Literatur:Lara Croft - Modell, Medium, Cyberheldin

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In einem Essay zügelt Astrid Deuber-Mankowsky die Begeisterung für das Computerspiel "Tomb Raider" und dessen Heldin Lara Croft.

Nils Röller

(SZ vom 22.10.2001) - Lara Croft hat ein neues Bündnis auf den Plan gerufen - das zwischen Gender Studies und Medienwissenschaft. In einem Essay zügelt Astrid Deuber-Mankowsky die Begeisterung für das Computerspiel "Tomb Raider" und dessen Heldin Lara Croft. Die Autorin referiert zunächst eine "männliche" Rezeption des Spiels, in dem man eine junge Engländerin mit überdimensionalem Busen und schwingendem Pferdeschwanz oft von hinten sieht. Männer spielen mit Lara und genießen die Wonnen eines "narzisstischen Pakts" mit der Maschine, auf der die Lara-Software läuft.

Bei Tomb Raider schauen die Männer der Heldin auf den Hintern. (Foto: N/A)

Frauen hingegen identifizieren sich mit Lara, weil sie widerspenstig ist. Die Identifikation geht soweit, dass Miss-Lara-Wettbewerbe veranstaltet werden, in denen junge Frauen sich nach dem Vorbild der Software Gesichter und Brüste chirurgisch herrichten lassen. Ein gefundenes Thema für solche Medientheoretiker, die gerne die Macht des Scheins nachweisen. Ebenso ist Lara eine Herausforderung für feministische Theoretikerinnen, die eigentlich Produkte der Kulturindustrie als männliche Fantasien entlarven möchten, aber von Lara schlicht begeistert sind. Astrid Deuber-Mankowsky argumentiert, dass Lara Croft ein Fetisch ist, der gegen den Einbruch von Geschichtlichkeit schützt: "Sie fungiert als Apotropäum, als Zaubermittel, das Unheil abwehren soll".

Mit der Figur Lara illustriert der Essay Überlegungen von Butler, de Lauretis und Zizek. Lara ist also eine Software, mit der man bestehende Theorien testen kann. Während der Lektüre wächst die Achtung für die Lesekunst der Autorin, gefolgt allerdings von der Sehnsucht nach theoretischem Langmut, der sich von kurzlebigen Phänomenen wie Lara befreien kann. Denn die Laras vergehen und verändern sich zu schnell, als dass sie eine energische Kritik inspirieren könnten. Am Schluss des Buches überrascht die Autorin mit der Beschreibung der "Kidnapping-Lara-Action" als einem Beispiel für performative Theorie. In Hannover wurde eine Lara-Croft-Pappfigur mit Adressen von feministischen Netzinitiativen behängt. Das Ergebnis sei ein lustvolles Experiment gewesen. Die Teilhabe am "lustvollen Experiment" der Autorin wird durch die Diktion getrübt. Man vermisst schmerzlich die Differenz zwischen der "Macher"-Sprache der Kulturindustrie und der kritischen Sprache.

ASTRID DEUBER-MANKOWSKY: Lara Croft - Modell, Medium, Cyberheldin. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001. 104 Seiten, 16,90 Mark.

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