Sicherheit im World Wide Web:Googles Gewissen

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Der Suchmaschinen-Gigant sorgt sich plötzlich um Datenschutz und rennt damit offene Türen ein - Experten fordern schon lange weltweit verbindliche Sicherheitsstandards im Internet.

Bernd Graff

Ist es Einsicht oder ist es Reue? Ausgerechnet Google, der umstrittene Suchmaschinen-Gigant, sorgt sich nun öffentlich um Datenschutz und das Recht der Verbraucher auf Privatsphäre.

Mit der Forderung nach weltweiten Sicherheitsstandards im Internet rennt Google offene Türen ein. (Foto: Foto: AP)

Auf einer Konferenz der UN-Kulturorganisation Unesco in Straßburg äußerte sich der Google-Manager Peter Fleischer zum Thema "Internet-Ethik". Und er warf nicht etwa ein laues Argument unter viele, sondern Fleischer zeichnete ein drastisches Bild von der aktuellen Gefährdung der Internetnutzer.

Die Standards sind oft ein Vierteljahrhundert alt

Drei Viertel aller Länder hätten noch überhaupt keine Datenschutzregeln. Und die Länder, die so etwas hätten, gäben sich zufrieden mit Uralt-Standards. Sie seien oft ein Vierteljahrhundert alt, stammten also aus einer Zeit, als global vernetzte Computer und die Möglichkeit zu schier unbegrenzter Speicherung von riesigen Datenmengen noch kaum denkbar gewesen wären.

Darum rennt Fleischer mit seinem Appell zu weltweit verbindlichen Standards beim Datenschutz im Internet offene Türen ein. Experten fordern seit langem solche Standards - und mit steigender Internetnutzung benötigt man sie dringender denn je. Denn jeder Surfer hinterlässt individuelle Spuren im Netz - seine Aktionen sind identifizierbar. Und sie bleiben es.

Mitunter weiß er aber nicht einmal, dass die Server, die er im Netz ansteuert, oftmals unbemerkt Nutzer-Profile erstellen und Surfverhalten protokollieren. Google etwa ist wiederholt in die Kritik geraten, weil die Suchmaschine bei Anfragen ohne Wissen der Nutzer deren Infos speicherte - geplant für die Dauer von Jahrzehnten. Erst im Sommer reduzierte Google die Speicherzeit der Daten nach heftiger Kritik der EU-Datenschützer auf 18 Monate.

Auch andere Google-Dienste erregen die Gemüter. Seit seiner Eröffnung mit Argwohn beäugt wird etwa Google Maps und der Google-eigene E-Mail-Service Gmail, der den Nutzern Platz für die dauerhafte Speicherung privater E-Mails anbietet - auf den Servern von Google.

Die schnurrende Katze im Wohnzimmer als Internet-Star

Wer garantiert, dass der Betreiber sich für alle Zeit korrekt verhält und damit für immer verantwortlich umgeht? Vor wenigen Tagen wandte sich die kanadische Datenschutzbeauftragte Jennifer Stoddart in einem offenen Brief an Google. Darin hielt sie fest, dass das Street-View-Feature von Google Maps - der erst kürzlich in den USA vorgestellte virtuelle Zoomflug durch beliebige reale Straßenschluchten - wohl gegen gültiges kanadisches Recht verstoße.

Denn das Kartenmaterial ermöglicht, dass der Zoomflieger wohl auch in die Häuser der Anwohner blicken kann. So musste etwa die verdutzte Mary Kalin-Casey aus dem kalifornischen Oakland im Juni feststellen, dass ihre im Wohnzimmer schnurrende Katze Monty nun weltweit für jeden abrufbar war.

Google-Manager Fleischer wird also sicher Zustimmung bekommen für seine Aussage, dass "der Mangel an Datenschutzstandards den Verbrauchern" schade und "zum effektiven Verlust des Schutzes der Privatsphäre" führe. Allerdings treibt den Manager nicht nur Sorge um die Internetsurfer. Er fürchtet auch um das Wachstum der Wirtschaft: "Woher weiß ein Unternehmen, insbesondere wenn es weltweit tätig ist, welche Datenschutzstandards auf den vielen verschiedenen Märkten gelten?"

Und wenn die Firmenmanager das nicht wissen, kann der Konzern auch deshalb nicht wachsen, weil sie sich mit Datenschutzbeauftragten herumschlagen müssen. Man darf wohl annehmen, dass das Google-Gewissen diese Feststellung auch pro domo getroffen hat.

© SZ vom 14.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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