Exklusiv: David Rockefellers Erinnerungen V:10.000 Geschäftsessen und Reisen in 103 Länder

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Mit Mitte 40 steigt David Rockefeller zum Chef der New Yorker Chase Bank auf - und besucht Kunden und Regierungschefs weltweit.

Zwischen 1960 und 1981 leitete David Rockefeller die Chase Bank in New York, eine der größten Banken der Welt. Er setzte sich dafür ein, das Auslandsgeschäft auszubauen. In seinen Memoiren, aus denen die Süddeutsche Zeitung Auszüge druckt, berichtet er von seinen zahlreichen Reisen aus dieser Zeit.

"In meinen 35 Jahren bei der Chase besuchte ich 103 Länder, unter anderem unternahm ich 41 Reisen nach Frankreich, 37 nach England, 24 nach Westdeutschland, 15 nach Japan, jeweils 14 nach Ägypten und Brasilien sowie drei ausgedehnte Touren nach Afrika südlich der Sahara.

200 Weltumrundungen

Zu Hause besuchte ich Bankkunden in 42 der 50 Staaten. Ich legte mehr als fünf Millionen Luftmeilen (das entspricht 200 Weltumrundungen) zurück, nahm an schätzungsweise 10.000 Geschäftsessen teil (wenn man die Essen in New York dazurechnet, werden es noch wesentlich mehr) und bewältigte Tausende von Kundenbesuchen und Treffen mit Klienten - manchmal acht bis zehn pro Tag, wenn wir auf Reisen waren.

Ich traf mehr als 200 Staats- und Regierungschefs, von denen ich viele auch auf freundschaftlicher Basis kennenlernte. Obwohl es auf diesen Reisen manchmal ziemlich hektisch zuging, fand ich sie meistens produktiv und angenehm und vor allem essentiell für unsere Globalisierungsbestrebungen. Glücklicherweise war ich mit den Rockefeller-Eigenschaften Energie, Ausdauer und guter Gesundheit gesegnet!

Einige Beobachter kritisierten damals meine ausgedehnten Reisen als irrelevant oder als Verschwendung von Aktionärsgeldern.

Wichtige Verbindungen zu Wirtschaftsführern und Politikern

Dabei übersahen sie den springenden Punkt vollkommen: Der Grund für diese Reisen war die Anbahnung von Geschäften für die Bank und von Anfang an entwickelten sich daraus wichtige Verbindungen zu Wirtschaftsführern und Politikern in Europa, Lateinamerika, im Mittleren Osten, in Asien und Afrika, die für die Expansion der Bank von großer Bedeutung waren.

Hinzu kam, dass führende Mitarbeiter der Chase im In- und Ausland mich ständig baten, mit ihnen zu reisen, weil ihre Kunden darauf erpicht waren, mit mir neben bankrelevanten Dingen auch ein breites Spektrum an politischen und wirtschaftlichen Themen zu besprechen; selbst heute noch, viele Jahre nachdem ich mich zur Ruhe gesetzt habe, bittet mich das Management der Chase, im Namen der Bank Reisen zu unternehmen.

Es ist nur fair zu sagen, dass meine Reisen in die entferntesten Winkel der Welt in den 1950er- und 1960er-Jahren dazu beigetragen haben, den Grundstein für die Expansion und die Konsolidierung der weltweiten Position der Chase in den 1970ern zu legen.

Ständig Kontakt zu vielen Menschen

Als internationaler Banker mit einem ebenso ausgeprägten Engagement für eine Vielzahl an gemeinnützigen Einrichtungen hatte ich ständig Kontakt mit vielen Menschen.

Das war keineswegs eine Last für mich, denn ich habe es immer genossen, Leute zu treffen und etwas über ihre persönlichen Belange, Ideen und Aktivitäten zu erfahren. Es war spannend herauszufinden, was in ihnen vorgeht. Ich hatte das Glück, dass ich gute Freundschaften mit Menschen aus allen Gesellschaftsschichten schließen konnte.

Immer offen für neue Beziehungen

Ich bin immer offen für neue Beziehungen und mir bewusst, welches Potential darin steckt, ganz gleich ob es sich um eine intellektuelle Herausforderung, eine emotionale Bindung, um die Aussicht auf ein neues Geschäft oder um eine Möglichkeit, ein gutes Werk zu tun, handelt.

Ich spüre häufig ein spontanes Mitgefühl und eine Verbundenheit mit anderen, aber ich war gleichermaßen in der Lage, das Gegenteil zu verspüren.

Mein Interesse an anderen Menschen half mir immer wieder, kulturelle Unterschiede zu durchschauen und schnell eine enge Beziehung herzustellen.

Direkte und unkomplizierte Annäherung

Diese direkte und unkomplizierte Annäherung gilt für Leute, die ich jeden Tag treffe, ebenso wie für die politischen und wirtschaftlichen Führer der ganzen Welt. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass sich eine enge persönliche Freundschaft und eine gute Geschäftsbeziehung gegenseitig ausschließen.

Tatsächlich glaube ich fest daran, dass die meisten erfolgreichen Geschäftsverbindungen auf Vertrauen, Verständnis und Loyalität basieren - den gleichen Eigenschaften also, die auch für eine enge persönliche Freundschaft essentiell sind."

© SZ vom 07.04.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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