Deutsche Bank:Kreditkrise, die dritte

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Erneut müssen die Banken große Beträge abschreiben. Es belegt, welche Dimension die Krise inzwischen hat: Praktisch kein Institut kommt mehr ohne Schaden davon.

Nikolaus Piper

Jetzt hat es auch die Deutsche Bank erwischt. Bis vor kurzem schien das einzige Kreditinstitut der Bundesrepublik von globaler Bedeutung ganz gut durch die Finanzkrise zu kommen.

Während in New York und Zürich reihenweise Bankchefs ihre Jobs verloren, meldete Josef Ackermann in Frankfurt stabile Gewinne. Doch nun muss auch Ackermann für das erste Quartal 2,5 Milliarden Euro abschreiben - mehr als im gesamten Jahr 2007. Vermutlich hat die Deutsche Bank in den ersten drei Monaten dieses Jahres einen Verlust erwirtschaftet.

Kreditsucht

Diese wäre keine Katastrophe. Anders als die Schweizer Großbank UBS braucht die Deutsche kein frisches Kapital, und anders als bei der Bayerischen Landesbank steht auch nicht das gesamte Geschäftsmodell in Frage. Der Aktienkurs der Deutschen Bank ist nach Veröffentlichung der schlechten Nachricht sogar gestiegen. Allerdings belegen Ackermanns Abschreibungen, welche Dimension die Krise inzwischen hat: Praktisch kein Institut kommt mehr ohne Schaden davon.

Die globale Finanzkrise steckt jetzt in ihrer dritten Phase. Phase Nummer eins hatte vor einem Jahr begonnen und war außerhalb der Vereinigten Staaten kaum wahrgenommen worden: Hunderttausende amerikanische Hausbesitzer gerieten in Not, weil sie ihre überteuerten Hypothekenkredite nicht mehr bedienen konnte, ein paar Hypothekenbanken mussten schließen.

Die nächste Phase begann im August. Damals wurde klar, dass sich der gesamte Bankensektor mit US-Hypotheken-Papieren infiziert hatte. Aber noch immer schienen die Folgen begrenzt zu sein. Amerikas Notenbankpräsident Ben Bernanke nannte die Krise damals eine "Korrektur" und drückte damit die Mehrheitsmeinung aus.

Im Januar hat nun die dritte Phase begonnen. Die Finanzkrise hat sich zur schwersten seit dem Zweiten Weltkrieg ausgewachsen. Die Vereinigten Staaten stecken in einer Rezession, im Bankensektor treffen die Einschläge jetzt auch jene, die bisher weitgehend verschont geblieben waren, Goldman Sachs zum Beispiel oder eben die Deutsche Bank.

Worum es in dieser Phase geht, lässt sich an zwei Zahlen aus den USA zeigen. Dort hat der Finanzsektor im vergangenen Jahr 40 Prozent aller Gewinne in der Wirtschaft erzielt - obwohl die Branche nur 15 Prozent zur Wertschöpfung beitrug. Zwar gibt es kein Naturgesetz, dass diese Prozentsätze immer gleich sein müssen, wohl aber spricht die Marktlogik dafür, dass derart große Diskrepanzen über kurz oder lang beseitigt werden.

Ursprünglich waren die außerordentlichen Gewinne durchaus nachvollziehbar. In den achtziger Jahren hatten die Notenbanken weltweit die Inflation besiegt; Computer, Fortschritte der Kommunikationstechnik und neue Erkenntnisse der Finanzmathematik machten das Geschäft der Banken profitabler.

Nach der jüngsten Rezession von 2001 jedoch änderte sich etwas grundsätzlich: Die Geschäfte wurden schwieriger, die Finanzbranche verschuldete sich zunehmend selbst, um ihre Profitabilität zu erhalten. Dabei gingen die Institute Risiken ein, die sie offenbar selber nicht mehr überblickten. Ein schönes Beispiel dafür ist jene Praxis, die in Deutschland der Mittelstandsbank IKB zum Verhängnis wurde: Man nimmt billige kurzfristige Kredite auf und steckt das Geld in langfristige Anlagen und gliedert das Ganze auch noch aus der Bilanz aus.

Für die allgemeine Kreditsucht hat sich in der Branche der Begriff "leverage" (wörtlich: Hebelkraft) eingebürgert. Tatsächlich kann man ja einen Kredit wie einen Hebel benutzen, um Dinge zu erwerben, die man sich sonst nicht leisten könnte: ein schönes Auto, ein teures Haus, eine große Firma. Nur wirkt der Hebel eben auch in die andere Richtung: Wenn es schlecht läuft, verliert man viel mehr Geld, als man hat. Genau dies Drama wird derzeit bei den Banken gespielt.

Das ist zunächst ein Thema für die Regierungen. Anders als die Insolvenz einer Baufirma oder einer Brauerei kann der Zusammenbruch einer großen Bank das gesamte Wirtschaftssystem gefährden.

Deshalb müssen Banken streng reguliert werden. In den vergangenen zwanzig Jahren sind dabei die Behörden gegenüber den großen Spielern an den Finanzmärkten eindeutig ins Hintertreffen geraten. Der amerikanische Finanzminister Hank Paulson versucht jetzt, diesen Rückstand ein wenig aufzuholen. Noch ist es zu früh, dessen Vorschläge für eine Rundumerneuerung der Finanzmärkte zu beurteilen, nach dem ersten Eindruck jedoch scheint sein Konzept erhebliche Lücken zu haben.

Die wichtigsten Veränderungen werden in den Banken selbst stattfinden müssen. Die Jongleure der Finanzmärkte sollten ihre Hebel wegwerfen oder wenigstens erheblich verkürzen. Sie müssen wieder lernen, Risiken richtig zu bewerten und auf realistischer Grundlage ihr Geschäft zu betreiben.

Der Anteil der Bankengewinne an den Erträgen der Gesamtwirtschaft wird sich normalisieren. Das kann dadurch geschehen, dass die einzelnen Institute weniger verdienen, dass es weniger Banken gibt - oder vielleicht auch durch beides. Für die Institute und ihre Beschäftigten werden die Zeiten hart werden, der Rest der Wirtschaft wird jedoch sicherer leben.

© SZ vom 2.4.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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