Finanzsystem:Schafft die Zentralbanken ab!

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Keine Liquiditätsspritze für klamme Banken und begrenztes Schuldenmachen der Regierungen: Das moderne Finanzsystem ist am Ende - darum ist es Zeit für ein neues.

Simone Boehringer

Wir befinden uns in der größten Krise seit Bestehen des modernen Geldsystems. Die Wall Street, bis vor kurzem wichtigstes Finanzzentrum der Welt, ist pleite. Zur Rettung des Bankwesens will der amerikanische Staat mehr Geld ausgeben als je zuvor in so kurzer Zeit. Es geht nicht anders, sonst gehe die Welt unter, rufen Notenbanker und Politiker all jenen zu, die Zweifel an dieser neuen Art des Sozialismus erkennen lassen.

Wie sähe ein Finanzsystem ohne Zentralbanken aus? Soweit denken US-Finanzminister Paulson (links) und Fed-Chef Bernanke sicherlich noch nicht - sie haben derzeit ganz andere Sorgen. (Foto: Fotos: AP, ddp, istock/Montage: sueddeutsche.de)

Vielleicht doch? Wie wäre es, das Finanzsystem als solches in Frage zu stellen? Anstatt nach Grenzen für die Prämien von Bankern zu rufen und nach einer strengeren Regel hier und einer härteren Regulierung da, ist es Zeit, über eine neue Finanzordnung nachzudenken. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass die Krisenbewältigung nach dem Platzen großer Marktblasen per Nothilfe von Zentralbank und Staat erfolgte. Nur die Größenordnung nahm im Laufe der Zeit zu. Bezahlen mussten am Ende die Bürger, in Form von Arbeitslosigkeit, höheren Steuern oder Inflation.

So senkte die Federal Reserve auch nach dem großen Börsenkrach 1929 die Leitzinsen und gab zusätzlich Geld aus, nur es reichte offenbar nicht, um die Folgen des damaligen Aktiencrashs mit anschließender Bankenkrise zu beseitigen. Die Lehre daraus war fatal, ist aber bis heute die herrschende Meinung: Krisen könne man nur bewältigen, indem man genügend Liquidität zur Verfügung stellt. Ein Freibrief für Zentralbanken, dies teils ungeachtet ihrer eigenen Richtlinien auch zu tun.

Was noch schlimmer ist: Es ist auch ein Freibrief für die großen Geschäftsbanken, stärker ins Risiko zu gehen in der Gewissheit, ihre Zentralbank werde schon helfen, wenn es eng wird, schon um Kettenreaktionen zu verhindern. Dass zu viel Geld oft gleich die nächste Blase am Kapitalmarkt provoziert, wird billigend in Kauf genommen. So folgte auf die Aktienblase der New Economy nach einer Politik des billigen Geldes prompt die Immobilienblase, deren Folgen nun die Welt in Atem halten.

Seinen Ursprung hat das moderne Finanzwesen im Jahr 1913. Damals wurde die amerikanische Notenbank Federal Reserve gegründet, als Zentralinstitut der Geschäftsbanken. Sie bestimmte mit dem Leitzins fortan den Preis kurzfristiger Kredite und das Wachstum der Geldmenge. Darüber hinaus fungierte sie als Quelle von Krediten für die Geschäftsbanken.

Die Fed sollte die Branche schützen vor großen Krisen wie jener 1907, als ein einzelner Banker namens J.P.Morgan die Branche praktisch im Alleingang vor dem Untergang rettete, indem er die Risiken der anderen auf seine Bücher nahm. Genau diese Schutzfunktion ist bis heute eine der Aufgaben der Fed, übrigens auch der meisten anderen Notenbanken inklusive der europäischen. Den Geschäftsbanken ist es erlaubt, ein Vielfaches ihrer Einlagen auszuleihen. Damit kurzfristig kein Engpass entsteht, wenn zum Beispiel viele Menschen auf einmal ihr Geld abheben wollen, können sich die Geldhäuser jederzeit zum aktuellen Zinssatz bei der Zentralbank refinanzieren.

Das Risiko, mit schlechten Geschäften zu scheitern, ist in diesem sogenannten Teildeckungssystem für einzelne Großbanken geringer, als wenn sie auf sich allein gestellt agieren müssten und nur bei anderen Instituten Geld leihen könnten. Dass es jetzt an der Wall Street dennoch zu einer solchen Pleitewelle kam, ist dem schieren Ausmaß zu verdanken, mit dem die Banken sich verspekulierten. Ohne die Rückendeckung einer Zentralbank würden sich riskante Geschäftsstrategien schnell herumsprechen, der Markt würde betreffenden Häusern ihre Grenzen früher aufzeigen und für Darlehen umfänglich Sicherheiten verlangen.

Auch viele Bankbilanzen wären sauberer als heute. Ein Preis dafür ist aber zu zahlen: In einem Finanzsystem ohne Zentralbank ist es nicht möglich, durch großzügige Verschuldungsorgien Konjunkturzyklen abzukürzen. Es gibt keine Liquiditätsspritze für klamme Banken, auch Regierungen können nur begrenzt Schulden machen. Wenn der Markt ihr nicht mehr Staatsanleihen abkauft, muss die Regierung sparen. Kreditwürdig ist dann nur, wer solide wirtschaftet.

© SZ vom 24.9.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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