Erbschaftsteuer:Wenn Nachfahren auffahren

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Die Politik kneift vor einer Reform der Erbschaftsteuer - trotz deutlicher Mängel im System.

Oliver Schumacher

Im Takt der Jahreszeiten streitet die politische Klasse über eine Reform der Erbschaftsteuer. So verlässlich die Debatte über das Land kommt, so sicher ist das Resultat: Aus Bequemlichkeit, ja Opportunismus wird nichts entschieden. In einen Steuerstreit kommt einmal mehr nur Bewegung, weil sich Richter mit der Apathie von Exekutive und Legislative nicht abfinden wollen. Wenigstens die Gerichte machen ihre Arbeit.

Der Bundesfinanzhof hat jetzt Alarm geschlagen und die höchste Instanz, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, angerufen. Für die Finanzhof- Juristen steht fest: Die heutigen Regeln verstoßen gegen das Grundgesetz. Ihre Bedenken sind leicht zu verstehen. Wer Aktien oder Bargeld erbt, wird weit stärker belastet als jene Nachfahren, die ein Unternehmen, Immobilien oder einen Bauernhof übernehmen. An Begründungen für die seltsame Rechtslage besteht kein Mangel.

Die einen argumentieren, viele Betriebe oder Grundstücke ließen sich oftmals nicht zum Verkehrswert verkaufen.

Andere wiederum erklären, eine höhere Erbschaftsteuer würde viele Begünstigte dazu zwingen, das Vermächtnis ihrer Vorfahren zu veräußern.

Dritte warnen, neue Lasten könnten mittelständische Firmen zwingen, Zehntausende Leute zu entlassen.

Und letztendlich betrachten viele Bürger die Erbschaftsteuer als grundsätzliches Übel. In ihren Augen soll der Staat die Finger von allen Hinterlassenschaften lassen. Das Lebenswerk, so ihr Credo, sei hart erarbeitet und bereits hoch genug besteuert worden.

Die Argumente sind aus individueller Sicht verständlich. Und doch dokumentieren sie ein beträchtliches Maß an Missverständnissen, Unkenntnis und Vorurteilen. So trifft der Generalverdacht nicht zu, der Staat lasse die Erben kräftig zur Ader. Trotz steigender Tendenz ist die Erbschaftsteuer kaum mehr als eine Bagatellsteuer. Auf sie entfällt deutlich weniger als ein Prozent aller Steuereinnahmen.

Mehr noch, Otto und Erika Mustermann sind heute durch Freibeträge weit gehend geschützt. Um Omas Häuschen muss sich in Zukunft kein Enkel sorgen. Politiker aller Couleur plädieren sogar für höhere Freigrenzen, damit die Nachfahren das Einfamilienhaus ihrer Eltern ohne Abstriche behalten können.

All dies steht nicht zur Disposition. Gut so. Nur, eines darf nicht in Vergessenheit geraten: In Deutschland werden die Bürger nach ihrer Leistungsfähigkeit besteuert. Wem Millionen-Werte zufallen - übrigens ohne eigene Leistung -, der muss seinen Beitrag für das Gemeinwesen leisten. Derzeit geschieht das keineswegs immer.

Zu Recht beklagen Experten vielfachen Missbrauch, zum Beispiel wenn Firmeninhaber private Immobilien auf ihr Betriebsvermögen übertragen und dadurch eine Menge Steuern sparen. Solche Schlupflöcher gilt es zu stopfen. Die Politik hat bei dieser Aufgabe versagt - aus Angst vor dem Zorn der Wähler. Jetzt sind die Verfassungshüter am Zug. Wahrscheinlich werden sie Regierungen und Parlamenten erneut vorschreiben, was zu tun ist. Ein Armutszeugnis für die Repräsentanten von Bundestag und Bundesrat.

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