Gespräch mit Justizministerin Zypries:"Wir machen es den Banken schwerer"

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Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) über das geplante Gesetz gegen die Verkäufe von Immobilienkrediten, rabiate Finanzinvestoren - und wieso der Staat nicht jeden Häuslebauer schützen kann.

Daniela Kuhr

Der massenhafte Verkauf von Immobilienkrediten durch Banken hat viele Häuslebauer verunsichert. Sie befürchten, dass sie plötzlich statt ihrer Hausbank einem skrupellosen Finanzinvestor gegenübersitzen, der ruckzuck zwangsvollstreckt. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat nun Maßnahmen vorgeschlagen, um die Kunden besser zu schützen. Kritikern gehen sie allerdings nicht weit genug. An diesem Mittwoch treffen sich Vertreter aus SPD und Union erneut, um über letzte Details zu verhandeln.

Justizministerin Brigitte Zypries: "Die Banken sollen künftig vor Vertragsabschluss informieren müssen, ob der Kredit verkäuflich ist." (Foto: Foto: dpa)

SZ: Frau Ministerin, wieso verbieten Sie Kreditverkäufe nicht einfach?

Brigitte Zypries: Kreditverkäufe sind weltweit üblich und für die Banken ein wichtiges Instrument zur Refinanzierung. Das schlägt sich für die Kunden in einem niedrigen Darlehenszins und günstigen Finanzierungsbedingungen nieder. Davon profitiert vor allem auch der Häuslebauer.

SZ: Die Institute verkaufen nicht nur sogenannte faule Kredite, sondern auch solche, bei denen der Kunde seine Raten stets ordnungsgemäß gezahlt hat. Wieso verbieten Sie nicht wenigstens das?

Zypries: Bei Refinanzierungsverkäufen werden üblicherweise notleidende und nicht notleidende Kredite im Paket verkauft. Der Kunde, der seine Raten ordentlich zahlt, hat dabei nichts zu befürchten. Für ihn ändert sich durch den Verkauf auch häufig nichts. Er merkt sogar gar nichts davon, denn der Kredit wird oftmals weiter von seiner Bank verwaltet.

SZ: Naja, ein Kreditvertrag hat eine Menge mit Vertrauen zu tun. Schließlich läuft er über viele Jahre. Ist es nicht verständlich, wenn Kunden sich wünschen, dass der Vertragspartner nicht plötzlich während der Laufzeit wechselt?

Zypries: Selbstverständlich. Deswegen haben wir auch zunächst überlegt, ob wir Banken zwingen sollen, unverkäufliche Kredite verpflichtend anzubieten. Die Institute haben daraufhin von sich aus reagiert. Die Mehrheit bietet inzwischen freiwillig Kredite an mit der Garantie, dass sie nicht verkauft werden. Viele davon sind nicht einmal teurer. Solange solche Angebote den Kunden ausreichend zur Verfügung stehen, brauchen wir gesetzlich nichts zu regeln.

SZ: Anwälte fordern, dass zumindest der Verkauf von ordnungsgemäß bedienten Krediten nur wirksam sein sollte, wenn der Darlehensnehmer nicht widerspricht.

Zypries: Wer sich mit diesem Thema ernsthaft beschäftigt, weiß, dass das nichts bringt. Bis der Kreditnehmer sich äußert, wäre der Verkauf nämlich in der Schwebe. Die Banken müssten ihren Kunden hinterherlaufen. Das wäre bürokratisch und kostenintensiv und würde letztlich die Kredite insgesamt nur verteuern. Wir sind deswegen einen besseren Weg gegangen, mit dem wir die Kunden viel effektiver schützen.

SZ: Und der wäre?

Zypries: Die Banken sollen künftig vor Vertragsabschluss informieren müssen, ob der Kredit verkäuflich ist. Die Vertragsurkunde soll einen deutlichen Hinweis darüber enthalten. Dann kann sich der Kunde gezielt überlegen, ob er bei der betreffenden Bank einen Kredit aufnimmt oder lieber gleich zu einer anderen geht, bei der er sicher ist, dass sein Vertragspartner nicht wechselt.

SZ: Der einzige Streitpunkt, über den die Parlamentarier noch verhandeln, ist die Frage, ob die Kunden ein Sonderkündigungsrecht erhalten, falls sie mit dem Weiterverkauf nicht einverstanden sind. Die Union, Finanzminister Peer Steinbrück und Sie sind dagegen. Warum?

Zypries: Ein Sonderkündigungsrecht wäre meiner Meinung nach der falsche Weg.

SZ: Wieso? Der Kunde könnte sich dann wenigstens wieder einen Vertragspartner seines Vertrauens aussuchen.

