Gefährdeter US-Immobilienmarkt:Rettung um jeden Preis

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Die US-Regierung sagt den privaten Banken Fannie Mae und Freddie Mac neue Kredite zu und will im Notfall auch Aktien kaufen. Ein Absturz der beiden Immobilienfinanzierer würde das Weltfinanz- system gefährden.

Nikolaus Piper

Die amerikanische Regierung und die Notenbank Fed sind in einer konzertierten Aktion den beiden strauchelnden Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac zu Hilfe gekommen. Der staatliche Kreditrahmen für beide Institute wird erweitert, die Regierung steht außerdem bereit, in großem Umfang Aktien zu kaufen. Außerdem bekommen die Institute bei Bedarf direkten Zugang zu Notenbankkrediten.

US-Finanzminister Henry "Hank" Paulson: Finanzinstitute auf der ganzen Welt haben Schuldtitel der beiden Banken in den Büchern. (Foto: Foto: AP)

Finanzministerium und Notenbank gaben ihr Maßnahmenpaket noch in der Nacht zum Montag bekannt, ehe die asiatischen Börsen öffneten. Die Verhandlungen hatten zuvor das ganze Wochenende in Anspruch genommen. Am Freitag hatten Spekulationen über die unsichere Zukunft der Institute die Börsen zeitweise an den Rand der Panik getrieben. Am Montag erholten sich die Märkte auf breiter Front.

Allein den Immobilienmarkt aufrechterhalten

"Fannie Mae und Freddie Mac spielen eine zentrale Rolle in unserem System der Hausfinanzierung und müssen in ihrer bisherigen Form als Aktiengesellschaften weiter arbeiten können," erklärte Finanzminister Hank Paulson. Er verwies darauf, dass Finanzinstitute auf der ganzen Welt Schuldtitel der beiden Banken in ihren Büchern halten. "Deren Solidität ist entscheidend, um Vertrauen in unser Finanzsystem und unsere Finanzmärkte zu erhalten."

Fannie Mae und Freddie Mac sind besonders entscheidend für die Zukunft des US-Immobilienmarktes. Beide Institute kaufen anderen Banken Hypothekenkredite ab und sorgen so dafür, dass neue Hausfinanzierungen möglich werden. Weil sie staatlich privilegiert sind, werden sie wie quasistaatliche Institute behandelt und konnten sich bisher günstig verschulden. Im Zuge der Hypothekenkrise hatten sich aber bei beiden riesige Verluste angehäuft.

Die Rettungsaktion von Finanzministerium und Notenbank sieht vor, dass ein staatlicher Kreditrahmen von derzeit 2,25 Milliarden Dollar für die beiden Institute vorübergehend angehoben wird. Zudem will die Regierung den Kongress um die Genehmigung ersuchen, erstmals auch Anteile von Fannie Mae und Freddie Mac zu kaufen, falls dies zur Stärkung der Kapitalbasis nötig sei.

Dazu ist eine Gesetzesänderung notwendig. Eventuell wird diese nachträglich in das Hilfspaket für Hausbesitzer eingebaut, das der Senat bereits beschlossen hat und nun im Repräsentantenhaus liegt.

Weltweite Finanzmärkte bedroht

Die Fed wird Fannie und Freddie für den Notfall Zugang zu dem sogenannten Diskont-Fenster verschaffen. Mit diesem Instrument können sich Finanzinstitute gegen Hinterlegung von Wertpapieren direkt Geld bei der Notenbank leihen. Normalerweise steht dies nur reguläre Geschäftsbanken offen. Der Zentralbankrat hatte jedoch bereits im März in einer Notmaßnahme Investmentbanken zu dem Kreditprogramm zugelassen.

Der Zugang für Fannie Mae und Freddie Mac bleibt zunächst auf 18 Monate begrenzt. Fannie und Freddie begrüßten die Hilfsangebote. Zwar seien beide Unternehmen ausreichend mit Kapital versorgt, doch würden die Maßnahmen Vertrauen schaffen.

Ein Zusammenbruch der beiden Immobilienfinanzierer hätte unabsehbare Folgen. Unter anderem würden die Hypothekenzinsen in die Höhe schießen, was vermutlich einen Zusammenbruch des Marktes für Eigenheime nach sich zöge; seit Beginn der Finanzkrise halten Fannie Mae und Freddie Mac praktisch allein den Markt für Hypotheken aufrecht. Die Aktien beider Firmen hatten vorige Woche mehr als 40 Prozent verloren. Infolge des Rettungspaketes legten sie am Montag kräftig zu.

Als Vertrauenstest galt auch am Montag eine Versteigerung kurzfristiger Anleihen von Freddie Mac im Volumen von etwa drei Milliarden Dollar. Nach Ende der Auktion am Nachmittag gaben die Aktien der beiden amerikanischen Immobilienfinanzierer ihre zuvor verbuchten Gewinne aber wieder ab.

Gefahr für die ganze Welt

Ein Zusammenbruch von Fannie und Freddie wäre aber auch riskant für das Weltfinanzsystem. Viele ausländische Zentralbanken, die meisten davon in Asien, halten Schuldverschreibungen der beiden Institute im Volumen von fast einer Billion Dollar. Laut Reuters sitzt unter anderem die russische Zentralbank auf 100 Milliarden Dollar in Wertpapieren der Hypothekenbanken. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat entsprechende Papiere als Sicherheit im Rahmen ihrer Refinanzierungsgeschäfte mit Banken akzeptiert.

Die Sorgen um die Zukunft des amerikanischen Bankensystems halten unterdessen an. Am Freitag war in Kalifornien die Bank Indymac zusammengebrochen und musste von der Regierung übernommen werden. Die Pleite dürfte die staatliche Einlagenversicherung FDIC bis zu zehn Prozent ihrer Rücklagen kosten. Experten rechnen damit, dass als Folge der Finanzkrise noch viele kleinere Kreditinstitute aufgeben müssen.

© SZ vom 15.07.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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