Schnitzeljagd mit GPS:Das X markiert die Stelle

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Überall auf der Welt warten kleine Schätze darauf, gehoben zu werden. Hinweise auf die Lage der sogenannten Caches gibt's im Internet. Mit einem GPS-Empfänger kann man dann auf die Jagd gehen.

Oliver Bosch

Misstrauisch verfolgte das Sicherheitspersonal des Hamburger Flughafens das Treiben einer Familie auf dem Flughafengelände. "Mit irgendeinem Gerät in der Hand", wie es später im Bericht vermerkt wurde, hastete der Tross aufgeregt über das Terrain.

(Foto: Foto: iStockPhoto)

Terroristen? Gangster? Weder noch. Ohne Blutvergießen klärte sich schnell die scheinbar brenzlige Situation. Es handelte sich nicht um einen Akt mit terroristischem Hintergrund, sondern um "Geocaching". So nennt sich die digitale Schatzsuchvariante per Navigationssystem. Mit modernsten Mitteln begeben sich Geocacher auf die Suche nach vesteckten "Kostbarkeiten", sogenannte Caches.

Diese sind von Mitspielern über dem gesamten Globus in Plastikdosen oder kleinen Kistchen versteckt worden. Die genaue Lage verraten GPS-Koordinaten im Internet. In Deutschland bietet diese die Deutsche Wanderjugend an. International richtungsweisend sind die Angebote geocaching.com und navicache.com. National schlummern über 25.000 Schatzkisten in ihren Verstecken, weltweit sollen es über 300.000 sein.

Spaß am Suchen

Ausgangspunkt der Hatz ist immer der heimische PC. Ausgestattet mit GPS-Empfänger oder modernem, GPS-tauglichem Handy, gehen Heinrich Schliemanns Erben auf die Suche. Einfach die im Internet zur Verfügung gestellten Daten ins Gerät eingeben, schon berechnen die digitalen Helfer die eigene Position und geben die Marschroute vor. Die kann schon mal durch Wald und Wiesen führen - oder es ist noch komplizierter.

Manche Caches sind nur mit Spezialausrüstung wie Bergsteiger- oder Tauchequipment zu erreichen. Cacheverstecke gibt es in verschiedenen Schwierigkeitsarten. Bei einfachen Caches kommen Suchende ohne große Probleme ans Ziel. Schwieriger wird es bei Multi-Caches. Im Internet gibt es nur die Koordinaten des ersten Wegpunktes. Dort angelangt, liefert das Lösen einiger Rätsel die weiteren Daten. Knifflige Kopfarbeit versprechen Mystery-Caches. Erst wenn Hobbyarchäologen knackige Aufgaben meistern, kommen sie ans Ziel. Manchmal müssen diese schon im Vorfeld geleistet werden.

Bei der Schnitzeljagd 2.0 geht es nicht um Geld oder Pretiosen. Versteckt wird allerlei Krimskrams wie Plastikfiguren oder Schlüsselanhänger zusammen mit einem Logbuch, in dem sich die Finder eintragen dürfen. Die "Beute" wird nicht gesichert, sondern für den nächsten erfolgreichen GPS-Sucher zurückgelassen. Es dreht sich vielmehr um den Spaß am Suchen, die Bewegung im Freien, das Lösen von Rätseln und das Aufspüren von möglichst vielen Caches.

Rätseln, überlegen, planen

Deutschlands erfolgreichster Schnitzeljäger ist "Blinky Bill". Annähernd 1200 Schatztruhen hat er bereits gehoben, sich ins Logbuch eingetragen und wieder für weitere Abenteurer versteckt. Damit führt er mit großem Vorsprung die Liste der erfolgreichsten Cachejäger Deutschlands an.

Auch TV-Comedian Bernhard Hoecker hat sich dem spannenden Hobby verschrieben. Regelmäßig schlägt sich der Spaßmacher durchs Unterholz. Immer das Display seines Navigationsgeräts und den vermeintlichen Schatz vor Augen. Seine Erlebnisse hat er im Buch "Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers" zusammengefasst. Jede freie Minute frönt der Fernsehstar seinem außergewöhnlichem Hobby, das ihn sogar schon in die Schweiz und nach Mallorca geführt hat.

Den Reiz des Spiels beschreibt er so: "Das Rätseln, überlegen und planen. Und am Schluss habe ich dann auch noch ein Erfolgserlebnis. Ich komme so an Orte, die sonst nicht auf meinem Weg liegen, das kann spannend sein, muss es aber leider nicht zwangsläufig immer sein."

Erfunden hat die digitale Schnitzeljagd der US-Amerikaner Dave Ulmer. Am 3. Mai 2000 vergrub er einen Pott mit allerlei unnützen Dingen in den Wäldern von Portland, Oregon. Die Position des Versteckes verriet er in einem Posting in der Newsgroup sci.geo.satellite-nav. Binnen eines Tages wurde das Behältnis gefunden.

Auf zehn Meter genau

Innerhalb weniger Tage folgten weitere Fans Daves Beispiel und legten Verstecke in Kansas, Kalifornien und Illinois an. Geocaching war geboren. Voraussetzung für den Erfolg war eine Entscheidung des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton. Der mächtigste Mann der Welt verfügte Anfang Mai 2000, dass die als "Selektive Verfügbarkeit" bezeichnete Verschlüsselung der GPS-Satellitensignale eingestellt würde.

Das GPS (Global Positioning System) wurde seinerzeit vom US-Verteidigungsministerium für militärische Zwecke entwickelt. Die Militärs konnten mit Hilfe des Satellitensystems Positionen mit einer Genauigkeit von etwa zehn Metern bestimmen. Zivilisten nutzte das wegen der Verschlüsselung wenig. Für sie spuckten die Wegweiser nur eine Genauigkeit von etwa 100 Metern aus. Dave Ulmer feierte die Abschaffung der Codierung auf originelle Weise und löste so den bis heute andauernden Boom aus.

Nur auf eines sollten Geocacher achten: Bei der Auswahl von Verstecken bedacht zu agieren. Flughäfen und Bahnhöfe sollten tunlichst vermieden werden. Beobachter könnten sonst auf die Idee kommen, Alarm zu schlagen.

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