Arbeitslosigkeit bei Eigentümern:Wie groß darf's denn sein?

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Immobilienbesitz unter Hartz IV-Bedingungen: Das Bundessozialgericht legt neue Maßstäbe an.

Erwin Denzler

Bis vor einigen Jahren galt, dass es höchstens 130 Quadratmeter Wohnfläche bei vier Personen sein dürfen, andernfalls gab es keine Bauförderung. Diese Fläche galt bisher auch beim Arbeitslosengeld II (Hartz IV) als angemessen. Auch wer langzeitarbeitslos war, konnte trotz Immobilienbesitzes Sozialleistungen beziehen. Im Gesetz steht nur, dass "ein selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung" nicht als Vermögen gilt.

Immobilien unterliegen besonderen Regeln, wenn es um die Berechnung von Hart IV geht. (Foto: Foto: Photodisc/ Montage: sueddeutsche.de)

Die Bundesagentur für Arbeit, neben den Kommunen Träger des Arbeitslosengeldes II, legte das großzügig aus. Bei einer Wohnfläche von bis zu 130 Quadratmetern sei zu unterstellen, dass das Haus oder die Wohnung angemessen ist.

Mit dieser Auslegung dürfte nun Schluss sein. Das Bundessozialgericht (BSG) entschied in einem jetzt veröffentlichtem Urteil, dass diese Grenze für Haushalte bis zu drei Personen nicht gilt (Az. B 7b AS 2/05 R, 7.11.2006). Die Flächen nach dem II. Wohnbaugesetz seien zwar ein geeigneter Maßstab, jedenfalls gerechter als die seit 2002 je nach Bundesland unterschiedlichen Förderungsbedingungen. Aber die 130 Quadratmeter bei einem Haus oder 120 Quadratmeter bei einer Wohnung sind nur für Haushalte mit genau vier Personen angemessen. Für jede Person weniger oder mehr müsse die Grenze um 20 Quadratmeter herauf- oder herabgesetzt werden.

Für den Drei-Personen-Haushalt ist deshalb nur noch ein Haus mit 110 Quadratmetern angemessen, für den Zwei-Personen-Haushalt mit 90 Quadratmetern. Diese Mindestfläche soll auch für Singles gelten, da man nie ausschließen kann, ob sie in absehbarer Zeit einen Partner aufnehmen.

Bei Eigentumswohnungen liegt der Wert um jeweils zehn Quadratmeter darunter.

Diese Reduzierung war zwar im II. Wohnbaugesetz nicht vorgesehen, die Richter hielten sie bei der Frage des sogenannten Schonvermögens trotzdem für notwendig. Denn die Regelung dient nicht "dem Schutz der Immobilie als Vermögensgegenstand", sondern "der Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen und als räumlicher Lebensmittelpunkt." Da bei der Sozialhilfe bereits laut Gesetz die Zahl der Bewohner zu berücksichtigen ist, war es aus Gleichheitsgründen notwendig, dieses Merkmal beim Arbeitslosengeld II ebenfalls zu beachten.

Für Haus- und Wohnungseigentümer mit größeren Wohnflächen bedeutet das, sollten sie länger als ein Jahr arbeitslos sein (ab 55 Jahren länger als 18 Monate), gelten sie nicht mehr als "hilfebedürftig" und erhalten kein Arbeitslosengeld II.

Wer davon betroffen ist, wird wohl in den nächsten Wochen oder Monaten den Bescheid über die Einstellung der Leistung erhalten.

Ein paar Ausnahmen kann es noch geben, das BSG lässt Abweichungen "beim Vorliegen besonderer Umstände" zu. Christian Link, wissenschaftlicher Mitarbeiter am BSG, nennt als Beispiel den Fall, dass früher Kinder mit im Haus lebten. Im Urteil ist diese Ausnahme allerdings nicht erwähnt. Wenn die Immobilie zu groß ist, muss der Arbeitslose vom Vermögen leben. Dazu ist nicht immer ein Verkauf des Hauses nötig, denn vielleicht können einzelne Teile des Gebäudes oder des Grundstückes abgetrennt und verkauft werden, vielleicht reicht auch die Vermietung einzelner Zimmer oder einer Einliegerwohnung aus. Auch die Aufnahme einer Grundschuld gilt als zumutbar. Wenn nichts davon machbar ist, greift eine Härtefallregelung.

