Volkes Stimme im Internet:petitionen.de

Lesezeit: 2 min

Nach einer Testphase können Deutsche dem Staat nun dauerhaft im Internet die Meinung sagen: Auf einer speziellen Seite des Bundestags können sie Petitionen einbringen und unterstützen.

Marc Widmann

Volkes Stimme klingt manchmal klar und unmissverständlich. "Ich fordere Sie auf, die Steuern für Kraftstoffe zu halbieren", schrieb der Bürger namens Rainer Segers Mitte Mai auf die Internetseite des Bundestages. Jeder konnte seine öffentliche Petition dort lesen - und unterstützen. Innerhalb von sechs Wochen schlossen sich 128.193 Deutsche an.

E-Petition: Dem Staat online die Meinung sagen. (Foto: Screenshot: Deutscher Bundestag)

Sie teilten Segers' Meinung, dass "alle Kosten explodieren", dass man sich den Urlaub längst doppelt überlege, und dass die Politiker die Menschen jetzt dringend unterstützen müssten. Bürger Segers hat einen Nerv getroffen.

Seine Eingabe ist rein zahlenmäßig die erfolgreichste, seitdem der Bundestag vor drei Jahren jedem Deutschen die Möglichkeit gab, dem Staat per Internet die Meinung zu sagen. Fast 700 Menschen haben seither eine elektronische Petition geschrieben, mehr als 1,1 Millionen haben sie unterstützt, indem sie per Mausklick ihren Namen daruntergesetzt haben. So verlangten 45.127 Bürger einen Verzicht auf unsichere Wahlmaschinen; eher weniger Unterstützer fand ein Mann für seine Forderung nach einem bundesweiten "Fahrverbot an jedem zweiten Sonntag".

Der Bürger soll seine Meinung besser einbringen können

Was zunächst als Versuch gedacht war, hat das Parlament am Montag dauerhaft eingeführt. Die jetzt freigeschaltete Internetseite https://epetitionen.bundestag.de soll es jedem Bürger erlauben, seine Meinung "besser und mehr als bisher in das Parlament hineintragen zu können", sagte die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Kersten Naumann (Linke). Auch schneller soll es mit der neuen Technik gehen.

Schließlich verlangte die alte Homepage selbst den überzeugtesten Demokraten viel Geduld ab: Minuten verstrichen, ehe man eine E-Petition schreiben, unterstützen oder kommentieren konnte. Das lag daran, dass der Bundestag auf den überlasteten Server der Universität Edinburgh angewiesen war. Von den Schotten hatte er das Modell 2005 im Testbetrieb übernommen.

Mittlerweile seien auch die Skeptiker überzeugt, "dass die E-Petition eine seriöse Geschichte ist", sagt Gabriele Lösekrug-Möller, SPD-Obfrau im Petitionsausschuss. Sorgen gab es einige - nicht zuletzt, dass Lobbyisten die Plattform missbrauchen könnten. Davon blieb der Bundestag bisher verschont.

Die Parlamentarier prüfen jede Petition, ehe sie auf die Homepage gestellt wird. Fragen, die etwa zu "außenpolitischen Verwicklungen" führen könnten, veröffentlicht der Bundestag nicht. Als Beispiel nennt ein Ausschuss-Mitarbeiter brisante Eingaben "zur Kurdenproblematik". Nur in einem Fall musste die als Petition getarnte Schleichwerbung eines dubiosen Naturheilers gelöscht werden. Unter dem Strich aber spricht Lösekrug-Möller von einem "Erfolgsmodell".

Mindestmarke 50.000

Wer in drei Wochen mehr als 50.000 Unterstützer sammelt, darf sein Anliegen dem Petitionsausschuss persönlich vortragen. Die Abgeordneten können die Eingabe dann der Regierung "zur Berücksichtigung" überweisen. Geschehen ist das bei zwei Forderungen für bessere Arbeitsbedingungen von Praktikanten. 108.000 Deutsche hatten sie unterstützt. Erfolgreich waren auch die Lastwagen-Fahrer, die für mehr Parkplätze an Autobahnen klickten - die Regierung reagierte mit einem Sonderprogramm.

"Wenn eine Forderung von 100.000 Menschen unterstützt wird, gibt das zu denken", sagt Abgeordnete Lösekrug-Möller, "dann traut sich keiner mehr, das Problem kleinzureden." Eine rasche Halbierung der Sprit-Steuern kann sie trotzdem nicht versprechen.

© SZ vom 14.10.2008/heh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: