Jobabbau bei der Dresdner Bank:Banker in Angst

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9000 Menschen werden nach der Vereinigung von Dresdner und Commerzbank ihren Job verlieren. Im Frankfurter Finanzviertel herrscht Unverständnis und Wut.

M. Hesse und M. Zydra

In gewisser Weise steht die Dresdner Bank schon lange am Rand. Wenn Mitarbeiter die Konzernzentrale am Jürgen-Ponto-Platz in Frankfurt verlassen und sich an der Kaiserstraße in die falsche Richtung wenden, endet das feine Bankenviertel abrupt. Erst wird es bunt, dann wird es schäbiger, je näher man dem Bahnhof kommt. Richtung Nordosten aber, jenseits des Anlagenrings, werden die Läden feiner und die Gebäude höher, bis man schließlich vor dem mächtigen Fundament des 259 Meter hohen Commerzbank-Turmes steht.

Eine Demonstrationszug aus Beschäftigten der Dresdner Bank und Commerzbank zieht durch das Frankfurter Bankenviertel. (Foto: Foto: dpa)

"90.000 Euro Abfindung für 18 Jahre"

Dort, am besseren Ende der Kaiserstraße, ist jetzt die Dresdner Bank gelandet. Doch froh ist darüber bei der grünen Bank kaum einer. Erstens haben sich die Dresdner den Commerzbankern viele Jahre lang überlegen gefühlt. Größer war die Bank mit dem grünen Logo noch vor ein paar Jahren und die wohlhabendere Klientel bediente sie auch. "Dass ausgerechnet die Commerzbank jetzt die Dresdner Bank übernimmt, ist ein Treppenwitz der Geschichte", sagt ein früherer Mitarbeiter der Dresdner.

Außerdem haben die Leute am Jürgen-Ponto-Platz Angst. 9000 Arbeitsplätze wird der Zusammenschluss des zweit- mit dem drittgrößten deutschen Kreditinstitut insgesamt kosten. "18 Jahre bin ich jetzt bei der Dresdner Bank, 90.000 Euro Abfindung haben sie angeboten", sagt eine 48-jährige Frau, die am Freitag demonstriert, auf dem Goetheplatz mitten im Bankenviertel Frankfurts. Der Commerzbank-Turm liegt 100 Meter entfernt.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat für diesen Tag zum Streik aufgerufen. 2500 Banker sind der Arbeit ferngeblieben und sammeln sich an diesem sonnigen Vormittag. Eigentlich geht es Verdi um mehr Lohn für die Bankangestellten, es haben sich aber auch einige darunter gemischt, die Angst um ihre Anstellung, ihre Zukunft haben. "Das ist eine Tarifkundgebung, aber wir erklären uns solidarisch mit euch", sagt eine Verdi-Vertreterin ins Mikrophon. Die Frau, der 90.000 Euro geboten werden, damit sie die Dresdner Bank verlässt und nie mehr wiederkommt, schüttelt den Kopf.

Angst vor "dem schnellen Hartz IV"

"Die Gewerkschaft kann auch nix machen. Ich finde, wenn ich annehme, keinen anderen Job mehr", klagt die Frau. Sie will ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Aus Angst vor dem Arbeitgeber. Aus Angst vor "dem schnellen Hartz IV", wie sie sagt. Ihre Furcht steht irgendwie in scharfem Kontrast zu den Forderungen der Kollegen, die nach acht Prozent mehr Lohn rufen. "Auch Dresdner Banker wollen sichere Arbeitsplätze" steht auf einigen weißen T-Shirts.

6500 Stellen fallen durch die Fusion in Deutschland weg. "Das ist 'ne Sauerei", ruft Verdi-Redner Mark Roach ins Mikrophon. Doch so hat es Commerzbank-Chef Martin Blessing Anfang der Woche bei seinem Antrittsbesuch in der Dresdner Bank angekündigt. Augenzeugen berichten, Blessing habe dort mit seiner lockeren Art noch den besten Eindruck hinterlassen, besser als Allianz-Chef Michael Diekmann und Dresdner-Chef Herbert Walter. Aber dass er über den Stellenabbau mit sich reden lässt, das glaubt bei der Dresdner Bank keiner.

Gesichter sprechen für sich

"Das ist aus Blessings Sicht nicht verhandelbar", so Franz Scheidel, Betriebsrat und seit 29 Jahren bei der Dresdner. 6500 Jobs werden im Inland wegfallen, und vor allem Jobs in der charakteristischen Zentrale am Jürgen-Ponto-Platz, die aussieht wie eine Aluminiumdose mit Bullaugen, sowie im grünlich schimmernden Gallileo-Hochhaus ein paar Meter weiter dürften betroffen sein.

