Hypo Real Estate:"Es ist irrational, was an der Börse geschieht"

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Hypo-Real-Estate-Vorstandschef Georg Funke über das Aktienkurs-Debakel, die Kritik an seiner Kommunikation - und die Forderungen nach seinem Rücktritt.

Marc Beise und Thomas Fromm

Hypo-Real-Estate-Chef Georg Funke, 52, hatte monatelang betont, sein Konzern sei nicht von der US-Immobilienkrise betroffen. Bis er am Dienstag überraschend Millionenabschreibungen ankündigte und die Aktie des Immobilienfinanzierers daraufhin um ein Drittel einbrach. Aktionärsschützer fordern nun seinen Rücktritt.

Die Finanzkrise trifft auch Hypo Real Estate: 390 Millionen Euro müssen abgeschrieben werden, Aktionärsvertreter fordern die Ablösung von Konzernchef Funke. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Funke, Ihre Aktie ist am Dienstag um ein Drittel abgestürzt; innerhalb weniger Stunden wurden Milliarden von Euro verbrannt. Verstehen Sie den Zorn Ihrer Anleger?

Funke: Bei Kursverlusten in dieser Größenordnung ist Zorn da, sicher. Ich bin auch Aktionär. Und es tut weh. Aber, ehrlich gesagt: Es ist schlicht irrational, was hier an der Börse geschieht.

SZ: Naja, Sie haben aus heiterem Himmel angekündigt, wegen der Kreditkrise 390 Millionen Euro abschreiben zu müssen ...

Funke: ... aber man muss doch diesen Betrag angesichts einer Bilanzsumme von rund 400 Milliarden Euro und angesichts der Milliardenabschreibungen, die andere Banken verkraften müssen, sehen. Die Abschirmung macht etwa einen Euro am Wert der Aktie aus. Dass sie um rund 12 Euro gefallen ist, hat mit rationaler Analyse nichts mehr zu tun.

SZ: Sie sind von der Heftigkeit der Börsenreaktion überrascht worden?

Funke: Natürlich war uns klar, dass wir mit Blessuren rechnen mussten. Mit dieser Wucht aber konnten wir nicht rechnen. Der Kursabschlag ist fundamental durch nichts gerechtfertigt. Hypo Real Estate ist ein profitables und stabiles Unternehmen. Wir haben Wachstumsraten von 20 Prozent in den letzten Jahren gehabt. Nun aber gibt es eine Finanzkrise, die wir bisher noch nicht kannten.

SZ: Kritisiert wird aber doch nicht, dass Sie Millionenabschreibungen infolge der Kreditkrise vornehmen mussten, sondern dass Sie monatelang so getan haben, als beträfe Sie die ganze Krise überhaupt nicht. Ihre Aktionäre haben jetzt ein nachhaltiges Vertrauensproblem.

Funke: Zunächst: Wir haben stets korrekt nach unserem Sachstand informiert. Wir sprechen von einem Zeitraum seit Dienstag. In welcher Welt bewegen wir uns eigentlich, dass wir ein paar Tage schon als nachhaltig bezeichnen? Schauen Sie doch mal, was in den letzten Wochen und Monaten passiert ist. Man redete lange Zeit von der einen oder anderen grauen Wolke am Himmel. Ab November haben wir vom Wolkenbruch geredet. Sie sprechen von einem Vertrauensproblem, dem ich mich jetzt stelle. Ich werde alles dafür tun, um dieses Vertrauen wiederherzustellen.

SZ: Ihnen wird sogar vorgeworfen, Sie hätten die Anleger monatelang getäuscht, indem Sie die Risiken heruntergespielt und die Lage Ihres Instituts bewusst in ein positives Licht gerückt hätten. Warum haben Sie denn nicht schon früher darauf hingewiesen, dass es auch bei Ihnen Risiken gibt?

Funke: Das und wie uns die Risiken treffen, ist eine Erkenntnis aus den ersten Januartagen. Vage Vermutungen oder ein Bauchgefühl reichen für eine Ad-hoc-Mitteilung nicht aus. Wir reden hier über Finanzkommunikation, und die ist in Deutschland ganz klar geregelt und wird scharf überwacht. Diese sieht nur Quartalsmitteilungen und Ad-hoc-Pflichten vor. Einzelne Wasserstandsmeldungen oder Gefühlswallungen sind da nicht vorgesehen und rechtlich irrelevant.

SZ: Viele Ihrer Kollegen bei anderen Banken haben rechtzeitig klare Ansagen gemacht. Sie dagegen haben in Ihren Interviews immer gesagt: "Bei uns ist alles sauber."

Funke: Zu den Risiken anderer Banken kann ich nichts sagen. Sprechen wir über unsere Fakten: Wir haben 1,5 Milliarden Euro in US-CDO-Wertpapiere investiert; die wurden von den Rating-Agenturen zum allergrößten Teil mit Höchstnoten versehen. Wir konnten nicht wissen, dass die Ratingagenturen ab Mitte November auch diese Papiere herabstuften. Das ging dann Schritt für Schritt so weiter, bis wir einen Strich unter das vierte Quartal ziehen mussten. Als alles gerechnet war, haben wir am Dienstag über unseren Abschreibungsbedarf informiert.

SZ: Aber diese negative Entwicklung hätten Sie als Profi doch voraussehen können.

Funke: Was erwarten Sie von mir? Wir hatten ein hoch geratetes Portfolio. Wir konnten diese Situation nicht vorhersehen und leider auch nicht vermeiden.

SZ: Das sehen viele Beobachter anders.

