Musik im Netz:Generation Online als Totengräber

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Die Band "Koopa" gehört zu den Pionieren eines neuen Musikzeitalters. Die drei Bandmitglieder lehnen Plattenverträge und CD-Aufnahmen ab. Koopa-Fans laden ihre Stücke über einen digitalen Musikladen herunter - zum Schrecken der Branche.

Andreas Oldag

Sie sind der Albtraum der Musikindustrie: Die britische Rock- und Punk-Gruppe Koopa brachte jetzt ihre Single "Blag, Steal & Borrow" heraus. Der Titel kletterte im Januar in der britischen Hitliste umgehend auf Platz 31. Das Trio von Koopa hat von vornherein darauf verzichtet, ihr Stück auf eine CD aufzunehmen oder einen Plattenvertrag zu unterzeichnen. Koopa-Fans laden stattdessen die Musik über den digitalen Musikladen 7Digital für 77 Pence (1,17 Euro) herunter.

Stu Cooper, Ollie Cooper und Joe Murphy sind "Koopa". Die drei Musiker bestehen darauf, dass ihre Musik ausschließlich digital zu haben ist (Foto: Foto: Koopa)

Die Gruppe Koopa kommt aus der südenglischen Kleinstadt Colchester. Die cleveren Jung-Stars sind die Pioniere eines neuen Musikzeitalters, in der die traditionelle Compact Disc keinen Platz mehr hat. Schon fast als Menetekel muss deshalb die Einschätzung des früheren Chefs der Musiksparte von EMI, Alain Levy, gelten, der in einem Vortrag an der renommierten London Business School kurz und knapp bemerkte: "Die CD in ihrer jetzigen Form ist tot." Doch längst geht es nicht mehr nur um Produkte. Mittlerweile wird in der Branche sogar die bange Frage gestellt, ob die Musikindustrie in ihrer derzeitigen Struktur überleben kann.

Die Krise hat den britischen Musikkonzern EMI erfasst, der jetzt mit einer Umsatz- und Gewinnwarnung die Anleger schockierte. Vor allem in den USA läuft das Geschäft miserabel. Das Ergebnis für das Ende März auslaufende Geschäftsjahr 2006/07 liege "signifikant" unter den aktuellen Markterwartungen, heißt es in der Londoner Konzernzentrale.

Der Umsatz der Sparte "Recorded Music" werde etwa 15 Prozent unter Vorjahr liegen. Der Konzern, der Stars wie Norah Jones, Kylie Minogue und Robbie Williams unter Vertrag hat, hatte bereits Mitte Januar nach einem enttäuschenden Weihnachtsgeschäft die Chefs der Musiksparte entlassen und ein neues Sparprogramm angekündigt. Es soll bis zu 110 Millionen Pfund (166,4 Millionen Euro) pro Jahr bringen. Die Führung des Musikbereiches übernahm Konzernchef Eric Nicoli selbst. Levy, Musikchef seit 2001, und sein Vize David Munns mussten das Unternehmen verlassen.

Die Online-Margen sind knapper

Als kleinster der vier großen internationalen Musikkonzerne (nach Sony BMG, Warner Music Group und Universal Music) hat EMI stärker als seine Konkurrenten mit dem Marktumbruch zu kämpfen. Die iTunes-, Myspace- und Youtube-Generation verschmäht den Kauf von CDs - bislang das Brot- und Butter-Geschäft von EMI.

Im Gegensatz zu EMI hat sich die Konkurrenz nach Meinung von Analysten bereits flexibler auf das boomende Online-Geschäft eingestellt. So schloss Universal Music mit dem Softwaregiganten Microsoft eine Vereinbarung über eine Zusammenarbeit bei Microsofts neuem Music-Player Zune. Der Musikkonzern erhält ein Dollar pro heruntergeladenem Musikstück. Warner Music ist eine Allianz zur Vermarktung seiner Produkte mit Google Video und Youtube eingegangen.

Nur: Die Branche muss sich auf ohnehin knappere Margen im Online-Geschäft einstellen, um dort überhaupt einen Fuss in die Tür zu bekommen. Der CD-Verkauf könnte sich über kurz oder lang zum Nischengeschäft entwickeln. Schlechte Nachrichten auch aus dem Einzelhandel: Große Supermarktketten wie Wal-Mart und Target sind offenbar immer weniger bereit, CDs an prominenter Stelle zu platzieren. Es würden sich immer weniger Kunden für die silbernen Scheiben interessieren, sogar wenn diese zum Schnäppchenpreis angeboten werden, heißt es.

Die Branche steht vor einer Konsolidierungswelle

Die Zahlen sind für die Konzernmanager alarmierend: Nach Angaben der internationalen Branchenvereinigung "Federation of the Phonographic Industry" ging der Tonträgerumsatz im ersten Halbjahr 2006 um vier Prozent zurück - ein Trend, der sich in diesem Jahr fortsetzen wird. Zugleich konnte der Verkauf digitaler Downloads von 1,1 Milliarden Dollar im Jahr 2005 auf zwei Milliarden 2006 zulegen und macht bereits etwa zehn Prozent des Gesamtmarktes aus.

Die Endzeitstimmung in der Musikindustrie hat zu hektischen Überlegungen geführt, mit welchem Geschäftskonzept auf die Marktveränderungen reagiert werden soll. Kooperationen mit Online-Firmen sind eine Option. Zugleich hat die Branche entdeckt, dass Live-Konzerte von bekannten Künstlern die Kasse klingeln lassen. Doch all dies wird für den rapide sinkenden Absatz der CD kein Ersatz sein.

Analysten in der Londoner City erwarten, dass die Branche vor einer Konsolidierungswelle steht, einschließlich Übernahmen und Fusionen. So wird wahrscheinlich auch EMI-Konzernchef Nicoli die Partnersuche vorantreiben. Verhandlungen mit Warner Music scheiterten allerdings in den vergangenen acht Jahren bereits drei Mal.

© SZ vom 16.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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