Filmfonds:Der Staat schlägt zurück

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Kapitalanleger haben mit Kinofilmen ihre Steuerlast gesenkt, nun wollen Fiskus und Fahnder nachträglich zur Kasse bitten.

Klaus Ott

Die Anklageschrift im derzeit wohl größten Steuerstrafverfahren in Deutschland füllt einen ganzen Aktenordner. Die Münchner Staatsanwaltschaft brauchte allein 327 eng beschriebene Seiten, um all die Kapitalanleger aufzulisten, die mit Hilfe der beiden Filmfonds VIP 3 und VIP 4 dem Fiskus insgesamt 275 Millionen Euro vorenthalten haben sollen.

Investition in Filmfonds - nicht immer ein gutes Geschäft. (Foto: Foto: dpa)

Die jeweilige Steuernummer, das zuständige Finanzamt, der angeblich hinterzogene Betrag - alles ist penibel notiert. Bei Produktionen wie dem Ring der Nibelungen soll das geschehen sein, einer Geschichte über Lüge und Verrat. Ließe sich über Filmfonds ein ähnliches Drehbuch schreiben?

Die Strafverfolger sind auf, wie sie glauben, 9682 Fälle von Steuerverkürzung unter den 12.000 Kunden von VIP 3 und 4 gestoßen. Schuld seien aber nicht die Anleger, sondern zwei frühere Geschäftsführer der beiden Medienfonds.

Die Beiden sollen die eigene Klientel wie auch die Finanzbehörden getäuscht haben. Der Hauptbeschuldigte Andreas Schmid, der VIP aufgebaut hat, sitzt seit 17 Monaten in Untersuchungshaft. Seine Anwälte bestreiten die Vorwürfe vehement. Am 2. April beginnt der Prozess vor dem Landgericht München I.

35.000 Anleger sind verunsichert

Die fast 500 Seiten dicke Anklage ist das erste konkrete Ergebnis bei einer Reihe von Ermittlungsverfahren, mit denen Fahnder fast 35.000 gut betuchte Leute aus dem ganzen Land verunsichern. Die Anleger hatten sich über Jahre hinweg auf Steuersparmodelle in der Filmwirtschaft spezialisiert und mehr als 1,8 Milliarden Euro investiert.

Die Staatsanwaltschaften in München, Augsburg und Potsdam untersuchen nach eigenen Angaben insgesamt sieben Fonds; die Verdachtsmomente sind vielfältig. Meist geht es um Steuerhinterziehung zu Gunsten der Anleger, die sich im schlimmsten Fall - wie bei VIP 3 und 4 - auf erhebliche Nachzahlungen gefasst machen müssen.

Durchsuchung von Büros

Die Strafverfolger prüfen bei fast allen Fonds auch, ob Untreue oder Betrug zu Lasten der Kunden vorliegt. Gegen fast 40 Personen wird ermittelt, meist ehemalige Fonds-Geschäftsführer und deren Helfer. Dutzende Büros und Wohnungen wurden durchsucht, von Rotterdam bis Rom.

Mal sollen Millionenbeträge zwischen einzelnen Fonds wie VIP 3 und 4 hin- und hergeschoben worden sein, was nicht erlaubt wäre; mal sollen Verträge rückdatiert worden sein, um den Anlegern die versprochenen Steuervorteile zu verschaffen; mal sollen hohe Beträge nicht als Risikokapital in Kinoproduktionen gesteckt, sondern heimlich wie eine Art Festgeld bei Großbanken platziert worden sein. Diese Mittel seien dann bei Finanzämtern zu Unrecht als Betriebsausgaben für Filme geltend gemacht worden, behaupten die Ermittler.

In dieser Branche seien schwarze Schafe keine Ausnahme, sagen Anwälte, die sich auf die Vertretung von Anlegern spezialisiert haben und in Hunderten Verfahren auf Rückzahlung klagen. Zahlreiche Geldgeber wollen - um keine Verjährung zu riskieren - nicht abwarten, was die Strafverfolger herausfinden.

Die Justiz ist schwer beschäftigt. Man dürfe nicht alle Fonds über einen Kamm scheren, erwidert Cinerenta-Chef Eberhard Kayser. In seinem Betrieb ermittelt die Staatsanwaltschaft seit 2001, in diesem Jahr soll das Verfahren abgeschlossen werden. Ob mit einer Einstellung oder einer Anklage, ist noch offen.

Nicht ausreichend über die Risiken informiert?

Bei Gericht hat Kayser freilich schon viel zu tun gehabt. Zahlreiche Anleger verlangen das in Cinerenta investierte Geld zurück, weil sie angeblich über die Risiken nicht ausreichend informiert worden seien. Es lägen schon über 50 Urteile vor, sagt Kayser. "Alle Klagen wurden abgewiesen", in drei Verfahren sei das bereits in zweiter Instanz beim Oberlandesgericht München geschehen.

Unter den vielen Fahndern, die sich um Filmfonds kümmern, sind die Ermittlungen nicht unumstritten. Einer sagt, das an sich legale Steuersparmodell sei vielfach "pervertiert" und illegal genutzt worden. Ein anderer sagt, die Ermittler sollten nun nachträglich die Fehler der Politik korrigieren und das Geld zurückholen, das der Staat leichtfertig verschenkt habe.

VIP-Gründer Schmid und dessen Kollegen hatten sich den Umstand zunutze gemacht, dass Kapitalanlagen in Kinowerke auf einen Schlag von der Steuer abgesetzt werden konnten. Seite Mitte der neunziger Jahre flossen auf diese Weise mehrere Milliarden Euro nach Hollywood (während gleichzeitig deutsche Produktionen darbten).

Großzügiger Fiskus

Teilweise bekamen die Anleger sogar mehr Geld vom Fiskus zurück, als sie selbst als Eigenkapital eingesetzt hatten. Namhafte Großbanken, die mitverdienen wollten, waren mit Krediten zur Zwischenfinanzierung der Fondsanteile schnell zur Hand gewesen.

Für die Anleger muss das auf den ersten Blick wie ein Geschäft ohne Risiko gewirkt haben. Bekamen sie doch versprochen, zusätzlich zum Steuervorteil gebe es eines Tages auch das Investment zurück, samt einer kleinen Rendite. "Garantiefonds" hieß das etwa bei VIP 4, versehen mit dem Zusatz: "Beste amtliche Referenzen". Erst im Herbst 2005 schaffte die Bundesregierung dieses Steuersparmodell ab.

Nun will der Fiskus möglichst viel Geld wieder einsammeln, und etliche Anleger wären dann doppelt gestraft. Längst nicht alle Fonds laufen so gut wie erhofft; bei den mitfinanzierten Filmen sind etliche Flops dabei. Das eingesetzte Kapital käme dann nur spärlich zurück. Die Victoria Media AG ist gar pleite gegangen, womöglich wurde unzulässig Kapital abgezweigt. Die Augsburger Staatsanwaltschaft teilt mit, es seien offenbar erhebliche Mittel in die Niederlande und nach Italien geflossen.

© SZ vom 01.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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