Neues Datenschutzgesetz:"Appelle an die Verbraucher sind falsch"

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Das neue Datenschutzgesetz soll Missbrauch verhindern. Verbraucherschützer Christian Thorun über Fallstricke der Werbung und Fehler der Politik.

Mirjam Hauck

sueddeutsche.de: Herr Thorun, das Bundeskabinett hat heute einen Gesetzentwurf mit Verbesserungen im Datenschutz verabschiedet. Ist der Entwurf gelungen?

Bei den jüngsten Skandalen wurden Millionen Bankdaten illegal angeboten. (Foto: Foto: dpa)

Christian Thorun: Entscheidend ist, dass Verbraucher zukünftig besser steuern können, wer ihre Daten für Werbung und Marketing verwenden darf. Dies wird dadurch erreicht, das sogenannte Listenprivileg wegfällt. Es besagte, dass Unternehmen Daten wie Adressen, Geburtsjahr und eine weitere beliebige Information zur Person - wie beispielsweise Premiumkunde oder Schnäppchenjäger - weitergeben dürfen. Als das Gesetz in den 70er Jahren gemacht wurde, hat man noch von einfachen Listen gedacht. Heute weiß man, dass sich so ganz einfach umfangreiche Persönlichkeitsprofile erstellen lassen.

Ein weiterer wichtiger und richtiger Punkt ist die Einführung des Opt-in-Verfahrens. Das heißt, Verbraucher müssen zukünftig explizit einwilligen, dass ihre persönlichen Daten für Werbezwecke verwendet werden können. Es wird dann nicht mehr möglich sein, dass Unternehmen Verbrauchern Einwilligungsklauseln unterjubeln, in denen die Einwilligung schon vorausgesetzt wird und Verbraucher in der Pflicht stehen, diese durchzustreichen.

sueddeutsche.de: Gerade im Internet ist es ja häufig so, dass man manche Dienste erst nutzen kann, wenn man ankreuzt, dass man der Weitergabe der Daten für Werbe- und Marketingzwecke zustimmt.

Thorun: Ja, deshalb muss es auch ein Koppelungsverbot geben, so dass man beispielsweise bei Ebay mitsteigern kann ohne zustimmen zu müssen, dass die persönlichen Daten für Werbung und Marketing genutzt werden. Hier ist der Gesetzgeber leider nicht weit genug gegangen. Wir werden daher im parlamentarischen Verfahren auf ein generelles Koppelungsverbot drängen.

sueddeutsche.de: Häufig wird Verbrauchern vorgeworfen, sie seien zu unvorsichtig und gingen viel zu leichtfertig mit ihren Daten um. Sehen Sie das auch so?

Thorun: Hier geht es nicht um Einträge in Social Communitys. Bei den jüngst bekannt gewordenen Skandalen wurden beispielsweise Millionen Kontonummern von Bürgern weiterverkauft. Das sind aber nun mal Daten, die man bei jeder Geschäftsbeziehung angeben muss. Deshalb halte ich den Appell an die Verbraucher für falsch. Es geht vor allem darum, die unlauteren Maßnahmen in der Privatwirtschaft einzudämmen.

sueddeutsche.de: Einige Politiker wie der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz fordern angesichts der jüngsten Skandale sogar eine Datenschutzpolizei. Ist das sinnvoll?

Thorun: Ja, die Idee geht in die richtige Richtung. Der Datenschutz ist ein kompliziertes Rechtsgebiet, für das es Spezialisten braucht. Und leider kommt es zurzeit noch vor, dass Staatsanwaltschaften Missständen nicht mit gebührendem Nachdruck nachgehen. Zudem müssen die Datenschutzbehörden personell viel besser ausgestattet werden und Verbraucherverbände das Recht erhalten, ihre kollektiven Klagerechte auch im Bereich des Datenschutzes anzuwenden. Die Unternehmen müssen spüren, dass es etwas kostet, gegen Datenschutzrecht zu verstoßen.

sueddeutsche.de: Gegen das neue Gesetz regt sich Widerstand. Vor allem die Zeitschriftenverleger und die Direktmarketingbranche wehren sich gegen diese geforderte Einwilligung der Kunden.

Thorun: Das neue Gesetz soll den Adresshandel erschweren und will nicht die Werbung gänzlich verbieten. Deshalb verstehe ich zum Beispiel nicht, warum sich die Zeitschriftenverleger so massiv gegen die Pläne der Bundesregierung wehren. Wenn nicht mehr so viele persönlich adressierte Werbebriefe versandt werden können, müssen die Unternehmen doch wieder mehr Anzeigen schalten.

sueddeutsche.de: Die Datenmissbrauchsfälle werden häufig dadurch aufgedeckt, dass kriminelle Mitarbeiter die profitable Gelegenheit nutzen und die gesammelten Daten weiterverkaufen. Ein Gesetz kann dass doch auch in Zukunft nicht verhindern.

Thorun: Deshalb muss es auch zusätzlich für Unternehmen wie Callcenter bestimmte Regeln geben. Computer, an denen Kundendaten weiterverarbeitet werden, dürfen zum Beispiel nicht über eine USB-Schnittstelle oder ein CD-Laufwerk verfügen. Dann können die Mitarbeiter nicht mehr einfach eine Kopie erstellen und somit Profit aus ihren illegalen Machenschaften ziehen.

Christian Thorun ist Datenschutzreferent des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen.

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