Interview mit Vermögensforscher Druyen:"Alle wollen immer reicher werden"

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Der Vermögensforscher Thomas Druyen über die Gier der Reichen, warum der Fall Zumwinkel die Gesellschaft so erschüttert - und warum wir vielleicht in den Wilden Westen zurückfallen.

Harald Hordych

Prof. Dr. Thomas Druyen wurde 1957 am Niederrhein geboren und studierte an der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster Soziologie, Germanistik und Publizistik. Er arbeitete als Berater für Banken, Stiftungen und Unternehmen, die LGT Deutschland beriet er zum demographischen Wandel. Seine Forschungen schlugen sich in dem Buch "Olymp des Lebens - das neue Bild des Alters" nieder. Druyen ist Mitgründer des Forums für Vermögensforschung an der Uni Münster sowie Gründer und Inhaber des Lehrstuhls für Vergleichende Vermögenskultur an der Sigmund Freud Privat-Universität in Wien. 2007 erschien "Goldkinder - Die Welt des Vermögens". Er lebt und arbeitet in Düsseldorf und Wien.

Thomas Druyen: "Der Mensch kann nie genut Geld kriegen." (Foto: Foto: laif)

SZ: Herr Druyen, warum wollen Reiche wie Zumwinkel immer reicher werden?

Thomas Druyen: Alle wollen immer reicher werden. Die Glücksforschung ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Mensch nie genug Geld kriegen kann. Das gilt für alle Menschen.

SZ: Aber warum ist das auch bei sehr, sehr reichen Menschen so? Da ist doch genug Geld fürs Glück so oder so da.

Druyen: Nun, Geld gehört zu den ganz wenigen Phänomenen - im Gegensatz zu Liebe oder Treue - bei denen gilt: Selbst wenn der Bedarf gedeckt ist, erneuert er sich immer wieder. Es scheint, als handelt es sich um eine nicht zu stillende Sehnsucht.

SZ: Ich traue mich kaum zu fragen. Aber die Frage muss sein: Macht Geld glücklich?

Druyen: Das ist eine Frage, die ich in jedem meiner Gespräche mit sehr reichen Menschen gestellt habe.

SZ: Und die Antwort?

Druyen: Wir können hier nur über Tendenzen sprechen. Aber man muss klar sagen, die Antwort lautet: nein!

SZ: Wie auch der Volksmund erkannt hat: Geld macht nicht glücklich.

Druyen:Ich glaube an diesen Volksmund - und an den gesunden Menschenverstand, der dahintersteht. Wenn ich ein Ziel nie erreichen kann, dann brauche ich zu meiner seelischen Glückseligkeit offenkundig andere Mittel. Und da entsteht bei reichen Menschen die große Belastung.

SZ: Arme reiche Menschen?

Druyen: Es wäre völliger Quatsch, hier den Eindruck zu erwecken, wir sollten die, die viel Geld haben, bemitleiden. Es gibt eine großartige Bertelsmann-Studie zu der Motivation, warum einer überhaupt stiftet. Da ist die Sinnstiftung für das eigene Leben der erste Faktor.

SZ: Wann kann man überhaupt von einem Reichen sprechen?

Druyen: Es gibt keine allgemeingültige Definition. Die der OECD, wonach 60.000 Euro Jahreseinkommen Reichtum bedeutet, ist unbefriedigend, wenn sie sich überlegen, wie viele Reiche dann hier leben würden. Wir haben an unserem Lehrstuhl mal ein Angebot gemacht und gesagt: Reich sein beginnt bei einem Vermögen von drei Millionen Euro. Weil man dann von der Rendite mehr oder weniger gut leben kann. Mit 30 Millionen ist man sehr reich. Und mit 300 Millionen ist man superreich.

SZ: Reichtum beginnt an dem Punkt, an dem man nicht mehr arbeiten muss?

Druyen: Richtig - nicht zwingend arbeiten muss! Wobei, diesen Mythos kann man sofort auflösen, weil die meisten, die so viel Geld haben, trotzdem arbeiten.

SZ: Reich, sehr reich, superreich. Warum unterscheiden Sie dann noch einmal den Reichen vom Vermögenden?

Druyen: Meine Gegenüberstellung beruht auf Reichen, die sich nur um sich selber kümmern, und Vermögenden, die Verantwortung auch für die Gesellschaft übernehmen. Der Begriff des Vermögens umfasst eine immaterielle Seite - nicht nur eine materielle. Das hat mit Können, mit Kompetenz, mit Erfahrung und mit dem Willen zur Wertschätzung zu tun.

SZ: Ist jemand wie Herr Zumwinkel ein Reicher oder ein Vermögender?

Druyen: Zumwinkel kann nur ein Reicher sein, denn ein Vermögender würde so etwas nicht tun. Der Begriff "Vermögende" wird im Grunde wie eine Auszeichnung verliehen. Dazu muss man für die Gemeinschaft etwas Gutes getan haben. Ich interviewe nur Vermögende, nicht Reiche. Zumwinkel würde mich als Forschungsgegenstand nicht interessieren.

SZ: "Vermögender" ist ein Prädikat?

Druyen: Aristoteles hat den Begriff weitgehend geprägt. Und der sagt: Vermögen haben heißt, etwas konstruktiv in die Zukunft umzusetzen. Das Wort hat zwei Bedeutungen: Man hat Vermögen. Und man hat das Vermögen, etwas damit zu tun. Es geht um die Verantwortung der Reichen für eine Gesellschaft. Darüber gibt es natürlich keinen Zweifel: Wer mehr Glück hatte, auch wenn er mehr Leistung gebracht hat, der hat eine Verantwortung für die Gesellschaft! Das ist die Idee, die hinter der Vermögenskultur steckt: Dass diejenigen, die über herausragende Mittel verfügen, diese dem Staat nicht einfach zur Verfügung stellen, sondern über eine neue professionalisierte Philanthropie selbst etwas zur Beseitigung der Armut beizutragen. So jemand muss etwas an die Gemeinschaft zurückgeben.

SZ: Das klingt sehr nach dem amerikanischen Modell . . .

Druyen: Darf ich da etwas weiter ausholen?

SZ: Bitte!

Druyen: Im 19. Jahrhundert, vor den Bismarckschen Sozialgesetzen, waren die Reichen in Deutschland viel mehr eingebunden. Es gab 100.000 Stiftungen. Das waren fünfmal so viel wie heute. Dann übernahm der Staat die Versorgung.

SZ: Nicht zum Schaden der Menschen!

Druyen: Nein, natürlich nicht. Aber die Europäer, die nach Amerika gegangen sind, haben dieses philantrophische Bewusstsein mitgenommen. Dort ist die gegenseitige Abhängigkeit von Reichen und Armen in Ermangelung staatlicher Absicherung wesentlich größer. Darum ist aber auch die gefühlte Ungerechtigkeit kleiner. Die Reichen konkurrieren dort miteinander, wer mehr Gutes tut. Da gibt es Ranglisten. Die Verpflichtung für einen Reichen, etwas für die Gemeinschaft zu tun, ist in Amerika selbstverständlich.

SZ: Hat jemand wie Klaus Zumwinkel, der sich womöglich mit krimineller Energie bereichert hat, der Idee der Vermögenskultur nicht immens geschadet?

Druyen: Die gesamte Inszenierung, und da gibt's viele Beteiligte, hat dieser Idee immens geschadet. Mehr möchte ich zu Herrn Zumwinkel nicht sagen. Wenn jemand wie er persönlich versagt, dann muss er auch die Konsequenzen tragen. Was kriminell ist, ist kriminell. Das muss geahndet werden.

SZ: Warum erschüttert uns der Fall so?

Druyen: Das hängt auch mit den Begleitumständen zusammen - und das meine ich mit Inszenierung: Dass die Kamerateams schon vorher da waren. Dass der Staat die Daten Kriminellen abgekauft hat.

SZ: Sie verurteilen, dass die Daten einem Informanten abgekauft wurden, der sie auf illegalem Weg beschafft hat?

Druyen: Ich kann nur die Signalwirkung beurteilen: Die halte ich für höchst fragwürdig.

SZ: Was für eine Signalwirkung könnte das sein?

Druyen: Dass wir jetzt in den Wilden Westen zurückfallen und die Leute sich auf die Lauer legen. Und alle Formen von Verfehlungen auf private Rechnung ausspionieren oder stehlen und dann verkaufen. Und wenn der Staat als Ermittler und Interessent auftritt, finde ich das im Rahmen unserer Verfassung nicht richtig.

SZ: Ist da jeder Form von Denunziantentum Tür und Tor geöffnet?

Druyen: Bei Begriffen wie Denunziantentum oder Hehlerei sollten wir uns zurückhalten: Wir sollten lieber versuchen, ein großes Problem, das aus menschlicher Neigung, Vorteilsnutzung und Schwäche besteht, gemeinschaftlich zu lösen. Stattdessen sieht man: geifernde Menschen. Man spürt Schadenfreude. Man spürt Freude darüber, dass jemand in die Falle gegangen ist. Und wenn das der Geist ist, der dieser Gesellschaft im Genick sitzt, dann sind die Zukunftsaussichten trübe.

SZ: Welchen Geist meinen Sie?

Druyen: Den Geist des Neides. Den Geist der Habgier und der Dummheit.

SZ: Welche Rolle spielen die Medien beim Bild des Neid provozierenden Reichen?

Druyen:Über Privatsender und dergleichen mehr werden uns Reiche vorgeführt, die irgendwo den ganzen Tag in St. Barth in Sektlaune und mit langen Zigarren die Sonne anstarren. Und die in meinen Augen vollkommen lächerlich sind. Aber diese Menschen sind eben vollkommen frei!

SZ:Der Stoff, aus dem unsere Träume sind.

Druyen: Wir haben an der Uni Münster Befragungen gemacht, wen die verschiedenen Generationen für die Reichsten halten. Sehr viele ältere Menschen haben gesagt: die Queen! In den Jahrgängen zwischen 30 und 60 haben alle gesagt: Bill Gates.

SZ: Was ja mal gestimmt hat.

Druyen: Je nach Aufklärungsgrad. Aber bei den Jungen fing sie dann, die Verwechslung von Prominenz mit Reichtum. 15-Jährige sagen viel öfter Paris Hilton oder Robbie Williams. Man weiß gar nicht, wer zu den Vermögenden zählt. Von der Liste der hundert reichsten Menschen in Deutschland dringen die wenigsten ins Licht der Öffentlichkeit. Die, die auf Galas auftreten, haben vielleicht ein paar Millionen oder ein bisschen mehr. Aber sie gehören nicht zur Klientel der wirklich groß Besitzenden. Die gehen kaum auf Galas!

SZ: Warum ist das so?

Druyen: Diejenigen, die seit Generationen über sehr viel Geld verfügen, sagen wir ruhig Dynastien, die haben - zumindest nach außen hin - Bescheidenheit gelernt, weil sie um die Gefahren wissen, wenn man mit viel Protz ins Auge der Bevölkerung springt. Das wird dort bewusst vermieden. Was sich für die Öffentlichkeit hinter dem Begriff der Reichen oder Erfolgreichen verbirgt, sind Filmstars, Sportler oder auch Manager.

SZ: Unser Neidproblem ist also auch ein Medienproblem?

Druyen: Es ist ein Medienproblem. Aber die Medien sind hier nur die Verlängerung des bürgerlichen Bewusstseins. Sie sind Gehilfe einer Funktion, die der Neid erfüllen soll: Indem er diffamiert, vermittelt er dem Neiderfüllten kurzfristig ein besseres Gefühl. Wenn ich - ganz plump - sagen kann: Der ist reich, aber ein Arschloch, kann ich mich selber aufwerten.

SZ: Manager klagen gern darüber, dass der Sozialneid noch höhere Manager-Gehälter verhindert, die ihnen im Vergleich mit international arbeitenden Managern zustünden. Könnte das als Legitimation für jemanden wie Zumwinkel dienen?

Druyen: Über das Verhalten eines Menschen, der so reich ist, dass er nicht arbeiten muss, um gut leben zu können, und der dann in diese Situation gerät, da müssen Sie einen Psychotherapeuten befragen.

SZ: Dann müssten eine ganze Menge Leute auf die Couch. Auf der berühmten DVD sollen mehr als tausend Hinweise sein . . .

Druyen: Was sind denn 1000 Tatverdächtige im Vergleich zu fast 800.000 Millionären, die wir in Deutschland haben? Das ist ja das, was ich als unerträglich empfinde: Alle Reichen werden nun in einen Topf geschmissen!

SZ: Wurden Sie als ehemaliger Berater der LGT Liechtenstein Deutschland deswegen auch attackiert?

Druyen: Meine Tätigkeit umfasste wissenschaftliche und kulturelle Fragen - ich bin kein Banker, sondern Wissenschaftler. Überhaupt ist ja die generelle Verunglimpfung ohnehin untragbar über das Ziel hinausgeschossen.

SZ: Was würden Sie der Bank und dem Fürstenhaus heute raten?

Druyen: Ich maße mir nicht an, in solch komplexen Angelegenheiten Ratschläge zu erteilen. Ich rate allenfalls allen Beteiligten, zur Kooperation zurückzufinden.

SZ: Die Kernfrage bleibt: Wie ist es möglich, dass einer, der sich ein Wochenendhaus für drei Millionen kauft, Steuern hinterzieht, um noch mehr zu haben . . .

Druyen: Ich bleibe dabei: Das ist ein individuelles Problem für die Couch. Aber zum Hintergrund Ihrer Frage: Die Einstellung, dass ein Spitzenmanager sich selbst einen noch höheren Lohn genehmigt, weil im sogenannten internationalen Vergleich die Löhne für Spitzenmanager nun mal noch höher sind - dies halte ich ür eine Erklärung, die an Absurdität kaum zu überbieten ist. Man lebt immer in einem gesellschaftlichen Gefüge. Und es muss ein Maß geben, das für den Rest der Gesellschaft, die man zum Teil als Mitarbeiter beschäftigt, erträglich ist. Und das ist ja genau unser Problem in Deutschland. Die gefühlte Ungerechtigkeit ist auf allen Ebenen, nicht nur bei Managern, in einem Ausmaß bedrohlich, dass man sich darüber Gedanken machen muss.

SZ: Es ist also schlicht ein Denkfehler, wenn deutsche Manager darauf verweisen, dass amerikanische Kollegen bei ganz anderen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mehr verdienen? Druyen: Das ist doch eine Ausrede: "Ich würde ja weniger nehmen, aber der internationale Druck ist so groß!" Kinderkram! Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Das kann kein Argument dafür sein, das Gesellschaftsgefüge sprengende Entlohnungen durchzusetzen. Andererseits wissen wir durch Umfragen, dass in der Bevölkerung, auch einem Manager, der unglaublich viel verdient, viel mehr als Herr Zumwinkel, der aber positiv wirkt in Hinsicht auf gesellschaftliche Verantwortung, sein Reichtum sehr wohl gegönnt wird.

SZ: Ein Beispiel?

Druyen: Porsche. Ich habe noch keine Angriffe gegen Wendelin Wiedeking gesehen. Er scheint nicht als jemand zu gelten, der sich bereichert. Die Bevölkerung hat meiner Ansicht nach kaum Probleme mit Erfolgreichen, die tatsächlich vorbildlich leben. Die eine bestimmte Moral beweisen. Es wird nur unerträglich in dem Moment, in dem die Menschen den Eindruck haben, dass jemand Mist baut - jetzt nicht in einem kriminellen Sinne, sondern dass er Firmen gegen die Wand fährt, viele Menschen entlässt und dann noch mit Millionen abgefunden wird. Dann fühlt man sich betrogen. Und da muss die Gesellschaft, da muss auch die Politik handeln!

SZ: Sie fordern einen entmystifizierten und nüchternen Umgang mit Reichtum. Was steht dem im Wege?

Druyen: Das beste Beispiel ist die aktuelle Diskussion. Es dauerte keine zwei Stunden nach den ersten Bildern, da wurde ein Generalverdacht gegen die Eliten ausgesprochen. Weil Geld bei uns ein Tabuthema ist. Wir müssen lernen, Geld als Medium zu begreifen, mit dem man Gutes oder Schlechtes tun kann, ganz wertfrei. Systeme, die versucht haben, allen das gleiche Einkommen zukommen zu lassen, sind gescheiert. Ich finde: Eine Zunahme derjenigen, die erfolgreich sind, könnte sinnvoll sein, wenn diese Klientel über eine . . .

SZ: . . . Vermögenskultur?

Druyen: . . . ja, mit einer entsprechenden Haltung etwas zurückfließen lässt. Was fehlt ist der Mut, denjenigen, die neben der finanziellen auch auf der menschlichen Ebene erfolgreich sind, eine entsprechende Reputation zu geben. Stattdessen beobachte ich in meinen Gesprächen, dass diese Klientel nicht in die Medien will, weil sie Angst hat, negativ dazustehen. Gerade bei diesen Leuten stellt sich reflexhaft der Gedanke ein: Wenn jemand so viel stiften kann, dann muss ja 'was faul sein.

SZ: Hängen Sie dabei nicht einem Unternehmertypus nach, den es so nicht mehr gibt? Der regional verankerte Unternehmensgründer? Und jetzt haben wir lauter Manager, die mal in Dublin oder New York oder Dubai agieren ...

Druyen: Das ist eine anschauliche Beschreibung, aber sie ist leider falsch. 80 Prozent unserer Unternehmen sind Familienunternehmen oder mittelständisch geführte Unternehmen. Der Manager hat natürlich einen anderen Handlungshorizont. Der hat eine Fixierung auf kurzfristigen ökonomischen Erfolg. Aber die Arbeitsbedingungen eines Managers haben mit den harten Arbeitsbedingungen eines weltweiten Konkurrenzkampfes zu tun. Das werde ich nicht ändern können. Sie auch nicht.

SZ: Aber was können wir denn ändern?

Druyen: Wenn der Bürger erkennt, dass wir tatsächlich eine Elite haben, die positiv tätig ist oder sein könnte, dann wird sich das Klima bei uns verändern.

SZ: Sie sagen, ohne die Hilfe der Vermögenden werden wir die Probleme der Zukunft nicht lösen.

Druyen: Hilfe? Das Wort stört mich gewaltig, weil man dann an die Reichen appellieren muss, anderen zu helfen. Dann agiert die Gesellschaft nicht auf Augenhöhe. Man muss nicht reich sein, um ein guter Mensch zu sein. Ich möchte nicht, dass wir die Reichen auf Knien anflehen.

SZ: Was soll man sonst tun? Sie argumentieren auf der Basis von Freiwilligkeit.

Druyen: Freiwillig ist die Einsicht. Und die Voraussetzungen für Einsicht müssen wir Wissenschaftler schaffen. Die Politik muss dafür sorgen, dass die Philanthropie professionalisiert wird. Durch bessere Koordination von Stiftungen. Bei der Finanzierung von Bildung als einziges wirksames Mittel gegen Armut müssen die Vermögenden unbedingt - ja jetzt kommt's drauf an, ich kann nicht sagen: herangezogen werden, ich kann nicht sagen: gebeten werden. Ich sage: Auf dieser Ebene müssen wir mit den Vermögenden kooperieren.

SZ: Aber das Wort, wie man sie dazu bewegen kann, haben Sie ausgespart.

Druyen: Ja, das ist auch ein Manko. Nein, der Faktor "Freiwilligkeit" oder "Einsicht" reicht nicht. Das hat er schon seit Jahrhunderten nicht getan. Ich will das Wort vermeiden, aber Sie bohren ja so. Es wird also auch mit Zwang zu tun haben. Aber das kann nur ein Zwang sein, der aus der Gesellschaft heraus entsteht. Als Grundlage gemeinschaftlichen Handelns.

SZ: Also doch: Hoffnung und Vertrauen.

Druyen: Der Staat könnte über wirklich nennenswerte steuerliche Vorteile für die Stifter und eine gleichzeitige stärkere Besteuerung derjenigen, die eben nichts tun, schon gewisse Zwangselemente einbauen. Ich glaube, dass im Augenblick niemand wegen der steuerlichen Vorteile spendet, dafür sind die Vorteile viel zu unerheblich. Und die die eben nichts geben wollen, müssen infrastrukturelle Kosten übernehmen.

SZ: Also soll gesellschaftlicher Druck dazu führen?

Druyen: Wir haben jetzt schon Druck, aber das ist kein guter Druck. Der geht nur nach hinten los. Wir brauchen einen positiven Gemeinschaftssinn.

SZ: Es wird nun ein neuer Wertekodex gefordert.

Wie vereinbar ist denn unsere Empörung über Zumwinkel mit unseren Bemühungen, das Finanzamt mit kleinen Tricks um unser Steuergeld zu bringen?

Druyen: Es gibt Studien, die belegen, dass je mehr Volksentscheide und Bürgerbefragungen eine Demokratie zulässt, also je mehr Mitbestimmung über eine direkte Demokratie sie ermöglicht, desto höher ist die Steuermoral in der Bevölkerung ausgebildet. Wir brauchen Vertrauen in unsere Demokratie.

SZ: Leitartikler haben gesagt, dass die hohen Managergehälter nur durch zwei Gründe gerechtfertigt seien: höhere Leistung und ein höheres Maß an Tugend. Sind unterschiedliche Maßstäbe in Ordnung?

Druyen: Wenn man fordert, dass gewisse Menschen eine höhere Tugend an den Tag legen als andere, dann schaffen wir wieder eine Form der Ungerechtigkeit und Ungleichheit. Alle müssen der Tugend folgen. Wir brauchen eine gemeinsame Moral. Tugend ist nicht teilbar! Und Moral ist nicht gruppenspezifisch!

© SZ vom 23./24.02.2008/sme/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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