Internet-Kriminalität:"Wie ein moderner Postkutschenüberfall"

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Ein Regierungsbericht warnt: Zwar werden die Deutschen im Umgang mit dem Internet immer wachsamer - doch auch die Angreifer aus dem Cyberspace werden immer raffinierter

80 Prozent der Bundesbürger haben bereits einmal unfreiwillige Bekanntschaft mit Computer-Schädlingen gemacht. Dies geht aus einem aktuellen Bericht des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hervor.

Immer mehr Privatcomputer sind von Cyber-Attacken betroffen (Foto: Foto: ddp)

Ob verseuchte E-Mails, manipulierte Web-Seiten, gefährliche Dateien aus dem Instant Messengern - es gibt viele Möglichkeiten, einen privaten Computer anzugreifen. Allerdings sind dabei klassische Viren nicht mehr die Hauptbedrohung: Inzwischen sind rund 56 Prozent aller im Informationsverbund des Bundes registrierten Schadprogramme Trojaner, nur noch zehn Prozent Viren.

Während sich Viren schnell durch Systemstörungen bemerkbar machen, agieren Trojaner unbemerkt. Dabei sind letztere "heute die aggressivsten Schadprogramme", so BSI-Experte Günther Ennen.

Gezielte Unternehmensspionage und Erpressung

Ihre Programmierung hat sich dem Bericht zufolge in den letzten Jahren stetig verbessert - so können die Trojaner inzwischen bei Bedarf zusätzliche Programme aus dem Internet herunterladen, die es ihnen ermöglichen, Kontrolle über ihren Wirtsrechner zu erlangen.

Von diesen Computern können dann ohne Wissen des Besitzers Phishing-Attacken gestartet werden, zum Beispiel, um Zugriff auf Online-Banking-Daten zu erhalten. "Was früher der Postkutschenüberfall war, ist heute das Phishing", charakterisiert BSI-Präsident Udo Helmbrecht die neue Internet-Kriminalität.

Inzwischen sind immer mehr Privatcomputer von Cyber-Attacken betroffen. So spüren die Trojaner dort Passwörter und Dateiinhalte auf und geben sie weiter. Teilweise, so Ennen, würden neu entdeckte Schwachstellen in Internet-Browsern oder Büro-Anwendungen schon am Tag des Bekanntwerdens ausgebeutet.

Auch gezielte Unternehmensspionage über das Internet wird dem Bericht zufolge häufiger: Vor allem kleine und mittlere Firmen sind hier das Ziel. Zum Teil, so das BSI, hätte es sogar Erpressungsversuche gegeben, in denen Kriminelle gedroht hätten, gestohlene Informationen an die Konkurrenz zu verkaufen oder öffentlich zugänglich zu machen.

Wachsendes Sicherheitsbewusstsein der Nutzer

Der Trend zur organisierten Internet-Kriminalität führt auch zu einem wachsenden Sicherheitsbewusstsein der deutschen Nutzer. 2004 waren auf 76 Prozent aller privaten PCs Virenschutzprogramme installiert, inzwischen sind es 90 Prozent. Auch Firewalls verbreiten sich langsam: Hier stieg die Quote im gleichen Zeitraum von 46 auf 56 Prozent.

Dennoch fordert Helmbrecht Computernutzer dazu auf, dem Thema Sicherheit noch mehr Beachtung zu schenken: "Es ist selbstverständlich, dass wir die Haustür abschließen. Es ist selbstverständlich, dass wir mit unseren Privatsachen sorgsam umgehen, dass wir unser Geld zur Bank tragen. Aber dem Internet gegenüber verhalten wir uns oft naiv." Ständige Updates von Betriebssystem, Firewall und Virenschutzprogramm seien unbedingt notwendig.

Die EU hat derweil angekündigt, den Kampf gegen die Cyber-Kriminalität zu verschärfen. EU-Justizkommissar Franco Frattini forderte in Straßburg, einen europaweit einheitlichen Rechtsrahmen für solche Delikte zu schaffen. So beklagte der Politiker, dass es für die Verfolgung von Delikten wie Identitätsdiebstahl für Kreditkarten- und Bankbetrug keine einheitlichen Rechtsvorschriften gebe. Online-Kriminalität wird auch beim Zusammentreffen der Justiz- und Innenminister der G-8-Staaten am Freitag in München ein Thema sein.

Nach Aussage Frattinis wird der Schutz des Internets an sich in der EU größeres Gewicht erhalten. Jüngst waren nach einem russisch-estnischen Streit über den Abbau eines sowjetischen Kriegerdenkmals in Tallinn mehr als 100 estnische Server angegriffen worden. Die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit Enisa hat ihre Ermittlungen aufgenommen.

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