Genossenschaft:Solidarisch und auch noch schön

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Gehört die Mietwohnung einer Genossenschaft, ist fast alles gut: Die Miete ist billig und bleibt es auch - über Jahrzehnte hinweg.

Bernd Kastner

(SZ vom 26.2.2003) Von einem Trend will noch niemand sprechen. Trotzdem, das Genossenschaftsmodell kommt auf dem Mietmarkt langsam wieder in Mode. Nun drängt auch der städtische Mieterbeirat die Verwaltung dazu, bestehenden Genossenschaften und Neugründungen stärker zu fördern. Albrecht Schmidt, Mitglied des Beirats, fordert die Stadt auf, die zahlreichen Genossenschaften regelmäßig an einen Tisch zu rufen. So könnten diese sich besser vernetzen und alte Genossenschaften animiert werden, wieder aktiv zu werden, sprich: Wohnungen zu bauen oder bestehende zu kaufen.

Die gemeinnützige Wohnungsfürsorge AG München erteilte Architekt Hans Döllgast schon 1928 den Auftrag, Wohnungen für Arbeiter und Angestellte zu planen. Mitten in Neuhausen wohnen auch heute noch Münchner günstig und schön. (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Wilhelm Prey von der Vereinigung der Münchner Wohnungsunternehmen sieht immerhin das beginnende Ende eines jahrzehntelangen Dornröschenschlafs der Solidar-Idee im heiß umkämpften Wohnungsmarkt. Er hofft auf die kommenden Jahre, wenn immer mehr Konzerne wie die Allianz Teile ihrer Immobilien abstoßen. Das sei eine große Chance für die rund vierzig Münchner Genossenschaften, ihren Bestand zu erweitern.

Wohnungen im Bau

Peter Schmidt, Vorstandsmitglied der Wogeno, sagt: "In den letzten zehn Jahren ist mehr passiert als in den 30 Jahren zuvor." Beispiel sind die vor zehn Jahren gegründete Wogeno selbst, oder die neue "Wagnis", die am Ackermannbogen bauen will. Und der Kauf der elf Häuser in der Oberländer- und Danklstraße in Sendling durch fünf Genossenschaften. Ende 2002 hatten sie in einem offenen Bieterprozess den Zuschlag vom Verkäufer, der Münchner Rück, erhalten. Ein Novum in München.

Trotz der jüngsten Erfolge erkennt Peter Schmidt noch Defizite. "Das Bewusstsein in der Bevölkerung ist nicht vorhanden." Es sei zu wenig bekannt, dass die Mitgliedschaft in einer Wohnungsbaugenossenschaft eine lohnende Geldanlage sei, die man nicht am einzelnen Prozentpunkt der Verzinsung messen könne. Schmidt sieht die Stadt in der Pflicht, um tatsächlich einen Effekt auf dem Mietmarkt zu erreichen: Die Verwaltung müsse genossenschaftswillige Mieter intensiver beraten, um so die Rahmenbedingungen zu verbessern. Julia Deter vom Kommunalreferat betont die "deutliche Unterstützung der Genossenschaften" durch die Stadt.

Stadt auf Gratwanderung

So habe der Stadtrat vor einem Jahr beschlossen, bei der Reprivatisierung städtischer Häuser einer Genossenschaft das Haus zum Marktwert zu verkaufen - auch wenn ein anderer Investor mehr biete. Die Kritik an der Stadt, es würde zu wenig beraten, weist Deter zurück: "Wir können nicht zu einseitig eine bestimmte Gruppe bevorzugen." Schon die bisherige Praxis sei bisweilen eine Gratwanderung zwischen dem Willen der Stadt, sozialverträgliches Wohnen zu fördern, und der gesetzlichen Auflage, alle Interessenten gleich zu behandeln.

Haus sucht Genossenschaft

Derzeit bemüht sich eine Mietergemeinschaft in der Lindwurmstraße, eine Genossenschaft für ihr Haus zu finden. Die Stadt hatte das Vorkaufsrecht, das ihr in einem Erhaltungssatzungsgebiet zusteht, ausgeübt, muss das Anwesen aber bald reprivatisieren. Laut Albrecht Schmidt vom Mieterbeirat wollen acht der zehn Parteien Genossen werden. Auch die andere Vorgabe wäre in diesem Haus erfüllt: 75 Prozent der Mietparteien dürfen die Einkommensobergrenze für Wohnungsbauförderung nicht überschreiten. Doch leider habe, so Schmidt, habe keine Genossenschaft angebissen.

Genossenschaften in München

In München existieren etwa 40 Wohnungsbaugenossenschaften, in deren Bestand sich gut 40.000 Wohnungen befinden. Die Mieter in diesen Wohnungen genießen nicht nur lebenslanges Wohnrecht, sie zahlen in der Regel auch deutlich geringere Mieten als auf dem freien Markt und können sicher sein vor einer Übernahme der Wohnungen durch Spekulanten.

Nähere Informationen zur Neugründung von Genossenschaften oder Mietergemeinschaften, die sich einer Genossenschaft anschließen können, sind beim Mieterbeirat der Stadt München erhältlich:

Telefonnummer 089 - 233 24334.

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