Drohung aus dem Kreml:Energieversorgung in Gefahr

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Gewaltige Drohkulisse: Russland will offenbar seine Energielieferungen nach Europa einschränken, sollte die EU auf Sanktionen dringen. Deutsche Politiker sind alarmiert - und diskutieren einen Notfallplan.

Das Druckmittel heißt Energie. Deutschland bezieht einen Großteil seiner Erdgaslieferungen aus Russland. Was passiert, wenn Russland den Gashahn nun einfach zudreht?

Pipeline "Druschba": Druckmittel des Kremls. (Foto: Foto: AP)

Ein Bericht der britischen Zeitung Daily Telegraph sorgt am Freitag für Wirbel im politischen Berlin und in der gesamten Republik. Demnach spielt Russland offenbar mit dem Gedanken, die Energielieferungen in den Westen zu drosseln, sollte die Europäische Union tatsächlich Sanktionen wegen des Kaukasus-Konflikts erlassen.

Russische Ölfirmen, so ist in dem Bericht zu lesen, haben Anweisungen von ganz oben erhalten, aus dem Kreml. Sie sollen eine Kürzung der Lieferungen an Deutschland und Polen durch die Leitung "Druschba" vorbereiten. Führende Manager der Ölgesellschaft Lukoil, so sagen Branchenvertreter, seien aufgefordert worden, am Wochenende erreichbar zu sein. Bereits am Montag könnte die Drohung umgesetzt werden - am selben Tag soll bei einem Sondergipfel der EU über mögliche Sanktionen gegen Russland beraten werden.

Notfallplan in Arbeit

Die Drohkulisse steht - und die Bundesregierung ist gewarnt. Nach außen gibt sich die politische Führung gelassen. Es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass Russland wegen des Kaukasus-Konflikts die Energielieferungen einschränken wolle, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. "Wir gehen fest davon aus, dass die Verträge eingehalten werden."

Russlands zweitgrößter Erdölproduzent Lukoil bestritt unterdessen, dass die Regierung eine solche Drosselung der Liefermenge angeordnet habe. "Lukoil liefert dieselbe Menge an Öl und Ölprodukten nach Westeuropa wie bisher", sagte ein Sprecher. "Wir haben keine Anweisungen von der Regierung erhalten."

Auch der Kreml bemüht sich, die Wogen zu glätten. "Russland war, ist und wird auch weiterhin Europas zuverlässigste Energiequelle bleiben", sagte ein Sprecher des Ministerpräsidenten Wladimir Putin - und erwähnte dabei auch die diskutierte Ölpipeline "Druschba". Zu den Spekulationen, wonach die Energielieferungen in den Westen gedrosselt werden könnten, wollte er sich nicht äußern.

Hinter den Kulissen wird im Bundeswirtschaftsministerium daher an einem Notfallplan gearbeitet. Offenbar wird geprüft, die Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland zu reduzieren. Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung diskutiert die Politik den Aufbau einer nationalen Erdgasreserve. "Der Konflikt in Georgien zeigt, dass wir uns auch beim Gas nicht noch stärker einseitig abhängig machen dürfen", sagte Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) dem Blatt. Ergänzend hieß es in seinem Ministerium, es gehe um einen Denkanstoß, der bislang nicht innerhalb der Regierung diskutiert worden sei. Das Thema werde Teil eines Berichts von Fachleuten im Ministerium zur Analyse der Öl- und Gasmärkte sein, der im Herbst vorliegen soll.

Öl für 90 Tage

"Trotz der hohen Abhängigkeit von Gasimporten gibt es in Deutschland bisher keine dem Ölbevorratungssystem vergleichbare staatliche Krisenvorsorge", heißt es in einem Vermerk aus dem Wirtschaftsministerium. Daher sei zu prüfen, ob man nicht ähnliche Vorkehrungen wie beim Öl treffen sollte, um die Energieversorgung sicherzustellen. Geprüft werden soll unter anderem, welche Vor- und Nachteile eine nationale Gasreserve mit sich bringen würde.

Dabei sollen auch Erfahrungen des bestehenden Krisenmechanismus bei der internationalen und nationalen Ölkrisenvorsorge einbezogen werden. Vorgeschlagen wird ein Gutachten zur Erstellung einer Kosten-Nutzen-Analyse und zu den Auswirkungen einer nationalen Gasreserve auf die Verbraucherpreise. Bislang gibt es in Deutschland lediglich eine nationale Ölreserve, die die Versorgung für 90 Tage sichert. Aufgebaut worden war sie in Folge der ersten Ölkrise Mitte der siebziger Jahre.

Was in der Politik bislang nur in Hinterzimmern diskutiert wird, sorgt beim Außenhandelsverband für Mineralöl und Energie bereits für erhöhte Alarmbereitschaft. Das Fehlen einer "international eingebetteten Krisenvorsorge macht Deutschland in der Krise angreifbar", heißt es in einer Broschüre. Die Organisation spricht sich für ein Vorratssystem aus. Die Bereitstellung der Speicher und die Reserve selbst würden jährlich zwei Milliarden Euro kosten. Umgelegt auf den Jahresverbrauch an Gas wären das 0,18 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde. Die Bevorratungskosten beim Erdgas wären aber insgesamt um etwa das 5,5-Fache teurer als die Bevorratung von Erdöl.

Uneinigkeit in der CDU

Gas ist nach Angaben des Außenhandelsverband für Mineralöl und Energie nach dem Öl der zweitwichtigste Energieträger in Deutschland sei. Die Importabhängigkeit Deutschlands vom Gas liege bei 80 Prozent. Allerdings hätten die deutschen Erdgasunternehmen sich selbst durch langfristige Verträge gegen Lieferstörungen abgesichert - und dazu Speicherkapazitäten aufgebaut, die 40 Tage reichen würden. Was es nicht gebe, sei eine strategische Bevorratung gegen Versorgungskrisen.

Aufhänger für den Wirbel sind die Diskussionen um Sanktionen gegen Russland im Kaukasus-Konflikt - und diese Frage ist umstritten. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) lehnt sie ab, ebenso wie der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Allerdings habe Russland das gegenseitige Vertrauen durch sein Vorgehen in Georgien massiv belastet, sagte Polenz der Neuen Osnabrücker Zeitung. Er könne sich daher nicht vorstellen, dass - falls sich das Verhalten Moskaus nicht ändere - in Zukunft irgendwelche deutsche Stadtwerke an den russischen Energiekonzern Gazprom verkauft werden.

Für spürbare Konsequenzen der EU gegenüber Russland warb dagegen der CDU-Außenexperte Eckart von Klaeden. "Russland muss deutlich gemacht werden, dass sein völkerrechtswidriges Verhalten nicht allein zu kritischen Worten führt", sagte er dem Westdeutschen Rundfunk. Und Polens Präsident Lech Kaczynski will sich nach Informationen der Zeitung Dziennik beim EU-Sondergipfel am Montag in Brüssel massiv für Sanktionen gegen Russland einsetzen.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/tob/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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