Neuheiten auf der IFA:Cyber auf dem Sofa

Lesezeit: 3 min

E-Mails checken über den Fernseher: IT-Hersteller hoffen immer noch auf den großen Einstieg im Markt für Unterhaltungsgeräte - geben sich dieses Jahr aber bescheidener.

Th. Riedl

Berlin - Die Zukunft ruckelt und hakt. Das TV-Gerät, auf dem Intel-Manager Henning Eid bei der IFA die neuesten Entwicklungen des Chipherstellers zeigen will, gehorcht einfach nicht den Befehlen der Fernbedienung. "Jetzt hängt die Box", entschuldigt sich der Intel-Zuständige für neue Technologien bei der Vorführung. Gelangt so ein Problem, das die Verbraucher vom Computer gewohnt sind, auf den Fernsehapparat?

Fernsehen im heimischen Wohnzimmer. Auch IT-Hersteller wollen auf diesem Markt mitverdienen. (Foto: Foto: ap)

Fernseher mit Intel-Chips

Schöne, neue Unterhaltungswelt. So weit aber wird es hoffentlich nicht kommen. Denn Eid zeigt erstmal nur TV-Prototypen mit Intel-Chips. Die fertigen Geräte sollen ohne Tadel funktionieren - und leicht verständlich. Auf diese Weise hoffen Konzerne aus der Informationstechnologie (IT) ihren Teil vom Milliardenmarkt Unterhaltungselektronik zu bekommen: Die Attacke der Computerfirmen auf das heimische Sofa geht in die nächste Runde.

Die Funkausstellung IFA in Berlin war ursprünglich Firmen aus der Unterhaltungselektronik vorbehalten. Doch seitdem Musik und Videos bei den Verbrauchern in digitaler Form auf den Festplatten der Computer lagern, wittern IT-Unternehmen ihre Chance. Allein den Bedarf an Halbleitertechnik im Wohnzimmer schätzt Intel in zwei Jahren auf zehn Milliarden Dollar.

"Der Markt für Unterhaltungselektronik ist ein riesiges Thema", erklärt Dietmar Rohlf, zuständig für neue Geschäftsfelder bei Intel. So haben in diesem Jahr IT-Konzerne wie IBM und Cisco kleine Stände auf der IFA gemietet, Intel und Microsoft halten am Rande der Funkausstellung Pressekonferenzen in Berliner Szene-Treffs ab.

"Willkommen im digitalen Wohnzimmer"

Die Idee vom Einzug der IT auf den Fernseher ist so neu nicht. Chiphersteller Intel hatte vor vier Jahren sogar einen eigenen Stand in Berlin. "Willkommen im digitalen Wohnzimmer", hieß es damals. Ulrike Tegtmeier erinnert sich noch weiter zurück: "Ende der 80er Jahre schon habe ich auf dem Stand von Philips das vernetze Zuhause gezeigt."

In einer vielbeachteten Demonstration stellte der Unterhaltungselektronik-Konzern damals einen TV-Apparat vor, auf dem der Zuschauer sehen konnte, welche Lebensmittel noch im Kühlschrank standen. "Wir haben gedacht, wir wären noch fünf Jahre von dieser Zukunft entfernt." Bis heute allerdings haben es solche Technologien nicht ins Wohnzimmer geschafft.

Lesen Sie auf Seite 2 über die Zukunft des vernetzten Zuhauses.

IFA 2009
:Zur scharfen Maus

Scharfe Mäuse und viel mehr: Neben den Vorzeigeprodukten der Unterhaltungs- und Kommunikationsbranche sind auf der IFA auch Skurrilitäten zu bestaunen. Die Bilder.

Tegtmeier arbeitet seit vergangenem Jahr nun für den Netzausrüster Cisco und verantwortet dort das europäische Geschäft mit Unterhaltungselektronik. Noch immer verfolgt sie der Traum vom vernetzten Zuhause. "Früher war die Technik schon bereit. Aber der Mensch war nicht weit genug", erklärt sie, warum der Durchbruch dieses Mal wirklich bevorsteht. Durch Digitalkameras oder MP3-Musikspieler sei inzwischen "das Leben der Menschen in einem Maße digitalisiert, dass sie jetzt bereit sind, die Idee von der Vernetzung anzunehmen".

Ein Stück vom Milliardenmarkt

Cisco hofft so künftig auf sein Stück vom Milliardenmarkt - auf ein ziemlich großes: Der Konzern will die Infrastruktur fürs digitale Heim liefern, vom Zugangspunkt zum Internet bis zum Speichergerät für Lieder und Filme, auf das über den Fernseher zugegriffen werden kann. Cisco-Chef John Chambers will in fünf Jahren ein Viertel des Konzernumsatzes mit solchen Produkten für den Verbraucher erwirtschaften. Das wären auf Basis des jüngsten Jahresergebnisses immerhin zehn Milliarden Dollar.

IBM erlöst bereits mehr als vier Milliarden Dollar mit dem Bereich, in dem das Geschäft mit Unterhaltungselektronik bilanziert wird. Allerdings verbucht Spartenchef Bruce A. Anderson hierunter auch andere Geschäfte wie den Halbleiterbereich oder den Verkauf von medizinischen Geräten. Er verfolgt eine andere Strategie als Cisco. Im Wohnzimmer sollen keine Produkte mit dem Logo von Big Blue stehen - dafür aber Apparate, auf denen die Dienstleistungen des zweitgrößten Konzerns der IT-Industrie zu nutzen sind.

Youtube im Fernsehen

So gibt es von Philips beispielsweise bereits einen Fernseher mit Internetzugang: Vom Filmportal Youtube über das lokale Wetter bis hin zum Online-Zugang zur eigenen Bank kann der Nutzer hier bequem von der Couch im Internet surfen. "Einige Dienste sind gratis, andere kosten", erklärt Anderson. Und alle Angebote stellt IBM in seinen Rechenzentren für das Publikum mit Philips-Gerät bereit. Das Signet von IBM allerdings ist nirgendwo zu sehen. "Die IT arbeitet im Hintergrund", sagt er.

Ähnlich sieht das Vorgehen von Intel nun aus. Der Chiphersteller drängt nicht mehr agressiv in den Markt. Eine mit viel Aufwand gestartete Chip-Modellreihe namens Viiv für Internet-Fernseher stellte die Firma zwischenzeitlich ein. Nun sollen die Chips des Konzerns unter anderem Namen mit weniger Tamtam in die Geräte Einzug halten. Auf Fernsehern mit Intel-Chips werden ähnlich wie bei IBM verschiedene Internet-Services möglich sein. "Der Zugang zum Netz verändert die Spielregeln komplett", erklärt Bill Leszinske, Chef der Sparte Digitales Zuhaue bei Intel. So hofft der Chipkonzern auf eine neue Chance vor der Couch.

© SZ vom 8.9.2009/jug/jb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: