Enteignungsgesetz:Entsetzen in der Wirtschaft

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"Fehl am Platz", "viel zu hart", "Tabubruch": Kaum hat das Kabinett das neue Enteignungsgesetz beschlossen, läuft die Wirtschaft Sturm. Finanzminister Steinbrück verteidgte das Gesetz hingegen.

Die großen Wirtschaftsverbände halten überhaupt nichts von den Gesetzesplänen der Regierung, mit denen die Enteignung von Banken als letzte Möglichkeit festgeschrieben wird.

Finanzminister Peer Steinbrück (links) und Wirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg vor der Kabinettssitzung am Mittwoch, bei der das Bankenenteignungsgesetz beschlossen wurde. (Foto: Foto: dpa)

"Die mögliche Enteignung von Aktionären im Gesetz zu verankern, dazu sagen wir klar Nein", ließ BDI-Präsident Hans-Peter Keitel am Mittwoch auf Anfrage von seinem Verband erklären.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, sagte Reuters: "Die Verstaatlichung ist ein Tabubruch. Die Bundesregierung ist in einem Dilemma."

Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände, Reinhard Göhner, zeigte sich "entsetzt". "Jegliche Form von Verstaatlichung oder Enteignung sind völlig fehl am Platz", sagte er dem Sender n-tv.

"Das zerstört Vertrauen"

"Was wir jetzt am dringendsten brauchen, ist Vertrauen", unterstrich BDI-Präsident Keitel. "Mit einer Enteignung gehen die ordnungspolitischen Grundsätze über Bord". Er warnte: "Das zerstört das Vertrauen von in- und ausländischen Investoren in den Standort Deutschland nachhaltig."

Wansleben forderte mit Blick auf etwaige neue Staatsbeteiligungen: "Im Gesetzestext muss bereits die Privatisierung festgeschrieben werden".

Die Bundesregierung will erstmals in der deutschen Nachkriegsgeschichte zur Rettung einer angeschlagenen Bank notfalls die Enteignung ermöglichen. Das Kabinett beschloss am Mittwoch ein entsprechendes Übernahmegesetz.

Dabei wurden aber noch höhere Hürden für eine Enteignung als "ultima ratio" aufgestellt, als sie zunächst vom Bundesfinanzministerium vorgesehen waren. Zuvor müssen alle anderen, weniger einschneidenden Maßnahmen zum Erwerb einer Kontrollmehrheit des Staates gescheitert sein. Solche Schritte zur Rettung einer Bank hätten "absoluten Vorrang". Damit werde eine Enteignung der Hypo Real Estate unwahrscheinlicher, sagte ein mit dem Thema Vertrauter.

Keine dauerhafte Option

Das Gesetz zur Übernahme einer Bank setzt zwei Fristen. Zum einen soll das Verfahren für eine Enteignung bis Ende Juni eingeleitet sein. Eine entsprechende Verordnung auf Enteignung müsste dann bis Oktober erlassen werden.

Damit soll deutlich gemacht werden, dass eine Verstaatlichung keine dauerhafte Option darstellen soll. In der jetzigen Fassung wird das Gesetz praktisch zu einem rein auf den Fall der Hypo Real Estate ausgerichteten Gesetz.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich zu dem Kabinettsbeschluss nur knapp: Der Gesetzentwurf sei "alternativlos". Das Gesetz erfülle zwei Notwendigkeiten: "Einmal haben wir international zugesichert, dass keine Bank mit systemischem Risiko in die Insolvenz geht, und auf der anderen Seite haben wir das Ziel, die Belastungen für alle möglichst gering zu halten". Um dem gerecht zu werden, "müssen wir als Bund die Kontrollmehrheit" über die Münchener HRE bekommen können, sagte sie.

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) verteidigte die umstrittenen Gesetzespläne ebenfalls. Ziel sei es, eine systemrelevante Bank zu stabilisieren. Ein Zusammenbruch der Bank Hypo Real Estate könne eine Erschütterungsdynamik über Deutschland hinaus auslösen.

Es gehe nicht darum, mit dem Gesetz den staatlichen Einfluss auf den Bankenbereich auszuweiten, sagte Steinbrück. Die Regierung wolle bereits geflossene Steuergelder schützen. Die Hypo Real Estate (HRE) habe 102 Milliarden Euro an Garantien erhalten, davon 87 Milliarden Euro vom Bund. Der Staat strebe nun eine Kontrollmehrheit bei der HRE an, um die Interessen der Steuerzahler abzusichern. Bisher halte der Bund keine einzige HRE-Aktie.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum Aktionärsschützer eine Verfassungsbeschwerde prüfen.

Trotz der Entschärfung des Gesetzesvorhabens drohte die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) mit einer Verfassungsbeschwerde gegen das beschlossene Rettungsübernahmegesetz.

Wenn der Staat tatsächlich Aktionäre der angeschlagenen Hypo Real Estate auf Basis des Gesetzes enteignen würde, werde die Schutzvereinigung dies durch eine solche Beschwerde auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen lassen, sagte der Geschäftsführer des DSW-Landesverbandes Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland, Klaus Nieding, dem NDR.

Nieding verwies auf den im Grundgesetz garantierten Schutz des Eigentums. "Solange mildere und angemessenere Mittel zur Verfügung stehen und noch nicht ausgeschöpft sind, ist das Mittel der Enteignung viel zu hart", betonte Nieding.

"Schockwellen"

Es gebe schließlich die Möglichkeit einer Kapitalerhöhung bei der Hypo Real Estate. "Das ist der normale und übliche Weg, mit dem ein Investor das Ruder in einer Gesellschaft übernimmt, in die er investiert".

Der stellvertretende Unionsfraktionschef Michael Meister verteidigte unterdessen das Gesetzesvorhaben gegen Kritik auch aus den eigenen Reihen: "Ich glaube, dass es unverantwortlich wäre, wenn man eine Bank der Dimension der Hypo Real Estate (HRE) in die Insolvenz gehen lassen würde", sagte der CDU-Politiker am Mittwoch im Deutschlandfunk.

Der Fall des US-Instituts Lehman Brothers habe gezeigt, welche Schockwellen der Zusammenbruch einer Bank auslöse. "Bei der Hypo Real Estate wäre es in der Dimension größer als das, was wir bei Lehman erlebt haben."

Meister betonte, es wäre "unverantwortlich, wenn wir die Lasten, die durch die Rettung der HRE auf die Steuerzahler zukommen, weiter aufwachsen lassen". Es gehe nicht zuletzt um Schadensminimierung. "Wir brauchen das Rettungsübernahmegesetz - aber in einer klaren Abstufung, dass man zunächst einmal mit den jetzigen Eigentümern spricht, ob eine gemeinsame Anstrengung möglich ist." Danach müsse versucht werden, im Rahmen der HRE-Hauptversammlung zu einer Lösung zu kommen. Erst dann komme eine Enteignung als letzte Möglichkeit ins Spiel.

Eingriff in Eigentumsrechte für Union "riesengroßes Problem"

Mit Blick auf Widerstände in den eigenen Reihen räumte Meister ein: "Für die Union ist es natürlich schon ein riesengroßes Problem, in Eigentumsrechte einzugreifen." Umso wichtiger seien Einschränkungen wie die Befristung des Gesetzes.

Von den Kritikern vermisse er dagegen konkrete Alternativvorschläge, sagte der Fraktionsvize. Der Wirtschaftsflügel von CDU und CSU hatte am Dienstag massiv Front gegen das Gesetzesvorhaben gemacht und es als nicht mehr tragbaren ordnungspolitischen Tabubruch angeprangert.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/pak/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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