Globale Finanzkrise:Jeder rette, wie er kann

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Die Eurostaaten verabreden Hilfsinstrumente, die jedes Land unterschiedlich anwenden darf. Vorbild ist ausgerechnet das Land, das bislang wenig vom Euro hielt: Großbritannien.

Cerstin Gammelin

Auf dem Gipfel der Euro-Staaten schlug am gestrigen Sonntag in Paris die Stunde des Briten Gordon Brown. Ausgerechnet der Mann aus dem Land, das bislang nicht viel von der gemeinsamen europäischen Währung hält, gab den Ton an beim Krisengipfel der fünfzehn Euro-Länder - und gewann.

Der Mann der Stunde: der britische Premier Gordon Brown mit Nicolas Sarkozy. (Foto: Foto: AP)

Die fünfzehn Staats- und Regierungschefs der Länder, die den Euro als gemeinsame Währung eingeführt haben, einigten sich in Paris weitgehend auf einen britischen Plan. Sie beschlossen einen Mix an Instrumenten, die aus der Krise helfen sollen und von denen ein großer Teil aus einem Papier stammt, das in der Downing Street verfasst wurde. Danach dürfen die Staaten auch Vorzugsaktien von solchen Banken erwerben, denen sie konkrete Finanzhilfen gewähren, was einer Teilprivatisierung entspricht.

Zur Rettung ihrer Banken dürfen sich die Europäer der Instrumente frei bedienen. Die britische Regierung hat beispielsweise Anteile von acht notleidenden Banken aufgekauft und damit die Finanzinstitute praktisch teilverstaatlicht.

Der österreichische Kanzler Alfred Gusenbauer kündigte ebenfalls an, zahlungsunfähige Banken mit direkten Zahlungen zu unterstützen und im Gegenzug Anteile an den Instituten zu erwerben. Einen ähnlichen Weg planen die Benelux-Staaten.

Die Bundesregierung hatte jedoch vor dem Wochenende darauf hingewiesen, dass eine Teilverstaatlichung nicht der beste Weg sei. Bisher hatte Berlin Bürgschaften favorisiert. Danach erhalten Geschäftspartner einer Bank, die ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen kann, staatliches Geld.

Auch andere EU-Staaten spannen Risikoschirme über ihre Banken, um das Vertrauen in die Geldinstitute zu stärken. In der nächsten Woche sollen alle 27 EU-Staaten dem Papier zustimmen. Bereits von diesem Montag an sollen die nationalen Rettungspläne verabschiedet werden.

Mitte vergangener Woche zeichnete sich die überraschende Wende ab. Kanzlerin Angela Merkel und der amtierende EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy waren zuvor gescheitert, Europa zu vereinen im Kampf gegen die globale Krise. Da ergriff der britische Premierminister Gordon Brown die Initiative. Sein Land steht im Zentrum der Finanzkrise. Und es hängt immer der Maxime an: "A pound is a pound."

Brief an den "lieben Nicolas"

Brown schrieb dem "lieben Nicolas", wie sich die Regierung in der Downing Street die Rettung der britischen zahlungsunfähigen Banken vorstelle. Gleichzeitig schlug Brown Sarkozy vor, das britische Rettungsmodell als Plan für Europa zu übernehmen. Der Brite sandte eine Kopie seines Briefes an alle europäischen Regierungschefs und die EU-Kommission.

Und er ließ Europa über die Medien wissen, wie die Banken gerettet werden sollen. Großbritannien, das am Mittwoch nichts geringeres als eine Teilverstaatlichung angeschlagener Banken verkündet hatte, könne "den Weg zeigen", schrieb Brown im Sunday Mirror.

So gelang es dem Briten, die inhaltliche Führung im europäischen Ringen um die Stabilisierung der Banken vorzunehmen. Und die Europäer folgten ihm.

Den britischen Vorschlag vor Augen, verlief am Sonntagabend sogar der Empfang vor dem Elysée-Palast harmonisch. Im Vergleich zum ersten Krisentreffen in Paris am Samstag vor einer Woche gab sich der Gastgeber und amtierende EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy großzügig. Angela Merkel durfte vor dem Treffen ohne großen Aufwand zu den Journalisten sprechen. Paris sende den Finanzmärkten ein "starkes Signal", sagte sie. Europa übernehme Verantwortung und gehe koordiniert vor, um die Märkte zu stabilisieren.

Demonstrative Einigkeit nach dem Streit auf dem ersten Treffen

Bei jenem ersten Pariser Gipfel hatte die Welt zerstrittene europäische Staats- und Regierungschefs erlebt. Merkel verweigerte sich dem französischen Ad-hoc-Plan, einen europäischen Fonds zur Rettung zahlungsunfähiger Banken mit 300 Milliarden Euro zu füllen.

Der Gipfel endete öffentlich mit einem Schulterschluss, aber hinter der Kulisse mit einem Eklat. Nicht nur, dass sich viele der kleineren europäischen Länder über das exklusive Treffen verärgert zeigten. Schließlich sind alle Staaten gleichermaßen von den Auswirkungen der Krise betroffen. Auch die Börsen reagierten auf das gescheiterte Treffen mit weiter fallenden Kursen.

Am Freitag vergangener Woche sanken die Notierungen dann auf historische Tiefstände. Es war die deutliche Aufforderung an die Politik, sofort zu handeln. Noch am Wochenende beschworen Industrie- und Schwellenländer weltweit die Einigkeit im Vorgehen gegen die Auswirkungen der Finanzkrise. In Washington tagte der Internationale Währungsfonds.

Der IWF, der 185 Mitgliedstaaten umfasst, stellte sich hinter den G-7-Aktionsplan, der neben der Rettung wichtiger Kreditinstitute vor dem Bankrott auch die Bereitstellung staatlicher Mittel für den Finanzsektor vorsieht. Der IWF wird Kredite für Staaten bereitstellen, die durch die Finanzkrise in Not geraten sind. Auch die Gruppe der G-20, in der die G-7 und Schwellenländer kooperieren, stimmte dem Aktionsplan zu.

© SZ vom 13.10.2008/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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