Suche nach Kinderschändern im Netz:Der Reporter als Rasterfahnder

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Wie der Journalist und frühere Hacker Kevin Poulsen unter Nutzern einer Online-Community mit einem selbstgeschriebenen Programm potenzielle Kinderschänder herausfand.

Markus Schulte von Drach und Helmut Martin-Jung

Millionen hinterlegen auf Internet-Angeboten wie MySpace.com Profile mit durchaus persönlichen Angaben. Zwar behaupten die Betreiber, diese würden sich nicht ausschlachten lassen, aber das dürfte nun Geschichte sein: Kevin Poulsen, seines Zeichens ehemaliger Hacker und jetzt leitender Redakteur beim Kultmagazin Wired, hat auf ungewöhnliche Weise dem Journalismus neue Wege gewiesen, aber auch dem Portal gezeigt, wo der Hammer hängt: Er schrieb ein kleines Programm, um Einträge auf MySpace nach bekannten Kinderschändern durchkämmen. Und wurde tatsächlich fündig.

Eltern können nicht immer kontrollieren, was ihre Kinder am PC tun und was sie in Internet-Communities von sich preisgeben. (Foto: Foto: ddp)

Poulsen schreibt seit einiger Zeit regelmäßig über das Community-Portal MySpace. Wie er jetzt im Computer-Magazin Wired berichtet, ist es ihm gelungen, mit Hilfe eines Skripts in der Programmiersprache Perl einem Sexualstraftäter auf die Spur zu kommen, der als MySpace-Mitglied möglicherweise seine nächste Tat vorbereitet hat.

Poulsen hatte dazu nichts anderes getan, als Informationen aus einer Datenbank der US-Bundesstaaten mit Informationen über 385.932 Sexualstraftäter mit Namen von Nutzern der MySpace-Community zu vergleichen.

Obwohl dies laut MySpace eigentlich nicht möglich sein soll, gelang es Poulsen, etwa die Namen von etwa einem Drittel der mehr als eine Million MySpace-Mitglieder auszuwerten - mit Erfolg.

Insgesamt 744 Namen und Profile von Personen, die auch in der Sexualstraftäter-Datenbank zu finden sind, tauchten bei MySpace auf, davon waren 497 als Pädophile oder wegen Kindesmissbrauch in die Kartei der US-Behörden aufgenommen worden.

Einer der Sexualstraftäter, ein 39jähriger Vater von fünf Kindern, wurde aufgrund der Recherchen Poulsens sogar festgenommen.

Andrew L. hatte bereits in den 80er Jahren mehrmals Bewährungsstrafen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern erhalten. 1995, so Poulsen in Wired, musste er für mehrere Jahre ins Gefängnis: Er hatte zwei neun und elf Jahre alte Jungen missbraucht.

Nach neun Jahren Haft - er hatte die volle Strafe abgesessen - kam L. im September 2004 wieder frei. Und von November 2005 an suchte er offenbar neue Freunde bei MySpace. Wie Poulsen herausfand, nahm er dabei unter anderem Kontakt zu einem vierzehnjährigen homosexuellen Jungen auf, der sich allerdings als 16Jähriger ausgab - und dem L. den Spitznamen "Sex-Spielzeug" gab.

Pech für den Sexualstraftäter war, dass Poulsen ihm auf die Spur kam - und herausfand, dass L. mit insgesamt sieben Teenagern Kontakt aufgenommen hatte. Der Ex-Hacker wandte sich daraufhin an Beamte einer Spezialeinheit der Polizei zur Bekämpfung von Computerkriminalität.

Einer der Polizisten begann, ebenfalls mit dem Kinderschänder zu chatten, wobei er sich als 14Jähriger ausgab. Schließlich wurde L. festgenommen.

Der Vorwurf gegen ihn lautet: Gefährdung des Wohlergehens eines Kindes. Mehr ist nicht möglich, da es in New York nicht strafbar ist, Minderjährigen online Sex anzubieten, solange der Täter nicht mit eindeutigen Bildern lockt, schreibt Poulsen. Ihm drohten nicht mehr als 90 Tage Haft.

In den Augen mancher besorgter Beobachter von Plattformen wie MySpace dürfte der Fall ein Beispiel für die Gefährdung Jugendlicher durch das Internet darstellen. Poulsen selbst geht allerdings nicht so weit.

Zwar könnte - und müsste - MySpace mehr tun, um die Jugendlichen zu schützen - etwa indem die Inhalte auf eindeutige Begriffe überprüft werden, fordert Poulsen. Schließlich war ihm auch gelungen, was die Betreiber der Community für unmöglich gehalten hatten.

Und: "Wir können uns nicht auf die Aufsicht der Eltern verlassen", warnt Poulsen. Schließlich werden sich Teenager kaum in Räumen austauschen, die von ihren Müttern und Vätern überwacht werden.

Auf der anderen Seite bieten die Communities Jugendlichen, die zum Beispiel wegen ihrer Homosexualität Probleme haben, die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen darüber auszutauschen.

Mit seinem spektakulären Coup hat Pulsen einerseits gezeigt, dass die Inhalte von Communities sich durchaus dazu eignen können, sie für eine Art von Rasterfahndung zu nutzen. Auf der anderen Seite hat er aber auch deutlich gemacht, wie Journalisten, die das Medium beherrschen, diese Fähigkeiten zur Recherche einsetzen können.

Es ist davon auszugehen, dass Sexualstraftäter in Zukunft vermeiden werden, in Online-Communities wie MySpace ihre wahre Identität bekannt zu geben. Und klar ist auch, dass in der Eltern-Generation die Datenschutz-Debatte neue Nahrung erhalten wird. Unter Jugendlichen spielen in der Diskussion die Gefahren, die durch Daten-Anhäufung entstehen können, bis dato allerdings kaum eine Rolle.

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