Virtuelle Welt:Willkommen in der Matrix

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Computer erzeugen Bilder, die der Mensch kaum von der Realtität unterscheiden kann. Vor allem eine Branche lädt ihre Kunden bereits in die Matrix ein.

Simone A. Mayer

Der Sportwagen steht hoch oben am Bergplatteau inmitten der Vulkanberge. Dampf aus heißen Quellen steigt in den blauen Himmel empor. Der Fahrer ist sicher gerade erst aus dem Bild gelaufen und genießt den Blick auf die bizarre Vulkanlandschaft.

Was ist virtuell, was ist real? Viele Autohersteller vertrauen auf computergenerierte Welten. (Foto: Foto: Recom)

Moment mal! Was macht der Fahrer? Und wie kommt dieses Auto auf den steinigen, unbefahrbaren Vulkangipfel? Gute Frage. Gar nicht. Einen Fahrer gibt es nicht und weder der Wagen noch die Umgebung sind real.

"Es gibt schon viele virtuell erstellte Grafiken, die vom menschlichen Auge nicht mehr von der Realität zu unterscheiden sind", erklärt Reinhard Klein, Leiter der Arbeitsgruppe Computer Grafik an der Universität Bonn. Bei einfachen Bildern fällt es auch ihm schwer zu erkennen, ob es sich um eine Fotografie oder eine virtuelle Darstellung handelt. Und auch Leser werden getäuscht: "In Autokatalogen findet sich fast keine Fotografie mehr von echten Autos in echten Landschaften", verrät Klein.

Aber die Forscher sind sich weltweit uneins, ob es eines Tages die perfekte Illusion geben kann. Reinhard Klein verneint. Sein amerikanischer Kollege Michael McGiugan, Forscher am Brookhaven National Laboratory in New York, will hingegen in wenigen Jahren absolut täuschend echte Abbildungen erzeugen. Heute sind beide Forscher noch weit davon entfernt, die Welt wie sie jedem Menschen individuell erscheint, nachzubauen. Ein speziell geschultes Auge sehe die Unterschiede zwischen Original und virtueller Kopie.

Experten erkennen die Darstellungsfehler

Zu Forschungszwecken hat Kleins Grafik-Team für verschiedene Produkthersteller Designideen schon vor der teuren Testproduktion virtuell entstehen lassen. Die Designer konnten sich ihre Entwürfe dann in 3D, auf der Straße oder mitten in einem Naturszenario, bei Sonnenschein oder Regenwetter anschauen. Klein war von seinen Umsetzungen überzeugt. Die Designer dagegen überhaupt nicht. "Eine Lackdesignerin sagte mir: Das ist nicht mein Material", berichtet Klein. Sie habe kleinste Abweichungen in der Farbe gesehen. "Die Produktexperten bemerken Fehler, die vorher nicht einmal durch Messgeräte aufgefallen sind."

Aber das ist nicht das einzige Problem: Um eine perfekte Illusion zu kreieren, müsste es dem Betrachter möglich sein, spontan jeden Blickwinkel auf das Objekt wählen zu können. Aber die erforderlichen Daten können nicht schnell genug generiert werden. In einem Experiment hat der amerikanische Forscher Michael McGuigan hat den Supercomputer Blue Gene/L des Brookhaven National Laboratory in New York, eine fotorealistische virtuelle Umgebung berechnen lassen und die Zeit gestoppt. Obwohl der Blue Gene/ L ist mit einer Rechenkraft von 2000 Prozessoren derzeit einer der stärksten Computer der Welt ist, brauchte er für die notwendigen Renderprozesse Stunden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie virtuelle Grafiken das Kinoerlebnis der Zukunft verändern werden.

McGuigan schätzt, dass erst weiterentwickelte Supercomputer solche Abbildungen zeitnah erstellen können. Doch dafür müsste die Geschwindkeit von Prozessoren stark erhöht werden und die Leistung 1000 Teraflop übersteigen. Zum Vergleich, der Blue Gene/L kann derzeit eine Rechenleistung von 103 Teraflops bieten. Zudem müsste eine Software entwickelt werden, die Bilder in Echtzeit mit einer Wiederholungsfrequenz von 30 Bildern pro Sekunde rendern könnte.

Revolution der Film- und Fernsehindustrie

Diese neuen Techniken werden die Film- und Fernsehindustrie revolutionieren, folgert der deutsche Forscher Reinhard Klein. "Es wird bald keine Kinofilme mehr geben", sagt er. Am Bildschirm eines Computers, der Szenarien in Echtzeit generieren können, kann der Zuschauer sich seine gewünschte Perspektive auf die Filmhandlung aussuchen. "Fußballstadion werden mit hunderten Kameras ausgestattet werden und der Zuschauer zuhause kann sich seinen Blickwinkel selbst am Computer errechnen lassen", beschreibt Klein die Fernsehzukunft.

Aber Szenarien wie im Film Matrix dargestellt, in denen Menschen in einer täuschend echten virtuellen Welt verschwinden, werde es laut Klein nicht geben. "Wir müssen uns fragen, ob wir die Realität wirklich so echt nachbilden wollen? Oder wollen wir sie nicht angenehmer gestalten?", fragt Klein. Virtuelle Rollenspiele wie Second Life würden daher auch nicht dem Anspruch erfüllen wollen, absolut wirklichkeitsecht zu sein, sondern vielmehr einen Zugang zu einer angenehmen Illusion versprechen.

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