Funke: Es ist schon erstaunlich: Das Jahr ist gerade mal zwei Wochen alt - und wir sind bereits mit unseren Ergebnissen an die Öffentlichkeit gegangen. Wer außer uns hat dies bisher gesagt? Im Gegensatz zu vielen anderen Instituten sitzen wir die Krise nämlich nicht aus. Trotzdem werden wir kritisiert, wir würden zu spät informieren.

SZ: In einem am Donnerstag veröffentlichten Mitarbeiterbrief schreiben Sie, es ergebe sich rückblickend die Frage, ob "wir den Markt hier nicht besser hätten vorbereiten können". Das klingt so, als würden Sie Fehler in der Kommunikation einräumen.

Funke: Natürlich stelle ich mir die Frage, ob ich richtig gehandelt habe. Antwort: Wir haben richtig gehandelt. Wenn man mir vorwirft, dass wir uns nicht an die Gesetze gehalten haben, dann ist dies unzutreffend.

SZ: Aber was doch vor allem kritisiert wird, sind beschwichtigende Aussagen wie die vom 7. November, als Sie sagten, Sie gingen "gestärkt aus der Krise hervor".

Funke: Das tun wir auch. Dieses Zitat bezieht sich auf das Geschäftsmodell und die Marktposition unserer Bank. Unser Geschäftsmodell profitiert von den Verwerfungen des Verbriefungsmarktes, unsere Margen steigen, unser Neugeschäft ist exzellent.

SZ: Sie müssen 390 Millionen Euro abschreiben; Ihr Vorsteuergewinn ist deswegen um 25 Prozent gegenüber der Vorhersage zurückgegangen, der Aktienkurs massiv eingebrochen - wie können Sie da behaupten, Sie gehen aus der Krise gestärkt hervor? Da mögen Sie im operativen Geschäft noch so gut sein ...

Funke: Ich verweise auf meine vorherigen Ausführungen: Vom operativen Geschäft lebt unser Unternehmen. Es ist die Basis für Erträge und Ausschüttungen.

SZ: Aber reicht das, um Ihre Aktionäre zu befriedigen?

Funke: Es geht doch darum, dass wir ein Unternehmen stark und solide führen. Es ist absurd, unseren Fall mit dem der Mittelstandsbank IKB oder der britischen Hypothekenbank Northern Rock zu vergleichen.

SZ: Die Anleger wollen jetzt trotzdem wissen, ob und wann Sie die 30 Prozent wiederbekommen, die ihre Aktien am Dienstag eingebüßt haben. Wann geht es wieder aufwärts?

Funke: Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sich die Aktie entwickelt. Ich kann Ihnen aber sagen, wie sich unsere Rendite auf das Eigenkapital entwickeln soll. Und die liegt nach Steuern zwischen neun und zehn Prozent und soll 2010 bei 15 Prozent sein.

SZ: Sie selbst haben nach dem Kursrutsch vom Dienstag 20.000 Aktien gekauft.

Funke: Um das klar zu sagen: Diese Aktien sind nicht Bestandteil meiner Bezahlung durch die Hypo Real Estate, die habe ich aus meinem privaten Familienvermögen gekauft, weil ich fest an das Unternehmen glaube. Und was wurde in der öffentlichen Wahrnehmung daraus? Ich hätte versucht, vom Kursrutsch der Aktie zu profitieren.

SZ: Können Sie denn ausschließen, das noch weitere Hiobsbotschaften aus Ihrem Hause kommen?

Funke: Das kann kein Mensch. Nicht in der gegenwärtigen Marktsituation.

SZ: Aktionärsschützer wollen Sie auf Schadensersatz verklagen.

Funke: Das kann auf uns zukommen. Wir werden uns damit auseinandersetzen. Wir halten etwaige Forderungen für unbegründet.

SZ: Es steht der Verdacht im Raum, dass Sie mit den Abschreibungen absichtlich bis Januar gewartet haben, um die Übernahme des Staatsfinanzierers Depfa im vergangenen Oktober nicht zu gefährden. Die These: Hätten Sie damals schon Ihre Probleme kommuniziert, wäre der Kurs Ihrer Aktie kräftig gefallen - und die Depfa-Übernahme, die Sie ja zum Teil mit eigenen Aktien gestemmt haben, wahrscheinlich so nicht zustande gekommen.

Funke: Das ist Unsinn. Am 7. November war die Depfa-Transaktion schon einen Monat geschlossen. Das eine hatte mit dem anderen nichts zu tun..

SZ: Wie geht es nun weiter?

Funke: Wir werden weiterhin belegen, dass wir in unserem Kerngeschäft erfolgreich und solide sind. Dass wir eine stabile und vielleicht langweilige Bank sind. Aber ich bin gerne langweilig. Ich denke langfristig und bin nicht auf Quartals- und Tagesbasis unterwegs.

SZ: Mit anderen Worten: Ihre Aktionäre brauchen jetzt einen langen Atem.

Funke: Was verstehen Sie unter langem Atem?

SZ: Dass ein Hypo-Real-Estate-Aktionär jetzt einige Quartale durchhalten muss, bis sich seine Aktie wieder erholt.

Funke: Aha, für Quartale braucht man heute schon einen langen Atem? Seien Sie sicher: Ich werde diese Bank nicht massiv unter Druck setzen, nur um kurzfristige Kursreaktionen zu erzielen. Da bin ich sehr altmodisch.

SZ: Glauben Sie, dass Sie zurücktreten müssen? Werden Sie die Sache überleben?

Funke: Der Aufsichtsrat hat die Frage schon beantwortet.

© SZ vom 19./20.01.2008/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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