Internet-Kriminalität:Raub durch Kopien

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Die Film- und Software-Industrie feiert einen der bedeutendsten Schläge gegen Internet-Piraterie weltweit, zaudert aber, illegalen Downloads durch ein eigenes kommerzielles Angebot das Wasser abzugraben.

Von Helmut Martin-Jung

Der Computer, grauer Rechenknecht von einst, mausert sich zum Zentrum audio-visueller Heimunterhaltung. Er speichert und verwaltet gigantische Musiksammlungen, fungiert als Fernsehgerät, Playstation und digitaler Videorekorder in einem, spielt DVDs ab, steuert ganz nebenbei noch Projektor und Surround-Anlage fürs Heimkino-Erlebnis und ist eine mächtige Kopierstation.

Die Kunst im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit: ein Thema fürs geisteswissenschaftliche Seminar - und für Staatsanwälte.

Die bekommen jetzt einiges zu tun: Mit der Verhaftung der Betreiber einer illegalen Download-Seite im Internet ist den Ermittlern einer der größten Schläge weltweit gegen Film- und Software-Piraterie gelungen.

Drei Männer aus Thüringen und ein Anwalt aus München sollen 45.000 zahlenden Kunden vor allem in Deutschland aktuelle Kinofilme, aber auch Computerspiele und Software zum Download bereit gestellt haben.

Die Einnahmeverluste der geschädigten Firmen durch diesen Fall liegen im zweistelligen Millionenbereich. Die Betreiber wurden festgenommen, aber auch den Nutzern der illegalen Downloads drohen nun Ermittlungen.

Durch das Kopieren und Weiterverkaufen urheberrechtlich geschützter digitaler Daten entgehen der Industrie gewaltige Summen. 350 Millionen Euro waren es im Jahr 2003 in Deutschland, so Jochen Tielke, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen.

Das Team aus juristischen, kriminalistischen und technischen Experten unterstützt im Auftrag der Branche die Behörden bei der Ermittlung von Raubkopierern und war auch am aktuellen Fall beteiligt.

Musiker wachten schon vor Jahrhunderten eifersüchtig über ihre Noten, damit sie nicht heimlich abgeschrieben wurden. Zum Massenphänomen mit entsprechend dramatischen wirtschaftlichen Auswirkungen aber wurden Raubkopien erst mit der Digitalisierung der Daten und dem flächendeckenden Ausbau von Hochgeschwindigkeits-Internetanbindungen.

An den Tauschbörsen beteiligen sich weltweit Millionen. Bezahlen müssen sie nur die Gebühren fürs Internet. Das Herunterladen einer Maxi-CD geht dort mit einer gut ausgebauten Leitung genauso schnell wie das Bestellen der Scheibe beim Internet-Shop.

Während die Industrie mit Klagen gegen Nutzer von Tauschbörsen kämpft, schuf der Computerriese Apple eine kommerzielle Download-Plattform für Musikstücke.

Die ist so erfolgreich, dass sie weltweit Nachahmer gefunden hat.

Für Filme gibt es vergleichbare Ansätze, aber wieder zaudert die Industrie aus Angst, die Geister nicht kontrollieren zu können, die sie damit rufen würde.

Doch, so lautet die Quintessenz einer neuen Studie der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, "die Furcht vor einer nicht 100-prozentig geschützten Ausstrahlung der Inhalte im Netz war in der Vergangenheit häufig der Grund für verpasste Gelegenheiten".

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