Internet:"Biete Ex-Freund + Bier"

Lesezeit: 4 min

Es ist eine riesige Plattform für Ramsch und Wortmüll: Die Angebote im Internet-Auktionsforum Ebay werden immer absurder und die Händler übertreffen sich an Pseudo-Witzigkeit.

Bernd Graff

Menschen in Massen machen Angst. Dinge in Massen machen Angst. Muss man also Angst haben, wenn Menschenmassen massenhaft Dinge bei Ebay zum Kauf anbieten? Man muss. Denn es ist ja nicht so, dass die vielen Menschen ihre ollen Plutten, Speicherfunde, Fehlkäufe, absurden Urlaubsmitbringsel, Erbschaften und eigens angekauften Trash hier einfach nur in eine gigantische Grabbelkiste schmissen.

In den USA wurden mehr als 22.000 Dollar für eine Pizzaschnitte geboten, auf der angeblich die Jungfrau Maria zu sehen ist (siehe Zoom) (Foto: Foto: AFP)

Stumm präsentiertes Geraffel wäre schon schlimm genug. Hier ist es schlimmer. Denn jeder Einzelne, jeder, der den Powerseller in sich spürt, sitzt irgendwo allein an seinem Computer, wenn er den materiellen Überschuss seines Lebens bei Ebay einstellt. Und er entwickelt dabei originelle Einfälle.

Wir wissen nicht, in welche Zustände diese Menschen geraten, wenn sie so allein an ihren Rechnern sitzen. Jedenfalls ist es furchtbar. Denn es ist eine Sache, dass Menschen massenhaft auf Ideen kommen.

Eine andere ist es, dass solche Ideen dann formuliert, bebildert und schließlich öffentlich vorgetragen sein wollen. Und jetzt ahnt man, warum das in Anbetracht teutonischer Witzischkeit und eines nachhaltigen Pisa-Schocks Furcht einflößend werden kann.

Zehn Kubikmeter Schnee

Da bot etwa ein Frauenkränzchen einen handelsüblichen Kasten Bier an - und sich selbst gleich mit. "Männerüberschuss? Leere Tanzfläche? Party immer schon um 23 Uhr zu Ende?", lautete die Selbstanzeige zum ersteigerbaren Miteinander - und brachte das Frauensextett plus Helles aus Gütersloh erfolgreich unter den Hammer. Für partytaugliche 25.050 Euro. Gibt es denn in ganz Gütersloh keine andere Möglichkeit mehr, an Bier zu kommen?

Eine Kopistin aus Dortmund hatte weniger Glück, als sie ihren "Ex-Freund + Bier" andiente. Lächerliche 12,73 Euro war das Kerlchen der Welt schließlich wert. Und das, obwohl die Anbieterin hinzugefügt hatte: "Werft einen Blick auf meine anderen Auktionen, so könnt ihr Porto sparen!" Rache-Auktionen haben Schule gemacht: "Ich versteigere", heißt es gerade, "einen Strohhut. Eines der letzten Geschenke meiner Ex-Freundin. Deshalb muss er dringendst weg. Selbstverständlich ist er ungetragen (zumindest von mir!)".

Putzig dann die "10 Kubikmeter Schnee für Selbstabholer" aus dem thüringischen Steinach, die Mitte März einen Abnehmer fanden. 1420 Euro wurden dafür bezahlt. Niemand weiß, ob es die warmen Worte für die kalte Pracht waren - "blütenweiß, ohne jegliche Gebrauchsspuren" - oder ob es die gute Tat war, die zu diesem Hirnriss lockten. Der Erlös kam einer Stiftung zugute.

Schriftsteller verhökerten hier ihre Romanfiguren (645 Euro), Künstler ihre Seele (16 Euro) oder ein Stück Putz mit mutmaßlichem Jesulein-Antlitz (1660 Euro). Dann "den absolut fettesten und hässlichsten Engel der Welt" oder "ein Ölgemälde vom Vater des neuen Lovers meiner Ex-Frau".

Klassiker sind auch: Das Fahrzeug des Papstes, als er noch nicht Papst war (188.938,88 Euro), die "Jeans aus dickem Kurt" (4,10 Euro), abrasierte Bartstoppeln (1 Euro), die "getoastete Jungfrau Maria" (14.710,50 Euro), Würstchenwasser, das als "Wurst-Champagner" 3,10 Euro einbrachte.

