Geprüfte Textilbranche:Das warme Wetter hat uns kalt erwischt

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Die Talfahrt im Textilhandel hält auch 2006 an: Der warme Herbst und die Fußball-WM ließen den Umsatz weiter schrumpfen. Viele Kleine geben auf.

Stefan Weber

Die seit Wochen ungewöhnlich milde Witterung belastet das Geschäft der Textilhändler. "Das warme Wetter hat uns kalt erwischt. Winterware ist kaum gefragt", sagte Klaus Magnus, der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Textileinzelhandels (BTE).

Gegen die zahl-reichen Angebote der großen Textil-ketten sind viele kleine Geschäfte chancenlos. 2006 gaben rund 1500 von ihnen auf. (Foto: Foto: ddp)

Von Januar bis Ende November hat die Branche etwa zwei Prozent weniger umgesetzt als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Und Magnus hat keine Hoffnung, dass dieser Rückstand im Dezember noch aufgeholt wird. Viele Händler hätten bereits begonnen, die Preise zu reduzieren. Es gehöre schon viel Glück dazu, das Jahr mit einem Minus von nur 1,5 Prozent abzuschließen, meinte der BTE-Präsident.

Damit setzt sich der Mitte der neunziger Jahre begonnene Abwärtstrend im textilen Bekleidungshandel fort. Noch 1993 verbuchte die Branche einen Umsatz von etwa 65 Milliarden Euro; im vergangenen Jahr waren es nur noch 56,2 Milliarden Euro.

Viele Geschäfte mussten schließen

Diese Misere führt dazu, dass immer mehr Ladenbetreiber aufgeben. Der Verband schätzt, dass zuletzt in jedem Jahr etwa 1000 bis 1500 Geschäfte ihre Türen für immer geschlossen haben. Nach den jüngsten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2004 gibt es in Deutschland noch etwa 39.600 Bekleidungshändler.

Neben dem Wetter hat die Branche die Fußball-Weltmeisterschaft als Schuldigen für die Flaute in diesem Jahr ausgemacht. In den WM-Wochen seien die Geschäfte noch leerer gewesen als in der übrigen Zeit des Jahres, sagte Magnus. Wie eine Befragung unter den Mitgliedsunternehmen des Verbandes ergeben hat, betrachten es die Händler als größtes Problem, die Kunden überhaupt in ihre Läden zu locken.

Marktforscher haben festgestellt, dass die Besucherzahl in Einkaufszentren, bei Kaufhäusern und Textilfilialisten in diesem Jahr um mehr als zehn Prozent rückläufig gewesen ist. Allerdings haben die Kunden bei jedem Einkauf im Durchschnitt mehr Geld ausgegeben als 2005."Der höhere Einkaufsbon reichte jedoch bei weitem nicht aus, um die niedrige Kundenfrequenz auszugleichen", betonte Magnus.

Die Branche klagt darüber, dass die Verbraucher einen immer geringeren Teil ihres Einkommens für den Kauf von Bekleidung und Schuhen verwenden. Nach der amtlichen Statistik geben sie im Durchschnitt nur etwa ein Zwanzigstel ihres Budgets aus, um sich einzukleiden.

Konkurrenz durch Branchenfremde

Dabei werden branchenfremde Anbieter wie Aldi und Tchibo oder Textil-Billiganbieter wie Kik und Takko für immer mehr Verbraucher zur bevorzugten Adresse beim Bekleidungskauf. Der BTE schätzt, dass Discounter inzwischen knapp 15 Prozent des Umsatzes mit Bekleidung auf sich ziehen. Magnus betrachtet das jedoch nicht als Indiz dafür, dass den Verbrauchern Bekleidung nicht wichtig ist.

"Es fehlt den Konsumenten an frei verfügbarem Einkommen", betonte er. Weil die Mehrwertsteuererhöhung zu Beginn des nächsten Jahres zu "einem weiteren massiven Verlust von Kaufkraft führt", glaubt der Verband auch 2007 nicht an eine Wende zum Besseren.

Die Steueranhebung werde nur zu leicht höheren Preisen im Bekleidungshandel führen, so Magnus. Einen Teil der Belastung könne die Branche durch Einsparungen etwa bei Personal, Werbekosten oder Mieten wettmachen. Auch die Lieferanten leisteten einen Beitrag. Keine Hoffnungen macht sich der BTE, dass längere Ladenöffnungszeiten die Geschäfte beleben: "Die Liberalisierung verschiebt die Gewichte zugunsten der Standorte in den großen Städten, bringt der Branche aber nicht mehr Umsatz."

© SZ vom 07.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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