Das Arbeitslosengeld II kann als Darlehen gewährt werden, meist abgesichert durch eine Hypothek zugunsten der öffentlichen Hand. Der Nachteil dabei ist, dass bei dieser Form des Leistungsbezuges kein Krankenversicherungsschutz besteht. Die Beiträge für eine freiwillige Mitgliedschaft, etwa 130 Euro bei Einkommenslosen, müsste der Hauseigentümer aus den 345 Euro monatlich zahlen, die eigentlich für den Lebensunterhalt gedacht sind.

Wenn die Quadratmeterzahl nur geringfügig überschritten ist, kann sich der Weg zum Sachverständigen lohnen. Denn was genau zur Wohnfläche zählt, ist nicht immer leicht zu beurteilen. Dafür gibt es eine eigene Wohnflächenverordnung. Einzelne Teile wie Keller- und Bodenräume oder Garagen zählen überhaupt nicht, andere wie Mansarden oder Balkone nur teilweise.

Der Abriss einer Terrasse könnte ein Haus mit 95 Quadratmetern bereits auf die gerade noch anerkannten 90 Quadratmeter reduzieren, ein Schlafzimmer im Keller kann vielleicht in eine nicht anzurechnende Waschküche umgewandelt werden. Dadurch wäre der Anspruch auf Arbeitslosengeld II einschließlich einer Krankenversicherung manchmal gerettet. Auch wenn die Immobilie als Vermögen angemessen ist, werden langzeitarbeitslose Eigentümer sie nicht immer auf Dauer halten können.

Denn das Bundessozialgericht verschärfte auch die Kriterien für die Erstattung der laufenden Wohnkosten, die zusätzlich zur Regelleistung gezahlt werden. Mieter erhalten in diesem Fall die angemessene Kaltmiete einschließlich üblicher Nebenkosten und zusätzlich die Heizkosten. Für Eigentümer stellte das BSG klar, dass Tilgungsraten jedenfalls nicht übernommen werden. Anerkannt werden in der Regel Grundsteuer, Müllabfuhr und Kaltwasser, das Hausgeld bei Eigentumswohnungen und ähnliche Kosten, die bei einem Mieter in der Kaltmiete enthalten wären. Bei Mietwohnungen gelten für eine Person etwa 45 bis 50 Quadratmeter Wohnfläche als ausreichend, für jede weitere Person 15 Quadratmeter zusätzlich.

Nur die laufenden Kosten für eine Wohnung dieser Größe im unteren Mietniveau werden übernommen. Für Hauseigentümer hatten einige Gerichte unterer Instanzen zunächst großzügiger entschieden. So meinte etwa das Sozialgericht Aurich schon im Februar 2005: Wenn ein Single ein Haus von 80 Quadratmetern anrechnungsfrei besitzen darf, dann müssen auch die Heizkosten für 80 und nicht nur für 45 bis 50 Quadratmeter übernommen werden.

Andernfalls wäre der geschützte Wohnraum nicht sinnvoll zu nutzen. Hauseigentümer konnten nach dieser Auslegung wesentlich höhere Leistungen erhalten als Mieter. Darin sieht das Bundessozialgericht einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Bei den Unterkunfts- und Heizkosten, so das BSG, "wird eine Privilegierung von Eigentümern gegenüber Mietern nicht zu rechtfertigen sein." Der alleinstehende Hauseigentümer wird einen Teil seiner Heizkosten, Grundsteuer und Schuldzinsen aus der Regelleistung zahlen müssen, wenn das neue Urteil von den Behörden umgesetzt wird. Es sei denn, er vermietet die "überschüssigen" Quadratmeter - dann können die Ausgaben von der Mieteinnahme abgezogen werden und nur der Gewinn wird als Einkommen auf das Arbeitslosengeld II angerechnet.

D er Autor ist Dozent für Arbeits- und Sozialrecht. Der Wirtschafts- und Arbeitsjurist lebt in Fürth.

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