Kindersicherheit:Gefahr aus bunten Flaschen

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Putzmittel, Shampoo, Alkohol: Wenn Kinder daheim auf Entdeckungstour gehen, kann es schnell gefährlich werden. Wer bei Vergiftungen auf Omas Tipps vertraut, macht es nur noch schlimmer.

"Kinder sind von Natur aus neugierig und haben einen angeborenen Forscherdrang", erklärt PD Dr. Rudolf Mallmann, Klinikdirektor der Neonatologie, Kinder- und Jugendmedizin im Elisabeth-Krankenhaus Essen. "Wenn sie anfangen sich fortzubewegen und ihre Umgebung zu erkunden, ist oft kein Zimmer, keine Schublade und kein Gegenstand mehr vor ihnen sicher. Alles wird in den Mund gesteckt, probiert, gelutscht und manchmal auch geschluckt.

Verlockend bunt: Putzmittel können für Kinder gefährlich werden. (Foto: Foto: ddp)

Je bunter, desto verlockender

Es sind vor allem die Dinge des täglichen Lebens, die in einem normalen Haushalt zu finden sind, mit denen sich Kinder vergiften können. Daher sind bei Vergiftungsfällen zu etwa 90 Prozent auch Kleinkinder im Alter von ca. acht Monaten bis etwa fünf Jahren betroffen. Ein Alter, in dem sie Verbote, beispielsweise, dass man bestimmte Flüssigkeiten nicht trinken oder die leuchtenden Beeren am Busch im Garten nicht essen darf, noch nicht unbedingt verstehen."

Hier ist die Aufmerksamkeit der Eltern und betreuenden Personen besonders gefordert:

Jedem, der Kinder hat, sollte klar sein, dass es in der Wohnung, im Haus, im Garten, im Keller, aber auch in Garage oder Werkstatt Flüssigkeiten, Pflanzen und Früchte gibt, die für Kinder gefährlich werden können. Ob Putzmittel, Alkohol, Medikamente, Farben, Insektizide, Chemikalien, selbst ein Parfümflacon kann zur Gefahr werden. Häufig ist gerade dann niemand in der Nähe, wenn ein Kind eine giftige Substanz zu sich nimmt.

"Oftmals gibt es keine klaren Anzeichen, aber einige sehr typische Symptome für eine Vergiftung, die dann schnelles Handeln erfordern", weiß Dr. Mallmann. "Neben ungewöhnlichem Verhalten des Kindes, können dies Bewusstseinseintrübung bis hin zur Bewusstlosigkeit, Schock, Erregungszustände, Zittern, krampfartige Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall sein. Ebenso können vermehrter Speichelfluss, Schaumbildung, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Atemstörungen oder Herz-Kreislauf-Versagen auf eine Vergiftung hinweisen."

Milch trinken verboten!

Was also, wenn es doch passiert ist und ein Kind eine giftige Flüssigkeit getrunken oder eine verbotene Frucht gegessen hat? "Bei Vergiftungen hilft nur rasches und umsichtiges Handeln", rät Dr. Mallmann. "Vor allem gilt es unbedingt Ruhe zu bewahren. Und ganz wichtig, nicht den Tipps und gut gemeinten Ratschläge unserer Großeltern folgen: Es sollte weder zum Erbrechen angeregt, noch Kochsalzlösung oder Milch gegeben werden, um etwa das Gift zu verdünnen. Gerade die in der Milch enthaltenen Milchfette können dafür sorgen, dass bestimmte Giftstoffe dann erst recht vom Körper aufgenommen werden.

Als Erstes sollte überprüft werden, wie viel das Kind geschluckt hat; dafür den Rest der Flasche, oder den Inhalt der Verpackung kontrollieren. Wenn es dem Kind schlecht geht, immer sofort den Notarzt über den Notruf 112 rufen. Sollte noch etwas von der verdächtigen Flüssigkeit oder Substanz vorhanden sein, unbedingt sichern und Erbrochenes aufbewahren bis der Notarzt kommt.

Dieser entscheidet auch, ob das Kind zur weiteren Versorgung mit in die Klinik muss. Dort werden je nach Vergiftungsart Infusionen zum Flüssigkeits- und Salzhaushaltsausgleich gegeben oder es werden Antitoxine - Gegengifte - verabreicht. Unter Umständen werden auch Magenspülungen durchgeführt, um noch nicht resorbierte Gifte so schnell wie möglich zu entfernen und die Giftzirkulation im Körper zu verringern. Bei einem drohenden Nierenversagen ist eine Dialyse zwingend notwendig, auch, um Folgeschäden an Leber und Nieren zu verhindern."

Das Gift mit Wasser verdünnen

Folgendes kann man selber bis zum Eintreffen des Notarztes tun: "Geben Sie dem Kind etwas zu trinken, bevorzugt Wasser, um die giftige Substanz zu verdünnen", rät Mallmann. "Medizinische Aktivkohle hilft, bereits in den Magen gelangte Giftstoffe zu binden und verhindert, dass sie vom Körper aufgenommen werden. Niemals selbstständig Erbrechen auslösen, da sonst die unter Umständen ätzende Substanz erneut die Speiseröhre passiert und doppelt schädigt.

Die Giftnotzentrale gibt Auskunft über das weitere Verfahren, wenn Kinder unbekannte, eventuell giftige Pflanzen, Beeren, aber auch Tabletten etc. geschluckt haben. Diese Nummer sollte in keinem Haushalt fehlen und immer griffbereit liegen. Über die Gesundheitsämter oder Haus-, und Kinderärzte können Sie die Rufnummern der regionalen Giftnotrufzentralen erhalten." - Oder gleich die Giftnotrufzentralen in Deutschland anrufen (Liste - siehe Ende des Artikels)

Die Perspektive des Kindes einnehmen

Vorbeugend kann jeder etwas für die Sicherheit seiner Kinder tun: Beispielsweise regelmäßig die Wohnung, Haus, Garten, Keller, Garage etc. nach giftigen und schädlichen Substanzen durchforsten. Dabei versuchen, alles aus dem Blickwinkel eines entdeckungsfreudigen Kleinkindes zu betrachten. Bunte, leuchtende Farben auf Flaschen und Etiketten machen neugierig und locken an. Medikamente grundsätzlich für Kinder unzugänglich aufbewahren, Alkohol wegschließen, keine chemischen Haushaltsreiniger verwenden, giftige Pflanzen aus Haushalt und Garten verbannen. Wenn die Kinder alt genug sind, unbedingt die Gefahren erklären und auf mögliche Folgen hinweisen. Eltern sollten einen speziellen Kinder Erste-Hilfe-Kurs besuchen, um die Kenntnisse aufzufrischen.

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