Dachbegrünung:Grüne Mütze für das Haus

Lesezeit: 3 min

Wer sein Dach bepflanzt, schützt und dämmt sein Haus und verbessert das Mikroklima.

Von Andrea Schlaier

Man muss nicht gleich in das Pathos von Friedensreich Hundertwasser verfallen. Auch, wenn es einem Schmetterling, Wildbiene und Krabbelkäfer hier oben, etliche Meter über dem Asphalt, zwischen lila-farbener Brunelle und gelbem Mauerpfeffer schwer machen. Sie drängen sich, umfangen von der blühenden Landschaft, in der sie sich heimisch niedergelassen haben, als Idylle mitten im großstädtischen Staubgrau geradezu auf.

Doch der verstorbene österreichische Künstler trug eben gern etwas dicker auf und übersetzte das, was sich in dieser luftigen Höhe abspielte, so: "Die Natur, die wir auf dem Dach haben, ist dieses Stück Erde, das wir umgebracht haben dadurch, dass wir ein Haus dahingestellt haben."

Versiegelung hin oder her: auf dem eigenen Dach oder sei es nur der Garage ein Gärtchen anzulegen liegt, schwer im Trend. "Ich finde es einfach genial vom eigenen Dachgarten so weit oben über die Stadt zu blicken." Anderen geht es anscheinend ähnlich wie dem Münchner Landschaftsarchitekten Johannes Mahl-Gebhard. "Diese Idee kommt bei immer mehr Bauvorhaben zum Zug." Selbst das Münchner Baureferat hat sich in seinem Stammsitz eine eigene Oase angelegt.

"Sie können da alles anpflanzen, was nicht so hoch wächst und den Wind aushält, natürlich je nachdem wie viel Pflege Sie anschließend investieren wollen." Sedum, trockenheitsresistente Stauden, Rosen, Thymian, Majoran, eigentlich alle Kräuter aus südlichen Ländern, "vieles ist möglich, sogar Buxbaum."

Weil der Anblick nicht nur entspannend, sondern für das Mikroklima der Stadt wertvoll ist, hat etwa München in seiner Freiflächen-Gestaltungssatzung vorgeschrieben, dass Flachdächer und bis zu vier Prozent flach geneigte Dächer ab 100 Quadratmeter begrünt werden müssen.

Privatleute, die freiwillig, also ohne entsprechende Auflage im Bebauungsplan, Sedum, Karthäusernelke & Co. über ihren Häusern in die Erde setzen, bekommen einen Zuschuss von bis zu 15 Euro pro Quadratmeter.

Auch wenn die ökologische Version teurer ist als etwa Kies zustreuen, sei sie die "weitsichtigere Investition", sagt Wolfgang Ansel, Wirtschaftsbiologe beim Deutschen Dachgärtner Verbandes. "Die extensive Dachbegrünung kostet grob geschätzt 25 bis 35 Euro pro Quadratmeter, beim Kies sind es nur etwa zehn". Wobei das Modell Grasdeckel mit 40 Jahren etwa doppelt so lang lebt als die Alternative oben ohne.

Schallschutz, Staub- und Abgasfänger

"Eine ungeschützte Fläche ist weit mehr dem Temperaturstress ausgesetzt, Schwankungen von 60 Grad sind innerhalb von 24 Stunden keine Seltenheit", so Ansel. Sprießt und gedeiht es auf dem heimischen "Kopf", werden die UV-Strahlen gefiltert. Pro Quadratmeter binden die Gewächse jährlich 200 Gramm Staub und Schadstoffe. Feinstaubfilter frei Haus.

So ein blumiges Pelzchen auf dem Domizil mindert zudem die Schallreflexion der Oberfläche und verbessert die Schalldämmung des Daches im Innern um bis zu acht Dezibel. Auch, wenn das nicht sehr imposant klingt: "Der Mensch empfindet eine Reduzierung des Schalls um zehn Dezibel bereits als Halbierung der Lautstärke."

Die grüne Mütze schützt vor Hitze im Sommer und umgekehrt verpufft weniger Energie von innen nach außen. Weil das Regenwasser auf einem kultivierten Flachdach bis zu 90 Prozent gespeichert und von dort wieder in die Luft aufsteigt, somit auch Hochwasserschutz ist, belohnen dies einige Kommunen mit reduzierten Abwassergebühren.

Nach wie vor weit verbreitet ist die Sorge von Bauherren, die Wurzeln könnten durch die Decke wachsen und das Dach undicht werden. "Die speziellen Folien sind inzwischen so gut gemacht," sagt Mahl-Gebhard, "dass man schon mit Absicht ein Loch rein machen müsste".

Abgesehen davon, dass ein Haus statisch das schwerere Gründach tragen können muss, sei es notwendig bei extensiver Pflanzung ein bis zweimal im Jahr aggressive Sämlinge zu entfernen. Die trockenresistenten Pflanzen kommen mit dem Regenwasser aus. Schmetterling, Wildbiene und Käfer reicht das zum Leben.

Biologe Ansel spricht von einem "Trittstein-Biotop, also einer Art Tankstelle für die Tiere in relativ feindlicher Umgebung." Für den Menschen habe die grüne Insel "irgendwie was Tröstliches." Auch, weil man es bei den Grundstückspreisen zu einem Gärtchen auf hohem Niveau gebracht hat.

Veranstaltungstipp: "Multi-Talent Gründach" vom Deutschen Dachgärtner Verband, Samstag, 23. 4., 14 Uhr,Bauzentrum Poing. Ab 15 Uhr besteht Gelegenheit zu individueller Beratung

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: