Diskriminierung:Ausländer auf Wohnungssuche

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Vermieter entscheiden sich lieber für deutsche Mieter als für ausländische.

Andreas Lohse

(SZ vom 12.4.2002) Beim einen ist es offensichtlich, beim anderen nicht: Ein Mann mit schwarzem Schnauzbart wird eher als "Ausländer" eingestuft als jemand mit blonden Dreitages-Stoppeln - was allerdings noch lange nichts darüber aussagt, ob er deutscher Staatsbürger ist oder nicht.

Mit knapp 440.000 Menschen nicht deutscher Muttersprache - das sind mehr als 13 Prozent der Einwohner - leben in Berlin im Vergleich zu anderen deutschen Ballungsgebieten mit Abstand die meisten Ausländer. Wie steht es um ihre Chancen auf dem Wohnungsmarkt?

Lieber leere Wohnungen

In Berlin gibt es nach Angaben der Senatsbauverwaltung rund 100.000 leer stehende Wohnungen - und jede unvermietete Wohnung kostet den Eigentümer Geld. Gleichwohl sei "im Einzelfall Diskriminierung nicht auszuschließen", sagt Safter Çinar, Leiter der Ausländerberatungsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbundes und Sprecher des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg.

Aber er räumt ein, dass im Vergleich zu den achtziger und neunziger Jahren eine "gewisse Entspannung eingetreten" sei.

Bessere Verhältnisse als in den 80er- und 90er-Jahren

Damals seien viele Wohnungsinserate unverblümt mit dem Zusatz "keine Ausländer" versehen gewesen. Auf Initiative der Gewerkschaften hätten sich die Verlage aber bereit erklärt, solche Annoncen nicht mehr zu drucken. Auch werde, so Çinar, "nicht mehr so oft wie früher" bereits am Telefon ein Interessent mit nicht deutschem Zungenschlag damit abgewimmelt, die Wohnung sei "bereits vergeben". Aber trotzdem kommt das noch vor.

Deutscher Testanruf

Geschehe dies, lasse man zur Kontrolle einen Deutschen anrufen. Und dann bekäme man plötzlich zu hören, dass "die Wohnung sehr wohl noch frei ist", berichtet der DGB-Mitarbeiter.

Das bestätigt auch Andreas Gemershausen von der Arbeitsgruppe Antidiskriminierung bei der Berliner Ausländerbeauftragten. Freilich gibt kaum ein Hausbesitzer die Diskriminierung von Ausländern offen zu. Selbst dem Berliner Mieterverein ist "nicht bekannt", dass "Vermieter explizit Mieter deshalb ablehnen, weil sie Ausländer sind", so der Geschäftsführer Michael Roggenbrodt. Eher beobachte man zusehends Konflikte zwischen deutschen und ausländischen Mietern im selben Haus.

Safter Çinar betont indes, dass es sich mitunter nur schwer ausmachen lasse, ob tatsächlich Ausländerfeindlichkeit oder andere Gründe zur Ablehnung von Mietern führten, die womöglich auch Deutsche träfen: viele Kinder, niedriges Einkommen, Arbeitslosigkeit - wobei letztgenannter Grund, so Çinar, zu einer "kalten Diskriminierung" führe, weil überproportional viele Ausländer arbeitslos seien.

Ausländer wohnen schlechter als Deutsche

Dass ausländische Mieter schlechtere Wohnbedingungen haben als deutsche, erschließt sich aus den Erhebungen des Mikrozensus. Demnach lebten 1999 in jedem der 163.000 nichtdeutschen Berliner Haushalte im Durchschnitt 2,37 Personen, in den deutschen waren es nur 1,83.

Zudem steht einem nichtdeutschen Bewohner mit 25,4 Quadratmeter weit weniger Wohnfläche zur Verfügung als einem Deutschen, der es auf 37,7 Quadratmeter bringt.

Enger Markt

Auch ist der Wohnungsmarkt für Ausländer in Berlin objektiv enger: Viele ziehen nicht nach Ostberlin. "Aus Angst vor rassistischen Übergriffen", sagt Safter Çinar. Die Statistik belegt, dass in beiden Stadthälften der Ausländeranteil tatsächlich unterschiedlich hoch ist: im Westteil Berlins 17,5 Prozent, im Ostteil 5,7 Prozent.

Kultureller Unterschied

Offiziell erklärt man die unterschiedlichen Wohnbedingungen von Ausländern und Deutschen mit kulturellen Unterschieden: Single-Haushalte und solche mit doppeltem Einkommen ohne Kinder entsprächen in der Regel eher dem Lebensstil Deutscher, heißt es in der Antwort des Berliner Senats auf eine kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus.

Außerdem habe einerseits "traditionell bedingt die Familienbildung einen höheren Stellenwert", anderseits sei dies auch Ausdruck "der im Durchschnitt geringeren Haushaltseinkommen".

Türken unerwünscht

Erstaunlich bleibt, dass trotz niedrigen Einkommens die durchschnittliche Miete für einen "Haushalt mit nichtdeutscher Bezugsperson" um 2,5 Prozent höher liegt als bei Deutschen. "Ausländer sind am Wohnungsmarkt schon deswegen benachteiligt, weil sie Ausländer sind", lautet das Fazit einer Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

Hilfe von der EU

Doch wer bei der Wohnungsvergabe diskriminiert wird, kann hoffen: Bis Mitte nächsten Jahres soll eine EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden, derzufolge man im privaten Geschäftsverkehr gegen Diskriminierungen - auch von Wohnungsbewerbern - vorgehen kann.

Vermieter mit Beweislast

Mit der Richtlinie werde die Beweislast verschoben: Vermieter müssten dann plausibel machen, dass ein Mieter nicht deswegen benachteiligt werde, weil er Ausländer ist. Das dürfte Eigentümern mitunter schwer fallen, wie bei Ümit Bayam.

Dem jungen Mann mit leichtem Berliner Akzent sind nach unkompliziert verlaufenen Telefonaten Wohnungen verwehrt worden, nachdem er seinen Namen nannte. "Nein, wir möchten keine Türken", hieß es. Vor allem bei privaten Vermietern stieß er auf diese Diskriminierung. "Das verletzt", sagt er. Ümit Bayam ist in Berlin aufgewachsen und Stadtplaner an der Technischen Universität.

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