Jeder geht hier auf seine Art mit der Situation um. Manch einer will zu dem Thema Verkauf gar nichts mehr sagen. Eine Gruppe von Männern um die 40, die vor ihrem Bankturm eine Rauchpause einlegen, wendet sich genervt ab. Es braucht auch nicht viele Worte, die Gesichter sprechen für sich. "Ich mache jetzt erst mal Urlaub, dann sehen wir weiter", sagt eine Mitarbeiterin.

"Ich könnte mir auch vorstellen, mal ins Ausland zu gehen, da findet sich schon was", sagt ein Mitarbeiter aus dem Wertpapiergeschäft. Aber diese Möglichkeit habe eben nicht jeder. Wieder andere reden sich den Frust von der Seele. "Monatelang waren wir wegen der Aufspaltung der Bank so mit Mehrarbeit eingedeckt, dass wir kaum zum Nachdenken kamen, nur um jetzt abgewickelt zu werden", sagt ein stämmiger Mann mit weißem T-Shirt, der in der IT-Abteilung arbeitet. Jeder hier könne sich doch an zwei Fingern ausrechnen, was jetzt geschehe.

Was jetzt geschehen könnte, erklärt Betriebsrat Scheidel: "Es liegt auf der Hand, dass Technik und Systeme fast ausschließlich auf den Plattformen der Commerzbank laufen werden." Dass mit Herbert Walter nur ein Dresdner-Mann im künftigen Vorstand vertreten ist, sehen viele als schlechtes Omen. Ähnlich werde die Verteilung auch weiter unten in der Hierarchie aussehen.

Allianz - die Zielscheibe der Wut

"Außerdem wird man unter dem Deckmantel der Fusion versuchen, Leute loszuwerden, von denen man sich schon lange trennen will", sagt Scheidel. Aber er relativiert auch, will nicht zusätzlich Panik schüren. "Niemand wird morgen ohne Arbeit dastehen." Betriebsbedingte Kündigungen hat die Commerzbank bis Ende 2011 ausgeschlossen. Die Gewerkschaft Verdi fordert längere Garantien und fürchtet, viele Jobs könnten ausgelagert werden, sodass sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern. Damit seien die Zusagen der Commerzbank schlechter als die Konditionen, die der Betriebsrat noch im Frühsommer mit der Allianz für die Aufspaltung der Dresdner in Investmentbank und Privat- und Geschäftskundenbank ausgehandelt hatte.

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Dennoch ist für viele hier nicht die Commerzbank der Buhmann. "Zielscheibe für die Wut ist bei vielen die Allianz", sagt Scheidel. Mehr als 20.000 Stellen seien unter der Ägide des Versicherers bei der Dresdner Bank abgebaut worden, eine Umstrukturierung jagte die andere. Viele Mitarbeiter hat das demotiviert. Die Bank stagnierte, andere zogen vorbei, das gute Ende der Kaiserstraße rückte in immer weitere Ferne. "Wenn man immer vermittelt bekommt, man sei ein Klotz am Bein, fühlt man sich irgendwann wie der letzte Dreck der Bankenwelt", sagt einer, der die Dresdner Bank schon früher verlassen hat.

Scheidel sagt, es werde immer deutlicher, dass der Versicherungskonzern der eigentliche Gewinner in der Geschichte sei. "Für die Allianz war die Fusion mit der Dresdner nicht so schlecht, wie es oft dargestellt wird", sagt der IT-Mitarbeiter mit dem weißen T-Shirt. Sie habe sich die erfolgreiche Fondsgesellschaft DIT und andere Töchter einverleibt, über die Bankfilialen mehr Versicherungen verkauft. Das verlustreiche Investmentbanking aber schlage bei der Dresdner Bank zu Buche.

Dieser Vorwurf an die Investmentbanker von Dresdner Kleinwort schwingt bei manch einem mit, der jetzt nach Gründen sucht, warum es mit der Dresdner Bank so kommen musste. 1,3Milliarden Euro Verlust machte Kleinwort infolge der Kreditkrise im ersten Halbjahr. Und so erhitzte es die Gemüter, als es in dieser Woche plötzlich hieß, Investmentbanker sollten Halteprämien bekommen, damit sie nicht absprängen und die Integration der Dresdner in die Commerzbank begleiteten. "Das trägt natürlich nicht gerade zum gegenseitigen Verständnis bei", sagt Scheidel. Aber letztlich sitze man doch in einem Boot. Letztlich stehen sie bei der Dresdner alle nicht gerne am Rand.

© SZ vom 06.09.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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