Werbung in StudiVZ:Die Glasperlen des 21. Jahrhunderts

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Von nun an müssen StudiVZ-Nutzer mit personalisierter Werbung leben. Was also sind ihre persönliche Daten im Netz wert?

Bernd Graff

5,3 Milliarden Seitenaufrufe im Monat, viereinhalb Millionen Nutzer, die im Schnitt 38-mal pro Monat wiederkommen. Damit ist der Community-Betreiber StudiVZ der Platzhirsch aller Angebote im deutschsprachigen Internet - und das gerade mal zwei Jahre nach dem Start. Die erstaunlichen Zahlen verursachen Wasserflüsse. Zweifach: Einmal lassen sie das Wasser zusammenlaufen in den Mündern von Werbetreibenden und von Plattformbesitzern, die Platz für Werbung verkaufen möchten. Zum anderen aber steigen Plattformbesitzern und Werbetreibenden Tränen in die Augen, wenn sie den loyalen Massen der Internetnutzer nicht eine auf sie zugeschnittene Werbung angedeihen lassen können.

Im Netz nennt man so etwas Personalisierung oder Targeting. Gemeint ist, dass man aufgrund des Geschlechts, der Interessen und des Surfverhaltens eines Nutzers hochgradig spezifizierte Werbung schalten kann. Also keine Lippenstiftwerbung für männliche Nutzer und für Kunsthistoriker keine Lektüreempfehlungen zum Rat der Wirtschaftsweisen. Nicht einmal mehr nur zielgruppengerecht will man werben, sondern im Bestfall zielpersonengerecht.

Was auch funktioniert. Zum einen lässt sich das Surfverhalten jedes Nutzers über "Cookies" erforschen: Protokolldateien, die Informationen über die täglich beschrittenen Netzwege speichern, vergleichbar den Brotkrumen aus "Hänsel und Gretel". Zum anderen aber basieren soziale Netzwerke wie StudiVZ auch darauf, dass die Menschen dort explizit persönliche Daten, Vorlieben und Interessen preisgeben. Etwa, um aktiv Gleichgesinnte zu treffen oder selbst für andere auffindbar zu sein.

Ich muss etwas verkaufen

Nun gilt seit dem 10. Januar, dass diese bei StudiVZ hinterlegten Daten keine Privatsache mehr sind. Wie die Punkte 4 und 5 der neuen Datenschutzerklärung festlegen, muss sich jeder Nutzer damit einverstanden erklären, "dass StudiVZ die in den Protokolldateien gespeicherten Daten auswertet und analysiert, um ... gezielt personalisierte Werbung und/oder besondere Angebote und Services zu präsentieren".

Es werden, wie Samir Barden, der Leiter der Abteilung "Customer Care" bei StudiVZ, im Jargon der Verwurstungsindustrie ausführt, "personenbezogene Daten durch StudiVZ für Werbemaßnahmen verarbeitet". Wer das nicht akzeptiert, werde als "Mitglied gesperrt und hat keinen Zugriff mehr auf sein persönliches Profil und seine Nachrichten". Was so nicht ganz stimmt: Der Nutzer kann seine "Einwilligung" nachträglich anpassen, ohne aus der Gemeinschaft verbannt zu werden. (Wie das geht, ist in der Bildergalerie aufgeschlüsselt.)

Konzerne wie Holtzbrinck Networxs, der Betreiber von StudiVZ, verteidigen diese Maßnahme gern damit, ihre Nutzer hätten selbst etwas davon: Schließlich würden sie nur noch Werbung sehen, die sie tatsächlich auch interessiere. Andere soziale Netzwerke wie das amerikanische "Facebook" oder das Business-Netz "Xing' sind vor kurzem mit fast identischen Annoncen an ihre Klientel herangetreten - und damit vorerst durchgefallen.

Denn die Freuden der werbetreibenden Industrie über die schicke neue Technik werden kaum geteilt von vielen der ins Visier gerückten Datenbesitzer in den sozialen Netzwerken. Sie ändern etwa, seit die Pläne zur Personalisierung ruchbar wurden, bei StudiVZ in großer Zahl die Einträge auf ihren Profilseiten, um der angedrohten Zielwerbung zu entgehen. Und schon gar nicht geteilt werden sie von Datenschützern. So resümierte Bettina Gayk vom Landesamt für Datenschutz in NRW in der "Tagesschau": "Man erkennt jetzt, dass dieses scheinbar kostenlose Forum doch nicht kostenlos ist. Denn ich muss etwas geben, ich muss etwas verkaufen, nämlich mein Profil und meine Daten."

Dass selbst seine Daten geldwert, ja eine Währung sind wie bereits die Organe seines Körpers, stellt die wohl gründlichste Kränkung des Menschen im 21. Jahrhundert dar. Noch allerdings hat man den Eindruck, dass sich die Bewohner der virtuellen Welten diesen ihren ureigensten Schatz abschwatzen lassen wie jene Indianer, deren Fell die Eroberer einst gegen Glasperlen tauschten.

© SZ vom 11.1.2008/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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