25 Jahre c't:Löte und schreibe

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Seit 25 Jahren ist die c't die Zeitschrift für Nerds und IT-Profis. Auch weil die Macher nicht jedem Trend folgen, ist das Heft für den Heise-Verlag ein Goldesel.

Simon Feldmer

Sie hätten extra ein bisschen aufgeräumt in ihren Büros, berichten die Redakteure des Computermagazins c't. Schließlich wurden in den Tagen zuvor mehr als 200 Gäste durch die langen Gänge ihres Verlags geschleust. Nein, keine Anzeigenleiter von IT-Unternehmen, die man bei solchen Führungen ordentlich bauchpinseln könnte, sondern treue Leser, Abonnenten der ersten Stunde von vor 25 Jahren.

ct'-Erstausgabe: 1983 arbeiteten gerade einmal vier Redakteure an der Zeitschrift. (Foto: Foto:)

Eine schöne Geburtstagsfeier gab es in einem Varieté in Hannover, auch Verlagsgeschäftsführer Steven P. Steinkraus, 61, war bis vier Uhr morgens dabei. Drei Tage später bekommt der gebürtige Amerikaner noch immer glückliche Augen, wenn er sich an die Laudatio des Autors und Technik-Philosophen Peter Glaser erinnert. Der hatte am Festabend der Computerbibel sogar den Bogen von der Aufklärungsarbeit des c't-Teams bis zur Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen hinbekommen.

Männerarbeit im Keller

Vor allem aber steht die vierzehntäglich erscheinende Zeitschrift aus dem Heise Verlag in Hannover zum Jubiläum bestens da. Die Abozahlen steigen, im vergangenen Jahr sogar deutlich von 238 000 auf 250 000.

Dazu kommen regelmäßig an die 100.000 Leser, die am Kiosk aktuell 3,30 Euro für das meist über 250 Seiten dicke Heft hinlegen. Auch die Anzeigenumsätze entwickelten sich stabil, sagt Steinkraus und blickt unverdrossen in die Zukunft, als drohe keine Krise am Himmel der deutschen Printverleger: c't werde auch in 20 Jahren noch als Printprodukt in dieser Stärke existieren, prophezeit er.

Er sagt das so, als würde man gegen ein Zeitschriftengesetz verstoßen, wollte man das anzweifeln. Denn inhaltlich ist das Magazin samt seiner angesehenen Online-Seite heise.de zwar ein Special Interest-Produkt für IT-Profis und Technikfans geblieben, seine Geltung aber strahlt weit über die Nische hinaus.

90 Mitarbeiter löten und schreiben für c't. Die erste Ausgabe im November 1983 hatten noch vier Redakteure gefüllt. Mit dem Apple 2 war gerade der erste ernstzunehmende Personal Computer auf den Markt gekommen, der erste IBM-PC und der Commodore 64 folgten.

Goldesel des Verlages

Seine Millionen hatte Verlagsinhaber Christian Heise bis dahin mit Telefonbüchern und Nachschlagewerken verdient. Ein kleines Elektrojournal Elrad war nicht mehr als ein journalistisches Nischenprodukt im Haus. Doch dessen Anzeigenleiter, offenbar ein ausgesprochen fähiger Mann, registrierte rechtzeitig die steigende Nachfrage aus der Industrie nach Werbefläche im ersten PC-Boom der frühen achtziger Jahre und seinen Chefs die Idee für ein dazu passendes Magazin vorgetragen.

Wie sich dieser Vorschlag finanziell für den Elrad-Anzeigenleiter auswirkte, ist nicht überliefert. Doch die c't (der Name ergab sich aus der anfänglichen Kooperation mit einer englischsprachigen Zeitschrift namens Computing Today) hat sich in vielen Jahren unbestechlicher journalistischer Arbeit zum Goldesel des Heise Verlages entwickelt.

Im Anzeigenmarkt misst sich der Titel mit Computermagazinen großer Häuser, mit der monatlich erscheinenden Chip aus dem Burda-Verlag (durchschnittlich 408825 verkaufte Exemplare im 3. Quartal 2008) oder mit Springers vierzehntäglicher Computer Bild (706112 Exemplare). Inhaltlich spielt c't jedoch in einer anderen Liga.

