Börsenplatz Brasilien:Anlegen an der Copacabana

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Börsen-Boom unterm Zuckerhut: Die brasilianische Börse hat China überholt und ist nun der größte Schwellenmarkt der Welt - mit anhaltendem Sonnenschein für private Geldanlagen.

Corinna Nohn

Auf die Frage nach dem größten Schwellenmarkt der Welt anworten viele Anleger wohl mit "China" oder "Indien". Aber es ist Brasilien - jedenfalls dann, wenn es nach der Börsenbewertung geht. Seit Ende Februar ist das lateinamerikanische Land am stärksten im MSCI Emerging Markets Index vertreten. Der Index ist ein Börsenbarometer, den der US-Finanzkonzern Morgan Stanley Capital International zusammengestellt hat und der die Entwicklung von Aktien in den aufstrebenden Märkten abbildet. Brasilianische Titel haben nun eine größere Gewichtung in dem Index als Anteilsscheine chinesischer, indischer oder russischer Unternehmen.

Copa Cabana - leichtes Leben - neuerdings auch für die Wirtschaft. Der brasilianische Aktienindex Bovespa notiert mit knapp 60.000 Punkten rund ein Drittel höher als vor einem Jahr. (Foto: Foto: dpa)

Grund dafür sei "die phantastische Entwicklung des brasilianischen Aktienmarkts", sagt Roberto Lampl, Fondsmanager des "ING Invest Latin America Fonds" beim niederländischen Finanzkonzern ING.

Finanzkrise - was ist das?

"Der brasilianische Leitindex Bovespa ist in den vergangenen zwei Jahren um fast 60 Prozent auf knapp 60 000 Punkte gestiegen. Auch die Turbulenzen an den Finanzmärkten seit Sommer vergangenen Jahres haben ihn immer nur kurzfristig abgebremst, denn die brasilianischen Banken sind nicht in die Kreditkrise involviert. Deshalb steht der Index heute um rund ein Drittel höher als vor einem Jahr. Ursache für den Höhenflug sei die Explosion der Rohstoffpreise, sagt Lampl. So hätten sich etwa Eisen, Öl, Nickel und Gold in den vergangenen drei Jahren drastisch verteuert. "Davon profitiert das rohstoffreiche Land enorm - Brasilien ist zum Beispiel der größte Eisenlieferant weltweit." Die größten Unternehmen des Landes, an denen nahezu alle Brasilien- oder Lateinamerika-Fonds Anteile halten, sind der Ölförderer Petrobras und der weltweit größte Stahlproduzent Vale Do Rio.

Die Preise für sogenannte weiche Rohstoffe wie Soja, Baumwolle, Kaffee oder Zucker sind ebenfalls stark gestiegen", sagt Lampl. Auch hier gehört Brasilien zu den weltweit führenden Produzenten. Der Experte rechnet zwar nicht damit, dass die Rohstoffpreise unendlich weiter steigen. Doch seiner Meinung nach werden sie auf einem hohen Niveau bleiben - alleine schon wegen der anhaltenden Investitionen in Indien und China. Die Nachfrage nach Agrarrohstoffen in diesen Ländern werde durch zwei Faktoren angekurbelt: durch die Verminderung der Anbauflächen sowie durch die steigende Kaufkraft der Bevölkerung. "Zusätzlich rechnen wir mit verstärkten Investments in die Infrastruktur, was etwa die Preise für Stahl, Kupfer und Zement weiterhin hoch halten sollte", sagt Lampl. Bremsen könnte den Boom seiner Meinung nach allerdings eine Rezession in Europa.

Luiz Ribeiro, Fondsmanager des "HSBC GIF Brazil Equity Fund" bei Halbis, dem Investmentspezialisten im HSBC-Konzern, sagt: "Auch wenn es zu einer stärkeren Abschwächung der US-Wirtschaft käme oder China in Schwierigkeiten geraten sollte, würde das die globale Wirtschaft und damit auch Brasilien in Mitleidenschaft ziehen." Derzeit sieht Ribeiro jedoch durchaus weitere Entwicklungsmöglichkeiten für die brasilianische Wirtschaft. Ribeiro rechnet in diesem Jahr mit einem Wachstum von 4,7 Prozent und mit 4,5 Prozent im kommenden Jahr.

Einig sind sich die Experten, dass die brasilianische Wirtschaft nicht nur von globalen Entwicklungen abhängig ist. So sei bereits das bisherige Wachstum "auch vom stärkeren Konsum am heimischen Markt" angetrieben worden, stellt Ribeiro fest. ING-Experte Lampl sieht ebenfalls in der stärkeren Binnennachfrage "die treibende Kraft der Wirtschaft". Schließlich hätte sich die volkswirtschaftliche Perspektive des Landes in den vergangenen Jahren erheblich verbessert: So ist die Inflationsrate in den Jahren 2003 bis 2006 von 14,7 auf 4,2 Prozent gefallen.

Außerdem hat die brasilianische Zentralbank den Leitzins von mehr als 20 Prozent im Jahr 2005 auf nunmehr 11,25 Prozent gesenkt, so dass die Unternehmen wieder Kredite für Investitionen aufnehmen können. Tatsächlich schaffen die Unternehmen auch neue Jobs: "Wir beobachten, dass die Zahl der regulären Arbeitsverhältnisse zunimmt, und auch die Löhne steigen", sagt Lampl. Der Reallohn ist seit 2003 jährlich um etwa fünf Prozent gestiegen.

Infolgedessen legen sich auch immer mehr Brasilianer ein Bankkonto zu. "Bislang hat nur jeder Dritte ein Konto, und weniger als fünf Prozent der Bevölkerung haben eine Hypothek", sagt Lampl. Da damit zu rechnen sei, dass die Nachfrage nach solchen Finanzprodukten in den kommenden Jahren in Brasilien stark zunehme, halte er die Finanzbranche für sehr lukrativ: "Das ist eine der interessantesten Branchen für Investoren." Fondsmanager Ribeiro richtet sein Interesse weiterhin auf den Bereich Baustoffe, hauptsächlich Bergbau und Öl. "Sogar noch positiver gestimmt sind wir in Bezug auf inländisch orientierte Sektoren wie Konsumgüter" sagt er.

© SZ vom 26.3.2008/sme/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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