Kinderlärm:Sieben Mal Irrglaube

Lesezeit: 2 min

Nix mit "Spielen verboten": Kinder dürfen wesentlich mehr, als manche Nachbarn annehmen.

Monika Goetsch

Irrglaube Nr. 1: Kinder dürfen in den Anlagen, die zum Haus gehören, nur dann spielen, wenn es keinen stört.

Kinder toben sich auf einem Spielplatz aus. (Foto: Foto: ddp)

Dazu die Kinderbeauftragte der Stadt München: "Wenn das Spielen auf Grünflächen nicht ausdrücklich untersagt ist, gibt es für ein Spielverbot keine Rechtsgrundlage. Denn Kinder, auch ältere, haben das Recht, in der Nähe ihrer Wohnung zu spielen. Wenn die Außenflächen einer Wohnanlage (zum Beispiel Innenhof oder Innenbereich) vertragsgemäß zur Mietsache gehören, dann dürfen die Kinder dort auch spielen."

Dazu zählt auch das Fahren mit Einrädern, Fahrrädern und Bobbycars. So gefürchtet Letztere auch sein mögen: Die Praxis mancher Hausverwaltung, die Bobbycars im Hof zu verbieten, Autos aber zu erlauben, steht rechtlich auf schwachen Füßen.

Irrglaube Nr. 2: Kinder müssen leise spielen. Wollen sie laut sein, können sie den Spielplatz aufsuchen.

Rundes Vergnügen für viele Kinder - gegen das Garagentor ballern kann nicht grundsätzlich verboten werden. (Foto: Foto: AP)

Verschiedene Gerichtsurteile erlauben den Kindern ausdrücklich, altersgerecht zu lärmen. "Kinderlärm aus Spielplatz oder Innenhof ist üblich und als sozial adäquat hinzunehmen", entschied zum Beispiel das Heidelberger Landesgericht. "Lärm, ausgehend von einer zur Wohnanlage gehörenden Grünfläche muss geduldet werden", das Landesgericht München. Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf ließ verlauten: "Üblicher Kinderlärm muss geduldet werden."

Eine wegweisende Entscheidung traf das OVG Münster: "Junge Menschen müssen sich austoben können (= elementares Bedürfnis eines jeden Kindes), die dabei gezeigten Lebensäußerungen, auch die erzeugten Geräusche, sind grundsätzlich allen anderen zumutbar . . . "

Irrglaube Nr. 3: Kinder dürfen zwar in ihrer eigenen häuslichen Umgebung spielen, aber dort und in ihrer Wohnung nicht noch zusätzlich Kinder zum Spielen empfangen, weil das den Lärmpegel hebt.

Kinder dürfen Freunde empfangen. Auch fremde Kinder "dürfen eingeladen werden" (LG Heidelberg), das "Spielen mit Freunden auf gemeinschaftlichen Grundstücksflächen ist erlaubt" (LG Heidelberg). "Kinder dürfen auch Spielkameraden von außerhalb der Wohnanlage mitbringen." (LG Heidelberg)

Irrglaube Nr. 4: Kinder dürfen nicht vor Garagen Fußball spielen.

"Die Bezeichnung einer Fläche in der Teilungserklärung als Garagenhof schließt seine Nutzung als Spielplatz für Kinder nicht aus" (Bayerisches Oberlandesgericht).

Und das Landgericht Berlin urteilte: "Kinder dürfen in Hinterhöfen spielen, auch wenn es die Nachbarn stört. Die gefährliche Entwicklung des Straßenverkehrs zwingt Hausbesitzer dazu, verwaiste Innenhöfe für Kinderspiele freizugeben. Die Nachbarschaft muss damit verbundene unvermeidliche Lärmbelästigungen hinnehmen."

Irrglaube Nr. 5: In der Mittagspause gehören Kinder ins Haus. Sie dürfen dann nicht im Garten spielen, essen oder Hausaufgaben machen.

Auch in der Mittagszeit dürfen Kinder draußen sein. Die Ruhezeiten sollten zwar so gut es geht eingehalten werden. Natürlich kann niemand verlangen, so die Kinderbeauftragte, "dass Kinder von 12 bis 15 Uhr still in Bilderbüchern blättern. Aber sie sollten in dieser Zeit möglichst leise spielen, auch draußen, auf dem hauseigenen Spielplatz. Darauf müssen Eltern achten."

Irrglaube Nr. 6: Nächtliches Babygeschrei muss unterbunden werden. Wer Krabbelkinder hat, sollte den Boden schalldicht erneuern oder wenigstens einen Teppich verlegen.

Die Geräusche von Babys, auch ihr Schreien, gehören zu ihrer Natur. Viele Gerichtsurteile, so die Kinderbeauftragte, gehen in diese Richtung: Lautäußerungen von Kindern, insbesondere kleinen Kindern, sind von Nachbarn hinzunehmen, da sie "natürliche Lebensäußerungen" sind. Keiner muss einen neuen Boden einziehen oder Teppich auslegen, um den Schritt von Kindern zu dämmen. Allerdings kann gegenseitige Rücksichtnahme das manchmal notwendig machen.

Irrglaube Nr. 7: Kinder, die ein Instrument üben, sollten sich kurz fassen, weil alles andere eine Zumutung für die Nachbarschaft ist.

Kinder haben, wie Erwachsene auch, das Recht, ein Instrument zu üben, und zwar täglich bis zu zwei Stunden, das Bayerische Oberlandesgericht hat sogar mindestens zwei Stunden zugestanden.

© sueddeutsche.de/SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: