Interview mit Carlos Wienberg:"Über die Grenzen des Rechts hinaus"

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Der Jurist Carlos Wienberg sammelt gerne Kunst und organisiert Vernissagen. Als Profi-Galerist möchte er trotzdem nicht arbeiten - diese Welt sei "ein extrem hartes Pflaster", sagt Wienberg.

Sibylle Haas

Carlos Wienberg, 47, ist aus der Not heraus zum Sammler geworden. Als er sich 1998 in Barcelona als Anwalt selbständig machte, hatte er weißgetünchte Wände. Er mietete Bilder des befreundeten Malers Karl Oppermann und seiner Frau Edda Grossmann. Heute veranstaltet Wienberg Vernissagen in seiner Kanzlei. Der in Madrid geborene Deutsche Wienberg wurde an der Universität in Freiburg zum Dr. jur. promoviert und ist im Wirtschaftsrecht tätig.

SZ: Welches Kunstwerk haben Sie zuletzt gekauft? Carlos Wienberg: Ein Porträt von Franz Schubert, das Swantje Crone gemalt hat. Ich werde es der Associació Franz Schubert zur Verfügung stellen. Dieser Verein will damit seine Programme, Einladungen und Poster für die diesjährigen Sommernachtskonzerte in Vilabeltran an der Costa Brava gestalten.

SZ: Wie viel haben Sie für dieses Bild bezahlt? Wienberg: 1500 Euro.

SZ: Wann entdeckten Sie Ihre Leidenschaft für die Kunst? Wienberg: Das war 1995. Über meinen Rotary-Club lernte ich den Maler Karl Oppermann kennen. Oppermann war damals Professor an der Hochschule der Künste in Berlin, hielt sich aber oft in Barcelona auf. Ich besuchte ihn in seinem Atelier an der Rambla de les Flors und war fasziniert von seinen Bildern. Wir sind heute gut befreundet.

SZ: War das der Auslöser fürs Sammeln? Wienberg: Nicht direkt. Meine Sammelleidenschaft ist eigentlich aus der Not heraus geboren. Als ich mich 1998 als Anwalt selbständig machte, hatte meine Kanzlei zwar schöne Büromöbel, aber nur weißgetünchte Wände. Das führte dazu, dass es beim Telefonieren einen schrecklichen Widerhall gab. Beim Gesprächspartner musste der Eindruck entstehen, meine Kanzlei sei nur spärlich möbliert.

SZ: Das macht natürlich einen schlechten Eindruck. Wienberg: Ja, so ist es. Ich hatte die Idee, einige Bilder von Karl Oppermann und dessen früherer Meisterschülerin und späterer Ehefrau Edda Grossmann zu mieten. Schließlich standen die Bilder unbeachtet in deren Atelierwohnung, wenn sie lange nicht da waren. Mein Vorschlag gefiel den beiden und bald hingen die Bilder an den Wänden meiner Kanzlei. Damit war der lästige Widerhall beim Telefonieren weg.

SZ: Was zahlen Sie für die Miete der Kunstwerke und wie berechnet sie sich? Wienberg: Es waren 1000 DM im Jahr, die wir pauschal vereinbarten und die für mich finanziell tragbar waren. Inzwischen hängen bei uns fast nur noch gekaufte Bilder.

SZ: Was nutzt die Kunst Ihrer Firma? Wienberg: Ich kam auf die Idee, einen Cocktailempfang in Verbindung mit einer Vernissage zu geben. Als damaliger Präsident des Kreises deutschsprachiger Führungskräfte in Barcelona hatte ich viele Kontakte und ich überlegte mir, wie ich diese Verbindungen für die Zeit nach dem Ausscheiden aus diesem Amt aufrechterhalten könnte. Die Kombination eines Cocktails mit der Ausstellung der Bilder von Karl Oppermann erschien mir eine ideale Plattform dafür.

SZ: Wie viel Leute kamen? Wienberg: Zum ersten Empfang kamen 100 Gäste. Das war ein guter Start. Seitdem veranstalte ich jedes Jahr eine Vernissage Ende Oktober oder Anfang November. Der Herbst eignet sich in Barcelona gut für gesellschaftliche Empfänge, weil man weder Klimaanlage noch Heizung einschalten muss und die Gäste ohne Mantel kommen. Das erleichtert natürlich den Empfang. Durch die Kunstveranstaltungen kann ich ein großes Beziehungsnetz mit etwa 300 Personen auf sehr persönliche Weise regelmäßig pflegen. Die Adressendatei hat sich im Laufe der Jahre aber auch als sehr nützlich für meine juristischen Vortragsveranstaltungen erwiesen.

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SZ: Profitieren auch die Künstler von der Vernissage? Wienberg: Auf den Vernissagen wird in der Regel viel geredet, gegessen, und getrunken , aber fast nichts gekauft. Im letzten Jahr wurden jedoch sechs Werke von Janina Lamberty für das neu eröffnete Restaurant am Hafen von Barcelona, So de Mar, gekauft. Auch sind im Laufe der Jahre einige Bilder, die nach der Ausstellung für gewisse Zeit in der Kanzlei hingen, von Freunden und Mandaten erworben worden.

SZ: Was haben Ihre Mitarbeiter davon? Wienberg: Die Bilder schaffen in der Kanzlei eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Durch die teilweise wechselnden Bilder erhalten die Räume auch immer wieder einen neuen Charakter. Diese Abwechslung tut gut. Es ist interessant festzustellen, wie sehr ein Bild einen Raum prägt oder wie kahl ein Raum aussieht, wenn ein großes Bild abgehängt wird.

SZ: Welcher Künstler wird als nächstes bei Ihnen ausstellen? Wienberg: Dieses Jahr werden Werke der Designerin Tatjana Busch ausgestellt, die den diesjährigen Haus der Kunst-Preis in München verliehen bekommen hat und für nächstes Jahr ist eine Ausstellung der Skulpturen von Helga Lannoch geplant.

SZ: Woher kennen Sie die beiden Künstlerinnen? Wienberg: Aus dem Familien- und Freundeskreis.

SZ: Wie groß ist Ihre Sammlung? Wienberg: Sie umfasst 15 Bilder.

SZ: Ist sie der Öffentlichkeit zugänglich? Wienberg: Nein, da die Bilder in meiner Kanzlei oder in meiner Wohnung hängen.

SZ: Kennen Sie die Wertentwicklung Ihrer Sammlung? Wienberg: Nein.

SZ: Warum nicht, wollen Sie nicht wissen, wie viel Euro an Ihren Wänden hängen? Wienberg: Was ich für die Bilder bezahlt habe, weiß ich natürlich, wie sie sich im Wert entwickelt haben, weiß ich jedoch nicht. Mit den Bildern von Swantje Crone und Waltraud Maczassek dürfte ich aber bereits jetzt ein gutes Geschäft gemacht haben.

SZ: Wo kaufen Sie? Wienberg: Direkt beim Künstler und beim Kunsthändler.

SZ: Welche Künstler sammeln Sie? Wienberg: Zeitgenössische deutsche Künstler. Bisher sind das Swantje Crone, Karl Oppermann, Natascha Ungeheuer, Edda Grossmann und Waltraud Maczassek.

SZ: Kennen Sie einige der Künstler persönlich? Wienberg: Ja, alle bis auf Natascha Ungeheuer. Die persönliche Beziehung zum Maler ist mir besonders wichtig. Ich empfinde sie als eine besondere Bereicherung meines Lebens. Durch sie kann ich über die Grenzen der manchmal beengten Welt des Rechts hinaustreten.

SZ: Nach welchen Kriterien wählen Sie aus? Wienberg: Danach, was mir gefällt.

SZ: Wer hat Ihren Kunstgeschmack am stärksten geprägt? Wienberg: Ich kann nicht sagen, wer für meine künstlerische Prägung das Copyright hat. Es waren sicher viele.

SZ: Wissen Sie noch, wie das erste Werk hieß und wie viel Sie dafür bezahlt haben? Wienberg: Mein erstes Bild erstand ich von Karl Oppermann. Wir waren bei ihm eingeladen und ein Bild zog mich in seinen Bann. Das in einem intensiven sonnengelb gehaltene "Plaça Reial" fing den Kontrast zwischen dem schönsten Platz Barcelonas und den sich dort herumtreibenden zwielichtigen Gestalten ein. Ich fragte nach dem Preis und stellte zu meiner Überraschung erstmals fest, dass ich mir den Kauf eines "richtigen" Kunstwerkes leisten konnte. Ich erstand es für 6.000 DM. Das war im Jahr 1995.

SZ: Besitzen Sie es noch? Wienberg: Ja und es macht uns täglich Freude.

SZ: Was war Ihr größter Fehlgriff? Wienberg: Der Kauf von mehreren Bildern auf einen Schlag in der irrigen Annahme, mit Kunst kurzfristig ein Geschäft machen zu können. Animiert von dem guten Besuch der Vernissagen in der Kanzlei, meinte ich mich als Hobby-Galerist betätigen zu können. Allerdings musste ich bald erkennen, dass die Welt des Galeristen ein extrem hartes Pflaster ist. Nicht umsonst kassieren sie oft 50 Prozent des Verkaufserlöses.

© SZ vom 15.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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