Urheberrecht:Künstliche Klagelieder

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Künstler wie DJ Ötzi und Til Schweiger wenden sich mit einem offenen Brief an Kanzlerin Merkel. Sie soll den Schutz des geistigen Eigentums zur "Chefsache" machen. Als Übeltäter haben sie das Internet ausgemacht.

Mirjam Hauck

Der Bundesverband Musikindustrie hat sich dem Kampf gegen illegale Downloads verschrieben. Mit eigens beauftragten Rechtsanwälten ging man in der jüngsten Zeit massiv gegen Filesharer vor, die sich kostenlose Musikdateien illegal aus dem Netz holten. Per Strafanzeige beschäftigten sie Staatsanwaltschaften im gesamten Bundesgebiet, um an die privaten Daten der Tauchbörsennutzer zu kommen. Die sich anschließenden Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen beliefen sich häufig auf mehrere tausend Euro.

DJ Ötzi: Mitunterzeichner des offenen Briefs der Musikindustrie. (Foto: Foto: Universal)

Diesem Treiben hat der Bundestag Anfang April ein Ende gesetzt, als er das Gesetz zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte verabschiedet hat. Das Gesetz begrenzt die Abmahngebühr für erste und einfachste Urheberrechtsverletzungen auf 100 Euro, zudem regelt es den Auskunftsanspruch gegenüber Dritten, die nicht an Urheberechtsverletzungen beteiligt sind. Das heißt, das Staatsanwälte für diese Fälle nicht mehr zuständig sind. Richter müssen jetzt entscheiden, ob ein Internetprovider Namen und Adressen tatsächlich herausgeben muss. Gegen diese Bestimmungen waren die Lobbyisten der Musikindustrie Sturm gelaufen.

Das Gesetz ist beschlossen, doch Aufgeben ist nicht die Sache des Bundesverbandes Musikindustrie, der nach eigenen Angaben 400 Labels und damit 90 Prozent des deutschen Marktes vertritt. In einem offenen Brief, der heute als ganzseitige Anzeige in der tageszeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung erschienen ist, fordern sie Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, das Thema geistiges Eigentum zur Chefsache zu machen.

"Als Komponisten und Musiker, Schriftsteller und Verleger, als Schauspieler und Filmemacher begrüßen wir es sehr, dass mit diesem Tag das Bewusstsein für den Wert geistigen Eigentums gestärkt werden soll. Denn leider müssen wir täglich mit ansehen, wie das Recht auf einen angemessenen Schutz unserer Werke missachtet wird", schreibt der Verband.

Provider als Profiteure

Den Schuldigen hat die Musikindustrie auch bereits identifiziert. In fetten Lettern heißt es weiter: "Vor allem im Internet werden Musik, Filme oder Hörbücher millionenfach unrechtmäßig angeboten und heruntergeladen, ohne dass die Kreativen, die hinter diesen Produkten stehen, dafür eine faire Entlohnung erhalten." Allein in Deutschland seien im vergangenen Jahr über 300 Millionen Musikstücke illegal aus dem Internet heruntergeladen worden, heißt es weiter. Dies seien zehnmal mehr, als legal verkauft worden seien.

Mehrere Millionen Menschen würden sich regelmäßig aus "Internet-Tauschbörsen und anderen illegalen Quellen" im Netz bedienen. "Und obwohl damit nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Allgemeinheit durch Steuerausfälle und Arbeitsplatzverluste geschädigt werden, schaut der Staat bisher nahezu unbeteiligt zu."

Profiteure dieses illegalen Treibens, so die Verfasser, sei die "milliardenschwere Telekommunikationsindustrie", die sich aber beim Schutz geistigen Eigentums der Verantwortung verweigere. Denn allein 70 Prozent des Internetverkehrs in Deutschland entfielen auf "die - leider meist illegale - Tauschbörsennutzung".

Auf der nächsten Seite lesen Sie, wer den Brief unterzeichnet hat.

Vorbildlich sei dagegen die Situation in Großbritannien und Frankreich. "Dort sind Internetprovider sowie die Musik- und Filmindustrie aufgefordert, unter staatlicher Aufsicht Verfahren zum fairen Ausgleich zu entwickeln."

Unterzeichnet haben den offenen Briefs unter anderem die Musiker 2raumwohnung, BAP, DJ Ötzi, Herbert Gönemeyer, Monrose, Rosenstolz, Tokio Hotel und Udo Lindenberg, Regisseure und Schauspieler wie Fatih Akin, Detlev Buck, Bernd Eichinger, Sönke Wortmann und Til Schweiger. Auch die Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz und der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder unterstützen das Anliegen.

Doch längst nicht alle Kulturschaffenden schließen sich der Auffassung "Internet kills Music" an. Tito Larriva, Sänger der Band Tito & Tarantula, glaubt nicht, dass das Internet dem Musikgeschäft schadet. In einem Interview sagte er kürzlich: "Natürlich will ich was verdienen, ich will nicht meine Musik für nichts weggeben. Wenn sie sie sich aber kostenlos besorgen und hundert Freunde darauf bringen, dann kommt es auch irgendwann zurück. Wir verkaufen interessanterweise jetzt mehr CDs bei Konzerten. Erst hören sie die Musik auf ihren Dingern und kommen ins Konzert, und dann wollen sie von dem Konzert etwas mit nach Hause nehmen. Da stellt sich irgendwie eine Balance ein."

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