr ethisches Verhalten abklopft, heißt jetzt Marie-Laure Payen, 59.

Die ehemalige Finanzangestellte mehrerer Privatunternehmen sitzt in einem schmucklosen Büro oberhalb des Innenhofes des Ordens. Ein Kruzifix ist das Einzige, was die kahle Wand hinter ihr ziert.

Laiin an der Spitze

Mit Payen übernahm vor sechs Monaten erstmals eine Laiin und keine Nonne den Vorsitz des neunköpfigen Aufsichtsrates. An den Grundsatzfragen, über die sich die mehr als 150 Vereinsmitglieder einmal im Monat den Kopf zerbrechen, hat sich jedoch nichts geändert, versichert Payen. "Die Beurteilung der Unternehmen ist jedes Mal aufs Neue eine Gratwanderung", sagt sie.

"Bei jedem Unternehmen müssen wir uns fragen, was wollen wir: Ethik oder Rendite? Beides natürlich", sagt sie. "Aber wie vermeiden wir es, für mehr Ungerechtigkeit in der Welt zu sorgen?". Um die Entscheidung in jedem Einzelfall zu erleichtern, stellte Reille damals mit den anderen Kongregationen 20 Regeln auf, die die Unternehmen einhalten müssen, um in den Fonds aufgenommen zu werden oder dort zu verbleiben.

Heftige Diskussionen

Payen reicht eine Broschüre, in der jene "20 Gebote" aufgeführt werden. Man könnte sie so übersetzen: Du sollst Arbeitsplätze schaffen, Deine Mitarbeiter am Gewinn teilhaben und sie mitbestimmen lassen, und Du sollst Behinderte einstellen, generell ausbilden, die Umwelt schonen und so fort. Von vornherein blitzt ab, wer sein Geld mit Rüstung, Tabak, Alkohol oder Pornografie verdient.

Jenseits dieser klaren Ausschlusskriterien beginnt jedoch ein weites Feld, auf dem sich Fonds mit dem Etikett Ethik tummeln, die nur an das Gewissen der Anleger appellieren wollen, um an deren Geld zu kommen. Die Association will zwar nicht als puristisch gelten. Payen macht aber klar, dass nicht nur die Nonnen auf die strenge Einhaltung des Wertekatalogs achten. Dafür nimmt die Vereinigung sogar eine niedrigere Rendite hin.

2004 warf sie erstmals ein Unternehmen aus dem Fonds, den Ölkonzern Total. "Das hat für Diskussionen gesorgt", erzählt Payen. In dem Fall siegte die Ethik. "Die Politik des Konzerns in Birma und Afrika ließ uns keine andere Wahl".

Bestätigt kann sie sich insofern fühlen, als das Unternehmen, in dem der Skandal-Betrieb Elf Aquitaine aufging, in der vergangenen Woche der Korruption in Irak und im Iran verdächtigt wurde. Zähneknirschen löste der Rausschmiss trotzdem bei manchen Investoren aus. Ausgerechnet im Jahr danach schnellte der Aktienkurs von Total nach oben.

Siemens im Portfolio

Der Ölpreis stieg in ungeahnte Höhen, das Benzin wurde teurer, und Total schwamm in Geld. Total intervenierte sogar noch bei der Vereinigung, die zuvor von Staatspräsident Jacques Chirac empfangen wurde.

Der Direktor für nachhaltige Entwicklung versuchte, bei einem der dreimal im Jahr stattfindenden Unternehmergespräche vor allem die Nonnen umzustimmen - vergeblich. 2005 entwickelten sich beide Fonds folglich schwächer als andere Geldanlagen. "Das ist der Preis, den wir zahlen müssen, wenn wir glaubwürdig und konsequent sein wollen", sagt Payen.

Eines der beiden deutschen Unternehmen in den Fonds ist Siemens. Über den Verbleib des Konzerns nach der Korruptionsaffäre haben sich Fonds-Aufseher in den Gemäuern des Ordens aber noch keine Gedanken gemacht.

© SZ vom 23.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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