Microsoft: Software-Chef Ozzie:"Es reicht nicht mehr"

Lesezeit: 2 min

Microsoft reagiert auf die Konkurrenz von Google und baut seinen Online-Dienst aus. Ein Gespräch mit Ray Ozzie, dem Nachfolger von Bill Gates.

Helmut Martin-Jung

Es war ein Déjà-vu-Erlebnis der besonderen Art. Als Ray Ozzie vor acht Jahren bei einer Konferenz des Software-Konzerns Microsoft als Sprecher für ein Projekt namens Hailstorm auftrat, da tat er das als Gründer einer Firma namens Groove Networks, die etwas ganz Besonderes konnte: Sie ermöglichte Firmenmitarbeitern - zum Beispiel den Mitgliedern eines Projektes - zusammen an Dokumenten zu arbeiten und diese dabei immer gegenseitig zu synchronisieren. Das gefiel dem Konzern so gut, dass Microsoft die Firma 2005 kaufte und Ozzie gleich als einen von drei Chefprogrammierern einstellte.

Ray Ozzie (Foto: Foto: Reuters)

Hailstorm hatte versprochen, quasi das gesamte digitale Leben eines Benutzers zentral zu organisieren. Es wurde ein Riesenflop, aber Ozzie, inzwischen der Nachfolger von Bill Gates als Chief Software Architect, ist sich sicher:

Die Idee war im Prinzip richtig. Bei der Professional Developers Conference in Los Angeles, die an diesem Donnerstag zu Ende geht, kündigte Ozzie einen bemerkenswerten Strategiewechsel an. Unter dem Druck von Google und anderen Online-Unternehmen steigt nun auch Microsoft massiv in das künftige Geschäft mit online nutzbaren Diensten ein, dem sogenannten Cloud Computing.

Hailstorm sei seiner Zeit voraus gewesen, "aber es steckte voller wirklich guter Ideen", sagt Ozzie im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Diesmal aber werde es funktionieren, denn man habe aus den bei Hailstorm gemachten Fehlern gelernt: "Keiner will sich doch völlig abhängig machen von einem einzigen Anbieter", sagt er.

Vielmehr werde der Konzern in Konkurrenz mit anderen Anbietern antreten und mit offenen Schnittstellen dafür sorgen, dass Benutzer an ihre Daten kommen und dass online gespeicherte Informationen automatisch und sicher untereinander abgeglichen werden können. Microsoft werde sich dann etwa mit Leistungen wie der Verlässlichkeit seiner Datenzentren bewähren müssen.

Ozzie betont, dass es vor acht Jahren noch kein Geschäftsmodell für dieses ambitionierte Projekt gegeben habe. Mit den mittlerweile eingeführten werbefinanzierte Online-Diensten sei das anders. "Die neuen webbasierten Dienste bedeuten einen entscheidenden Wandel, den jeder Programmierer berücksichtigen muss", sagt Ozzie.

"Es reicht nicht mehr, Software nur für einen PC oder nur für das Web oder nur für Handys zu schreiben." Schon in wenigen Jahren werde es kein Problem mehr sein, beim Kauf eines neuen Computers die Einstellungen und Daten des alten Rechners ohne Umstand zu sichern: "Sie kaufen ihn einfach, Sie melden sich an und plötzlich sind die Programme da, die Sie wollen, Ihre Daten sind da. Und Mobiltelefone werden sich endlich so mit Computern abgleichen, wie die Leute das erwarten."

Aus der Sicht von Unternehmen sei der Vorteil der internetbasierten Dienste, dass Firmen nicht mehr die ganze komplexe Infrastruktur aufbauen müssten mit Rechenzentren und all dem Aufwand, der dahintersteckt: "In zehn Jahren spätestens, vielleicht schon in fünf, werden wir zurückschauen und sagen: wie konnten wir früher ohne diese Dienste eigentlich leben ohne diese andere Art von großem Computer?"

Microsoft wirft mit dem neuen internetbasierten Angebot sogar sein Tafelsilber in die Waagschale. Die nächste Version des Geldbringers Office - das Programmpaket mit den Büroklassikern Word, Excel, Outlook - soll es auch in einer Online-Variante geben, die im Internet-Browser und auf Handys läuft. Während man Firmen schmackhaft machen will, so zum Beispiel Außendienstmitarbeiter einzubinden, sieht man in den abgespeckten Online-Versionen auch das Potential, sich in Märkten wie etwa Indien zu etablieren.

Ansonsten hofft Microsoft darauf, dass der große Name, den sie sich mit Programmen wie Windows und Office erworben haben, auch beim Kampf um die besten Plätze für internetbasierte Dienstleistungen hilft: "Ein lokaler Anbieter kann ja sehr gut sein, aber wir haben Systemspezialisten, die Betriebssysteme schreiben, wir bedienen Hunderte Millionen Kunden."

© SZ vom 30.10.2008/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: