Ingrid Matthäus-Maiers Rücktritt:Mensch unter Wölfen

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Eine Staatsbankerin geht, entnervt und krank von den Schuldzuweisungen der Politik: KfW-Chefin Matthäus-Maier will nicht mehr den Kopf für die Fehler anderer hinhalten. Die Reserven der KfW sind durch die Zockereien der IKB aufgebraucht.

Helga Einecke und Claus Hulverscheidt

Peer Steinbrück (SPD) und Michael Glos (CSU) ahnen nichts, als sie Montag in der Berliner Repräsentanz der Staatsbank KfW eintreffen. Die Tagesordnung für die Verwaltungsratssitzung ist lang - doch noch ehe es los geht, bittet KfW-Chefin Ingrid Matthäus-Maier die beiden Minister zum Sechs-Augen-Gespräch.

Entnervt und krank von der ständigen Kritik der Politiker: Die Reserven der KfW sind durch Zockereien der IKB aufgebraucht. (Foto: Foto: ddp)

Sie sei es leid, den Kopf für Fehler anderer hinzuhalten, klagt sie sinngemäß. Deshalb werde sie von ihrem Amt als Vorstandssprecherin zurücktreten. Glos und Steinbrück blicken sich konsterniert an. Damit haben sie nicht gerechnet. Auch der SPD-Finanzminister wurde von seiner Parteifreundin nicht vorab informiert.

Hin und Her zwischen zwei "Dienstherren"

Mit Tränen in den Augen berichtet Matthäus-Maier anschließend dem Präsidialausschuss der KfW und dem Verwaltungsrat von ihrer Entscheidung. Und macht ihrem Ärger Luft. Sie spricht über die Krise der Mittelstandsbank IKB, an der ihre Bank beteiligt ist, sie schimpft über das ständige Hin und Her zwischen ihren beiden "Dienstherren", dem Wirtschafts- und Finanzminister, die sich persönlich nicht grün sind. Die Querschüsse aus der Politik hätten ihre Gesundheit angegriffen und sie zermürbt.

Tatsächlich musste die 62-jährige, die lange im Bundestag saß und bisweilen gar als Bundesfinanzministerin gehandelt wurde, in den vergangenen Monaten viel Kritik einstecken. Politiker, Medien, echte und falsche Experten - sie alle zielten auf Matthäus-Maier, sie alle warfen ihr vor, sie habe in der Krise um die Mittelstandsbank IKB versagt.

Dem Staatsbanker darf jeder reinreden

"Der Unterschied zwischen einem Privat- und einem Staatsbanker ist, dass bei der Bewertung der Leistung des Staatsbankers jeder Depp mitreden darf", sagt ein Insider, der in den vergangen Monaten an den diversen Rettungsaktionen zugunsten der IKB beteiligt war. Die schärfsten Angriffe kamen aus den Reihen der FDP - jener Partei, der Matthäus-Maier 1982 den Rücken gekehrt hatte. Die CSU schoss ebenfalls gegen die Sozialdemokratin, CDU-Politiker streuten schon vor Wochen, es werde nach einer Nachfolgerin für sie gesucht.

Auch ihre eigenen Parteifreunde kreideten Matthäus-Maier Fehler an. Sie habe den angestrebten Verkauf der IKB derart in die Länge gezogen, dass ein Investor nach dem anderen abspringe. Den KfW-Verwaltungsrat habe sie, so sagen ihre Kritiker, mehrfach mit Hiobsbotschaften überrascht, manchmal habe sie schlecht vorbereitet gewirkt und trotz der IKB-Krise gewagt, über eine Verlängerung ihres Vertrages zu reden.

Ein Mensch an der Spitze einer Kreditmaschine

In der eher kühlen Welt der Nadelstreifen-Träger wirkt die offene und verletzliche Top-Bankerin erfrischend. Am Finanzplatz Frankfurt bedauern deshalb viele Mitstreiter den Abgang von Matthäus-Maier. "Endlich mal ein Mensch an der Spitze dieser Kreditmaschinen", bringt es einer auf den Punkt. Sie selbst empfand es bereits im Herbst als bitter, immer nur mit der IKB in Verbindung gebracht zu werden.

Vom amerikanischen Wirtschaftsmagazin Fortune wurde sie einst zu den mächtigsten 50 Frauen außerhalb der USA gewählt - eine Ehrung, die ihr schon damals nicht wichtig war: "Wenn mir das IKB-Thema erspart geblieben wäre, hätte ich auf dieses Ranking gern verzichtet." Eigentlich wollte sie zeigen, wie man Firmen, Existenzgründer, Studenten und Häuslebauer mit günstigen Krediten fördert, wie man den Umweltschutz finanziert, die Entwicklungshilfe anschiebt und nebenher ein bisschen die Welt verbessert.

So war es auch am Freitag, dem 27. Juli 2007. Matthäus-Maier bereiste die russische Republik Tatarstan. Plötzlich meldete sich aufgeregt der damalige Chef der Mittelstandsbank IKB.

Die Deutsche Bank hatte ihm den Kredit gesperrt. Der KfW-Chefin schwante, welche Sprengkraft diese Botschaft für ihre Bank hatte, die größte Aktionärin der IKB. Sie ließ sich Josef Ackermann verbinden. Der wandelte ihre Ahnung in Gewissheit: "Ich glaube, wir haben da eine Schieflage", sagte der Chef der Deutschen Bank.

"Nicht Fleisch vom Fleisch der KfW"

Innerhalb von 24 Stunden schnürten Bundesbank, Finanzaufsicht Bafin, KfW sowie private Banken und Sparkassen ein Rettungspaket für die IKB. Am Montag darauf erfuhr die Öffentlichkeit, dass die "größte Bankenkrise seit 1931" abgewendet worden sei, wie Bafin-Präsident Jochen Sanio formulierte. Bundesbank-Vizepräsident Franz-Christoph Zeitler sprach von einem Tsunami. Es war der Tag, an dem die Finanzkrise, die Monate zuvor in den USA begonnen hatte, Deutschland erreichte.

Damals sagte Matthäus-Maier noch, die IKB sei "nicht Fleisch vom Fleisch der KfW". Doch das änderte sich in den nächsten Monaten. Erst übernahm die Staatsbank alle Rechte und Pflichten für einen notleidenden Fonds der IKB namens Rhineland Funding und stand für Risiken in Milliardenhöhe gerade. Im November musste erneut ein Rettungspaket geschnürt werden, im Januar und Februar tauchten weitere Löcher auf. Die IKB erwies sich als unverkäuflich. Das wahre Ausmaß des Desaster zeigt die am Montag veröffentlichte KfW-Bilanz. Die Staatsbank hat im vergangenen Jahr 6,4 Milliarden Euro verloren. Über Jahre angesammelte Reserven sind weg.

"Die KfW hat nicht gezockt, sondern die IKB"

Anfangs konterte Matthäus-Maier die Angriffe ihrer politischen Kritiker noch selbstbewusst. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung sagt sie vor einigen Wochen: "Nicht die KfW hat gezockt, sondern die IKB Bank." Sie erläutert ausführlich, wie viele Prüfer, Aufseher, Ratingagenturen und Kontrolleure über einen langen Zeitraum hinweg nichts gemerkt haben, einschließlich ihres eigenen Vorgängers Hans Reich.

Matthäus-Maier räumter allerdings auch ein, dass sie die erste Rettungsaktion im Sommer mit dem späteren Wissen nicht so nicht zugestimmt hätte. Aber was wusste man im Juni 2007 schon über die Finanzkrise und deren dramatische Folgen?

© SZ vom 09.04.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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