Und das liegt auch an diesem angeblich aufgeräumten Keller. Dabei gehört schon ein gehobenes Maß an leidenschaftlichem Interesse für Platinen, Prozessoren, Adapter oder Netzteile, fürs Kabellöten oder Tastaturzerlegen dazu, um in den Testräumen des Verlages bei Laune zu bleiben.

Auf nächsten Seite: Warum das Magazin sich den Layout-Trends widersetzt.

Testgerät Marke Eigenbau

Im Hause Heise schraubt der Redakteur noch selbst. Beamer-Labor, schallarme Kammer, Audio-Testkammer steht in schwarzen Buchstaben auf weißen Zetteln an den Türen. Dahinter sitzen Männer aller Altersklassen und basteln sich durch ihre Herausforderungen.

Über den Kellerschächten hängt der Nebel an diesem Montag so tief, dass man das Industriegebiet, in dem das Verlagsgebäude liegt, nur in Grundzügen erkennen kann. Direkt unter der Betonnarbe, im Camcorder-Labor, steht Ulrich Hilgefort an einer technischen Apparatur aus Stäben und Drähten. Ein Teil von Hilgeforts Messgerät ist mit einem schwarzen Tuch bedeckt. Der IT-Spion lauert überall. Drei Jahre habe er, berichtet der c't-Redakteur stolz, an dem Messgerät gebastelt.

Nun könne er mit seinem Eigenbau sogenannte "Entwackler", also optische oder elektronische Bildstabilisatoren von Camcordern, reproduzierbar testen. Man dreht sich staunend um, da kommt schon der nächste tolle Redakteur um die Ecke. Kopfschüttelnd starrt Daniel Lüders aber nun gerade auf einen kleinen schwarzen Kasten zwischen seinen Fingern, mit dem er sich durch Google-Maps-Karten klickt.

"Dieses Gerät hat eigentlich nur den Sinn, Menschen dazu zu bringen, noch mehr auf Google-Seiten zu surfen", sagt Lüders. Begründeter und ausgefeilter, aber genauso respektlos stand das Urteil über das neue Google-Handy G1 ein paar Tage zuvor bei heise-online.

Das Spiel mit dem Nerd-Image

"Wir kochen auch nur mit Wasser, haben aber viel Zeit dazu", sagt Christof Windeck, leitender Redakteur im Haus, als er den Besucher aus den Testräume in die oberen Stockwerke führt. Das selbstironische Spiel mit dem eigenen Nerd-Image ist Programm. Dazu gehört, bloß nicht zu freundlich auf jeden zu reagieren, der einen von der Arbeit an der Platine abhalten könnte. Und so eröffnet c't-Chefredakteur Christian Persson das Gespräch mit dem Satz: "Redaktionsmarketing ist eigentlich überhaupt nicht meine Sache."

Persson, 59, ist von Anfang an dabei und so etwas wie der erste Journalist bei Heise, die oberste inhaltliche Instanz, die auch gefragt wird, wenn ein Unternehmen gerne mit einem neuen Werbeformat ins Heft vorstoßen würde. Im Regelfall, sagt Persson, sage er dann nein. "Ich will nicht, dass unser Erscheinungsbild gestört wird." Wer schon mal eine c't-Ausgabe in der Hand hatte, kann das verstehen. Denn das Magazin hat, positiv formuliert, seit zwanzig Jahren fast allen modischen Layout-Trends widerstanden.

Äußerlich konservativ, inhaltlich dem technischen Fortschritt oft voraus - so ist c't zum Erfolg eines mittelständischen Familienverlages gegen die Großen der Zunft geworden, eines Spezialisten gegen die Generalisten, ein journalistisches Produkt, in dem der redaktionelle Inhalt nicht zum Anzeigenumfeld verkommen ist. "Wir wollen auf keinen Fall dabei erwischt werden, unseren Lesern falsche Versprechungen zu machen", sagt Chefredakteur Persson. Vermutlich auch sein Leitsatz für die nächsten zwanzig Jahre.

© SZ vom 08.11.2008/heh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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