Zypries: Leider nein. Eine Anschlussfinanzierung wäre nur bei solventen Kreditnehmern gesichert, die ihre Raten immer ordentlich zahlen konnten. Wer finanzielle Engpässe hat, kriegt nicht ohne Weiteres ein alternatives Darlehen. Gerade denen, die sich finanzielle Sorgen machen müssen, gäbe man also mit einem Sonderkündigungsrecht nur Steine statt Brot. Ich glaube, dass man den Menschen mehr hilft, wenn sie im Vorfeld darüber aufgeklärt werden, dass ihr Vertrag möglicherweise eines Tages verkauft wird. Außerdem soll der Kunde künftig nochmals unverzüglich informiert werden, wenn der Kredit tatsächlich verkauft wird.

SZ: Was ist, wenn die Bank trotzdem nicht informiert oder einen Kredit verkauft, der angeblich unverkäuflich ist?

Zypries: Der Kunde kann grundsätzlich Schadensersatz verlangen, wenn die Bank gegen ihre Informationspflichten verstößt. Außerdem ist die Abtretung einer unverkäuflichen Darlehensforderung unwirksam.

Lesen Sie weiter, warum der Kunde auch bei Zahlungsengpässen nicht gleich eine Kündigung seines Kredits oder gar eine Zwangsvollstreckung befürchten muss.

SZ: Es gibt also weder ein Widerspruchs- noch ein Sonderkündigungsrecht. Was genau verbessert sich eigentlich? Nur die Information im Vorfeld?

Zypries: Aber nein. Wir haben eine Vielzahl von Maßnahmen erarbeitet. Unter anderem machen wir es den Banken deutlich schwerer, Kredite zu kündigen. In Zukunft ist eine Kündigung wegen Zahlungsrückständen nur noch dann möglich, wenn der Kunde mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Raten und zugleich mit mindestens 2,5 Prozent des Nennbetrags des Darlehens in Verzug ist. Bei einem derzeit üblichen Zinssatz von vier Prozent und einem Prozent Tilgung wären also sechs Monate Rückstand erforderlich. Davon hat der Kunde wirklich etwas! Denn auch wenn er gewisse Zahlungsengpässe hat, muss er nicht gleich eine Kündigung seines Kredits oder gar eine Zwangsvollstreckung fürchten. Außerdem verbessern wir den Schutz des Kunden vor einer ungerechtfertigten Vollstreckung aus der Grundschuld erheblich. Es geht also um viel mehr als nur um ein Sonderkündigungsrecht.

SZ: Es war mehrfach zu lesen, dass einige Aufkäufer ziemlich rabiat vorgehen, um die Häuser verwerten zu können. Zum Teil sollen sie unrechtmäßig die Zwangsvollstreckung eingeleitet haben.

Zypries: Wir sind all diesen Berichten nachgegangen. Es hat sich dabei herausgestellt, dass die Kreditnehmer in allen Fällen mit ihren Zahlungen im Rückstand waren. Da ist vieles falsch dargestellt worden. Eines ist klar: Wer seine Raten ordentlich zahlt, hatte auch bislang nichts zu befürchten.

SZ: Aber was ist, wenn eine Firma pleitegeht und Mitarbeiter entlässt, die daraufhin in Zahlungsschwierigkeiten geraten? Sind die denn nicht schutzwürdig?

Zypries: Natürlich kann ein Häuslebauer während der langen Laufzeit seines Kredits beruflich Pech haben und ohne Verschulden in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Deshalb habe ich ja vorgeschlagen, dass in einer solchen Situation nicht gleich gekündigt werden kann. Wie gesagt, bei den heute üblichen Zinsen kann der Kreditnehmer künftig immerhin etwa ein halbes Jahr im Rückstand sein, ohne dass etwas passiert.

SZ: Gerade dieser Fall zeigt doch, wie wichtig es ist, dann zur Hausbank gehen zu können, die einen seit Jahren als guten Kunden kennt. Doch wenn der Kredit verkauft wurde, muss der Betroffene stattdessen mit einem Finanzinvestor sprechen, der nur darauf gewartet hat, endlich das Haus verwerten zu können.

Zypries: Wer auf Dauer arbeitslos wird, muss sich natürlich Gedanken machen, wie er die Finanzierung fortführen will. In dieser Situation kann er sich auch wieder an seine Hausbank wenden.

SZ:...die den Arbeitslosen sicher mit offenen Armen empfangen wird.

Zypries: Wer ein Haus kauft und sich dafür hoch verschuldet, sollte sich das vorher gut überlegen. Wir können nicht jedes Risiko völlig ausschließen. Denn dann müssten wir den ganzen Kredithandel auf den Kopf stellen. Wir können von den Banken aber nicht verlangen, dauerhaft auf notleidenden Krediten sitzenzubleiben und ihr Geld nicht wiederzukriegen. Das will auch niemand.

SZ: Glauben Sie, dass sich Union und SPD an diesem Mittwoch einigen?

Zypries: Ich hoffe es sehr, denn ich habe großes Verständnis für die Sorgen der Verbraucher. Außerdem bin ich überzeugt, dass wir ihnen mit unseren Vorschlägen einen sehr weitreichenden Schutz bieten.

© SZ vom 18.06.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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