MMS:Das Handy liefert Briefmarken

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Anbieter werben für den neuen Multimedia Messaging Service, doch die Bildchenpost kommt oft nicht richtig an.

Karlhorst Klotz

(SZ vom 21.1.2003) - Im Werbespot kommen Steffi Graf und Andre Agassi locker mit der neuen Technik klar. Sie sieht eine Art Yeti, fotografiert den Schneemenschen mit dem Handy und schickt das Bild via MMS (Multimedia Messaging Service) zu ihm. Doch so einfach ist es in der Realität wieder einmal nicht: "Nach unseren Erfahrungen treten bei etwa fünf bis zehn Prozent aller verschickten Nachrichten Probleme auf", sagt Alexander Samwer, Vorstand der Berliner Firma Jamba, die zu den unabhängigen Anbietern von MMS-Inhalten gehört. Jedes Handy-Modell sei unterschiedlich konfiguriert, zudem sorgen technische Unterschiede zwischen den Geräten dafür, dass beim Empfänger eine MMS längst nicht so ankommt, wie der Absender glaubt.

Fürs Lebensgefühl unerlässlich, sind Fotos vom Handy, redet die Industrie ihren Kunden ein. Dieses Lebensgefühl aber lässt sich nur beschnitten übertragen. (Foto: Foto: T-Mobile)

Auf der Webseite des Netzanbieters T-Mobile, für den die beiden Tennisstars werben, wird im Kleingedruckten gewarnt: "Der uneingeschränkte Versand und Empfang von MMS ist nur zwischen typenidentischen MMS-Handys möglich." Ein Grund sind die unterschiedlichen Displays der Mobiltelefone: Über MMS lassen sich derzeit Bilder mit maximal 160 x 120 Bildpunkten verschicken. Nur bis zu dieser Auflösung mit gut 19.000 Pixeln (Bildpunkten) ist so genannte "Interoperabilität" gewährleistet. Mobiltelefone mit kleineren Displays müssen die Bilder verkleinern, Ausschnitte zeigen oder ein Verschieben ("Scrolling") anbieten. Von einem in 16 Millionen Farben aufgenommenen Bild mit 300.000 Punkten, wie es etwa die Kamera des "Nokia 7650" macht, bleibt auf briefmarkengroßen 8.000-Pixel-Displays mit 256 Farben ("Siemens S 55", "Sony Ericsson T300" und "T68i") wenig übrig.

Zudem leidet dieses Gerät noch unter einer weiteren Kinderkrankheit: Es kann nur Nachrichten bis 50 Kilobyte Größe empfangen; beim Senden ist schon bei 30 Kilobyte Schluss - das reicht für ein paar Fotos zu je etwa 8 Kilobyte, nicht aber für Diashows. Beide Limits liegen unter den 100 Kilobyte, die die Mobil-Industrie für den MMS-Austausch als vorläufige Obergrenze festgelegt hat. Sogar derzeit verkaufte T68i-Modelle unterliegen noch der Größen-Beschränkung; erst von Februar an werden Geräte mit verbesserter Software verkauft, sagt Produktmanager Thomas Hamsen. Ein Software-Update für aktuelle Modelle ist nur in Servicestellen gegen Gebühr möglich. Frühestens zum Jahresende sei mit einer Do it yourself-Lösung zu rechnen.

Noch mehr Probleme als die Fotos bereiten Musik und Töne, die Bilder oder Texte begleiten können. Der Grund: "Für synthetische Sounds, also etwa Klingeltöne, gibt es noch keine Minimal-Anforderungen", sagt Anja Klein von Siemens in München. Der ursprüngliche MMS-Standard empfiehlt zur Audio-Übertragung lediglich die Formate Midi und AMR. An einer Übereinkunft, sagt Klein, werde derzeit gearbeitet. "Midi kristallisiert sich als De-facto-Standard heraus und wird bereits von einem Großteil aller Geräte unterstützt."

Manche fabrikneuen Handys fehlen allerdings in der Liste: "Das Sharp GX-10 beherrscht im Rahmen von MMS weder das eine noch das andere", bemängelt Alexander Samwer. "Wenn man Sounds im Midi-Format an solche Geräte schickt, bleiben sie stumm." Ähnlich geht es wiederum Besitzern des "T68i" von Sony Ericsson, das ebenfalls kein polyphones Midi-Format beherrscht.

Die Grenzen der Netze überwinden die MMS-Sendungen erst seit Dezember - im Prinzip und nur zwischen T-Mobile, Vodafone und O2. Das E-Plus-Netz ist dagegen immer noch MMS-Niemandsland, obwohl die Geräte des Handynetzes "I-mode" aus gleichem Hause für Multimedia-Sendungen ausgelegt sind. Der Netzbetreiber plane die Einführung des MMS-Dienstes jedoch noch im ersten Quartal dieses Jahres, sagt E-Plus-Sprecher Markus Gehmeyr. Dann soll es auch möglich sein, Multimedia-Daten in andere Handynetze zu schicken. "Unseres Erachtens wurden wichtige MMS-Spezifikationen gar nicht oder sehr spät standardisiert. Das hat zum Teil immer noch Auswirkungen auf die Interoperabilität zwischen den Netzen, die bereits MMS anbieten", sagt Gehmeyr. So würde der netzübergreifende Versand von MMS nicht immer klappen und multimediale Nachrichten - ähnlich wie vor einigen Jahren noch die reinen Textsendungen SMS - schon mal verloren gehen.

Unter fehlenden Standards mit der neuen Technik leiden auch die Anbieter von Bildnachrichten, Postkarten und ähnlichen multimedialen Informationsdiensten. "Die so genannte MM7-Schnittstelle, über die Dienstleister ihre Inhalte als MMS in die Netze einspeisen, ist noch nicht abschließend standardisiert", erklärt Gehmeyr. Die Hersteller müssen noch weitere, teure Tests machen. Das hat Folgen für die Nutzer des ohnehin kostspieligen Dienstes: "Die höheren Entwicklungskosten müssen die Anbieter an Endkunden weiterreichen", sagt Jamba-Vorstand Samwer.

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