Wahlcomputer:Zweifel an der Sicherheit

Lesezeit: 1 min

Verfassungsrichter verhandeln über Sicherheit der Geräte. Der Vorwurf der Anklage: Die freie, geheime und öffentliche Wahl sei nicht mehr garantiert.

Roman Deininger

Es gibt Geschichten über Wahlcomputer, die müsste man für ziemlich witzig halten, wenn die Sache nicht so ernst wäre. Bei der amerikanischen Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 verzeichnete ein solches Gerät in einem Wahllokal in Florida für den Kandidaten Al Gore das bemerkenswerte Ergebnis von minus 16.022 Stimmen.

Die Kläger zweifeln die Sicherheit von Wahlcomputern an. (Foto: Foto: ddp)

Auch in Deutschland werden Wahlcomputer seit 1999 eingesetzt. Bei der Bundestagswahl 2005 haben etwa zwei Millionen Wähler ihre Stimme elektronisch abgegeben. Mehrere Bürger erhoben daraufhin Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht.

Am Dienstag hat nun in Karlsruhe die mündliche Verhandlung begonnen. Mehrere Richter äußerten Zweifel an der Sicherheit von Wahlcomputern. Der Anwalt der Kläger sagte, die freie, geheime und öffentliche Wahl sei bei ihrer Verwendung nicht mehr garantiert - die abgegebene Stimme verschwinde in einer "Blackbox", ein Nachzählen sei nicht mehr möglich.

Der Berichterstatter der Verfassungsrichter, Rudolf Mellinghoff, wies auf Probleme mit Wahlcomputern in anderen Ländern hin. Nachweislich wurden in den USA wegen eines Softwarefehlers in 34 Bundesstaaten Stimmen unterschlagen.

In den Niederlanden und in Irland kamen unabhängige Expertengremien zu dem Schluss, das Wahlverfahren mit Papier und Stift müsse als "überlegen" gelten. Eine Vertreterin des Wahlprüfungsausschusses des Bundestags verteidigte jedoch den Einsatz der Geräte. Hierzulande sei bisher kein einziger Fall von Betrug nachgewiesen oder auch nur behauptet worden.

In Deutschland werden die gleichen Computermodelle des niederländischen Herstellers Nedap (Stückpreis: etwa 4500 Euro) verwendet, die Hacker im Nachbarland 2006 in einer TV-Demonstration leichterhand manipulierten. Der Chaos Computer Club behauptet, dass schon Informatikstudenten im ersten Semester in der Lage seien, sich Zugang zu der schlecht geschützten Wahlsoftware zu verschaffen.

Der Austausch des Speicherbausteins der Geräte, auf dem die Ergebnisse verzeichnet werden, gegen einen manipulierten Chip dauere nur eine Minute und könne sogar in einem unbeobachteten Moment mitten im Wahllokal vorgenommen werden. Da Belege fehlen, könne der Betrug später nicht einmal mehr nachgewiesen werden.

Ein Urteil des Verfassungsgerichts wird in einigen Monaten erwartet.

© SZ vom 29.10-2008/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: