Finanzkrise trifft Second Life:Virtuelle Welt, reale Probleme

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Das Internet-Reich von Second Life ist bislang kaum reguliert - doch eine Bankenkrise überzeugt den Betreiber, dass es ohne Finanzaufsicht nicht geht.

Björn Finke

Lange Schlangen vor dem Geldautomaten, Kunden, die um ihre Einlagen bangen, eine Bank, der die Mittel ausgehen: Ähnliche Szenen wie bei der britischen Hypothekenbank Northern Rock spielen sich auch in der virtuellen Welt ab.

In dem Online-Universum "Second Life" brach im Spätsommer eine Bank zusammen, das Institut Ginko Financial. Das zwingt den Betreiber dieser zweiten Welt im Internet, das Unternehmen Linden Lab aus San Francisco, jetzt zu einer Kehrtwende.

Teilnehmer haben sich beschwert

Lange hielt sich die Firma bei der Regulierung ihres Online-Reiches bewusst zurück. "Unser Ziel ist es weder, Regierung zu sein, noch den Bewohnern eine aufzunötigen", sagte Finanzvorstand John Zdanowski nach der Bankenpleite. Die Nutzer sollten sich selbst untereinander arrangieren.

Seit dieser Woche aber dürfen nur noch jene Finanzinstitute Bankgeschäfte in Second Life anbieten, die die Lizenz einer Aufsichtsbehörde in der wirklichen Welt, etwa der deutschen Bafin, vorweisen können. Linden Lab begründet diesen Eingriff damit, dass sich Teilnehmer beschwert hätten und die Stabilität der Wirtschaft in Second Life gefährdet sei. Auch in dem schönen bunten Internet-Universum scheint es also nicht ganz ohne Regeln zu funktionieren.

Durch dieses virtuelle dreidimensionale Reich bewegen sich die Nutzer als sogenannte Avatare. Das sind Figuren, die die Teilnehmer frei gestalten. Diese zweiten Ichs im Internet können mit anderen Avataren spielen und kommunizieren. Insgesamt sind weltweit fast zwölf Millionen Menschen angemeldet, allerdings sind bloß einige Zehntausend jeden Tag gleichzeitig online.

Ein Wirtschaftssystem existiert ebenfalls: Figuren können sich in Läden virtuelle Kleidung kaufen oder auf erworbenem oder gemietetem Land Häuser bauen. Am besten laufen nach Meinung von Experten jedoch eher anrüchige Geschäfte: bezahlter Cybersex und besonders hübsche Genitalien, die die Nutzer für ihre Avatare erstehen.

Solche Dienste und Produkte werden in Linden-Dollar abgerechnet. Diese Währung kann in echte Dollar oder Euro umgetauscht werden, der Kurs schwankt um die Marke von 395 Linden-Dollar für einen Euro. Wer neue Linden-Dollar braucht, kann etwa per Kreditkarte reales Geld in virtuelles wechseln.

Die zusammengebrochene Ginko Bank bot den Teilnehmern an, deren überschüssige Linden-Dollar zu einem absurd hohen Zinssatz von 0,1 Prozent pro Tag aufzubewahren. Das ergibt mehr als 40 Prozent Rendite im Jahr. Als das Institut dann in Turbulenzen geriet, standen die Avatare Schlange an den virtuellen Geldautomaten, am Ende blieb der Anbieter Linden-Dollar im Gegenwert von 125.000 Euro schuldig.

Kunden werben

Für einige Finanzdienstleister bedeutet die neue Regelung das Aus. Das Branchenverzeichnis "Second Pages" listet 30 Banken in der Online-Welt auf. Die meisten sind Ableger etablierter Konzerne aus der Wirklichkeit, die lediglich dazu dienen, neue Kunden für Bankgeschäfte im echten Leben zu werben. Diese Niederlassungen sind von Linden Labs Einschränkung nicht betroffen. Eine Lizenz müssen aber jene Betriebe vorweisen, die wie Ginko virtuelle Finanzdienstleistungen anbieten.

Dass der Second-Life-Betreiber das Geschehen jetzt überhaupt reguliert, begründet eine Sprecherin von Linden Lab in Deutschland damit, dass die Firma dazu gelernt habe: "Man kann ja am Anfang gar nicht absehen, was alles passieren wird." In weiteren - nicht näher benannten - Bereichen werde gleichfalls über Kontrollen nachgedacht. Doch generell wolle der Betrieb an der Maßgabe festhalten, dass die Nutzer möglichst viel selbst regeln sollten.

Lizenzen aus Kuba

Stefan Heng warnt ebenso vor zu strengen Vorgaben: "Second Life ist eine Welt für kreative Leute und Firmen. Zu viele Regeln schränken auch die Möglichkeiten von Unternehmen ein, ihre legalen Geschäftsziele zu verfolgen", sagt der Volkswirt, der sich für die Deutsche Bank mit dem Wandel der Wirtschaft durch die Informationstechnik beschäftigt.

Außerdem bezweifelt er, dass ein kleiner Anbieter wie Linden Lab mit weltweit kaum mehr als 200 Mitarbeitern die verschiedenen Bankzulassungen genau prüfen kann. "Und was ist mit Lizenzen aus Iran und Kuba? Sollen die auch gelten?" fragt er. Auf Linden Lab kommen wohl noch einige schwierige Entscheidungen zu.

© SZ vom 26./27.01.2008/sho/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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