Finanzspekulation:Die Maschine entscheidet, der Mensch gehorcht

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Schöne neue Welt: Manche Investmentfonds verlassen sich auf den Computer. Und erzielen dabei selbst während des großen Crashs Gewinne.

Markus Zydra, London

Auffallende Ruhe herrscht in dieser Büroetage, die durch Glaswände unterteilt ist. Normalerweise strahlt ein Handelssaal mit Börsianern mehr Hektik aus. Doch hier ist einzig das monotone, unablässige Surren des Druckers zu hören. Und jetzt rutscht erneut eine DIN-A4-Seite in das graue Ausgabefach des Geräts. "Sell" steht da, Verkaufen. Und darunter liest man, was verkauft werden soll. Es ist Gold. Der Börsenhändler studiert die Angaben zur Goldmenge, die veräußert werden soll, und schreitet dann zur Tat.

Den Trend zu verfolgen zählt zu den Hauptaufgaben eines Aktienhändlers. Mittlerweile gibt es auch Computer, die eine Kursentwicklung genau berechnen. (Foto: Foto: AP)

In diesem Handelsraum wird nur gemacht, was der Computer befiehlt. 24 Milliarden Dollar sind es, die hier verwaltet werden. 15 Männer und eine Frau sitzen vor rund 50 Bildschirmen. Sie sind größtenteils Erfüllungsgehilfen der Maschine. "Wir erhalten vom Computer bis zu 4000 Kauf- und Verkaufssignale am Tag", sagt der Händler Murray Steel. "Und wir wickeln diese Geschäfte an den Börsen ab." AHL ist der Name des Computerprogramms, die Rechte dafür besitzt die britische Man Group, ein weltweiter Hedgefonds-Anbieter.

Es mutet seltsam an, dass Computer entscheiden, wo Kundengelder investiert werden. Und doch entwickelt diese Modellfixierung eine Anziehungskraft, weil sie ziemlich erfolgreich ist. "Managed Futures", so heißen diese Strategien, machten in den letzten Jahren Gewinne, als die Konkurrenz Verluste verbuchte - auch im Jahr 2008, als es weltweit an den Aktienmärkten bergab ging. Futures sind Terminkontrakte, Verträge, in denen sich Käufer und Verkäufer verpflichten, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Ware zu einem vorab fixierten Preis zu handeln.

Statistiker, die Zahlen lieben

Termingeschäfte sind ideal, um Risiken abzusichern. Früher nutzten ausschließlich Landwirte diese Verträge, um sich einen festen Preis beispielsweise für die Weizenernte zu sichern. Die amerikanische Börse CBOT wurde 1848 als Getreidebörse gegründet. Seit den siebziger Jahren gibt es die ersten Terminkontrakte auf Währungen und Zinsen. Mittlerweile lässt sich nahezu alles auf Termin handeln: Aktienindizes, Anleihen, Öl, Zucker, Gold, Kupfer.

Seit der Jahrtausendwende ist das verwaltete Vermögen von Managed Futures global von 50 auf über 200 Milliarden Dollar angestiegen. Der Begriff "Managed" bedeutet, dass immer wieder aufs Neue entschieden wird, ob beispielsweise ein Öl-Future durch einen Gold-Future ersetzt wird. Der Rechner wertet Preisdaten aus, um Preistrends zu erkennen. "Wir sind viele Statistiker, wie lieben Zahlen und wir lieben Muster", sagt der Fachmann Keith Ballmer.

Einfach formuliert: Steigt der Preis einer Aktie von zwei auf drei und dann auf vier Euro, dann gilt das als Trend, der sich sehr wahrscheinlich fortsetzt. Als die Börsen 2008 fielen, war das auch ein Trend, der von Systemen wie AHL erkannt und genutzt wurde.

Es gibt viele Investoren, die halten wenig von solchen Rechenmodellen, weil sie doch ein wenig esoterisch wirken. Auf der anderen Seite lässt sich belegen, dass manche solcher Systeme über viele Jahre funktioniert haben (siehe Grafik). Der amerikanische Wissenschaftler Burton Malkiel entwickelte 1973 die Theorie, dass die Wahrscheinlichkeit, ob ein Aktienkurs steigt oder fällt, an jedem Tag gleich hoch ist und eine Preisprognose damit unmöglich sei (Random-Walk-Theorie).

Mathematische Trendfolgemodelle

Andere wie Yale-Professor Benoit Mandelbrot sagen, dass es Phasen extremer Kursbewegungen gebe, in denen die Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Preisrichtung höher sei als sonst. Hier setzen mathematische Trendfolgemodelle an. "Es gibt Muster im menschlichen Verhalten, das hat sich über die Evolution herausgebildet", sagt Yasin Sebastian Qureshi, Vorstand der Hamburger Wertpapierhandelsbank Varengold.

Auch der Managed-Futures-Fonds "Varengold CTA Hedge" hat die Börsenkrise gut gemeistert. Der Dach-Hedgefonds ist ab einer Mindestanlagesumme von 1000Euro zu zeichnen, den AHL-Diversity gibt es über die deutsche Firma Apano in Form von Zertifikaten zu kaufen. "Wir erleben einen Paradigmenwechsel in der Finanzindustrie", sagt Qureshi. "Raus aus Long-only-Ansätzen hin zu einem mehr opportunistischen Ansatz."

Long-only bedeutet, dass Anleger Aktien in Verlustphasen weiter halten, opportunistisch bedeutet, dass Fonds versuchen, vor Kurseinbrüchen auszusteigen. Manche Managed-Futures-Fonds - beileibe nicht alle - haben das geschafft. Wie sie es machen? Das Erfolgsrezept liegt in den Untiefen der Wahrscheinlichkeitsrechnung verborgen. Sichtbar ist nur das Stück Papier aus dem Drucker, auf dem steht, was zu tun ist.

© SZ vom 05.05.2009/kaf/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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