Der berühmte VW Golf, der Kardinal Joseph Ratzinger gehörte - und sein Verkäufer. (Foto: Foto: AP)

Und, natürlich, der "SCHEISS - Alfa Romeo GTV 2000 Bertone": "Sie bekommen 100 Tempo-Packungen dazu. Sie werden sie brauchen, die Karre ist zum Heulen." Der Wagen ging leider nicht weg.

Dafür aber ein "Wireless-LAN-Kabel" für 15 Euro. Erstaunlich. Denn Wireless-LAN beschreibt ein kabelloses Netzwerk. Nach Silvester gab es "Gebrauchte Böller" (20 Euro). Hin und wieder findet man "Luftgitarren", "Originalfotos von Jesus" sowie "Ersatzluftblasen für Wasserwaagen." Unvergesslich: "Die Venus der Holzprügel (Das Original - keine billige Fälschung!)", das "Rheuma Kai T- Shirt" und "dehydriertes Wasser in Beuteln". Immer gerne genommen werden auch die "Speisekarten der Titanic".

Allein über "eBay Deutschland" werden verkauft: In jeder Sekunde ein Kleidungsstück, alle 2 Minuten ein Notebook, alle 2 Minuten ein Fahrzeug, alle 11 Minuten ein Kühlschrank, und täglich 13 Bagger. Keine Ahnung, ob es jeden Tag dieselben sind.

In dem Krimskramstohuwabohu der "Super-", "Top-", "Hingucken"-Sachen sind Rechtschreibung und Grammatik längst geschleifte Bastionen: Es gab schon ein "Massives Kifferbett" und ein "Muskelbepackteskonditionsmonster". Auch "Auto's" mit "eingelaufener Noggenwelle". Geboten wurde auf eine "Vintätsch Gitarre", wie auf "faste friches Basilikum Strauche". Und ein Angebot für Geschmeide richtete sich an "Leute mit Originale Schmucken tragen."

Zum Katzenertränken!

Die Internet-Auktionsfirma kann, das muss man sagen, gar nichts dafür. Ebay muss sogar eine Abteilung unterhalten, die dem blühenden Ideen-Wahn die ärgsten Spitzen nimmt und Angebote, die ethischen Grundsätzen und dem gesunden Menschenverstand völlig zuwider laufen, gleich wieder aus der kollektiven Verkaufsliste streicht. Ebay ist nur eine Plattform. Platt wird sie erst durch die Anbieter mit den oft sinnlos gezückten Digitalkameras.

Denn viele Offerten sind aufgehübscht mit Fotos, die: "Kohle im Tunnel bei Nacht" betitelt sein könnten. Es ist zum Katzenertränken! Jedoch verlangt dieses Geschäftsmodell nach bauschiger Anpreisung. Exerzitien für die Duldungs-Stärke der Mitwelt.

Derzeitiger Clou im daueraufgeregten Sortiment ist: "Bridgeville". Das ist ein ausgestorbener Ort in Kalifornien, der erneut feil geboten wird. Erneut, weil man das verlassene Kaff aus sieben Häusern, einem Café und einem 136 Jahre alten Postgebäude vor Jahren schon einmal angeboten hatte. Damals gingen die 33 Hektar Land auch weg wie geschnitten Brot. Aber wie es so ist - der siegreiche Bieter hatte zwar den Zuschlag bei 1,78 Millionen Dollar erhalten, dann aber nicht genügend Kleingeld parat. Der Deal platzte.

Darum müssen Bieter, die jetzt bei 1,75 Millionen einsteigen, ihre Finanzstärke prüfen lassen. Am 4. Mai läuft die Auktion aus. Nur: Was macht man mit leeren Postämtern, Cafés und sonstigen Häusern mitten in der kalifornischen Pampa - wenn man nicht Bomberpilot ist und dringend ein Übungs-Areal benötigt?

Was nicht niet- und nagelfest ist, und selbst das, soll irgendwem angedreht werden. Verpackt in lauwarme Worte und augenzwinkernde Kumpanei. Einen Witz wird man ja wohl noch machen dürfen! Doch bei den anschließenden Bewertungen, gell, da hört dann jeder Spaß auf.

Und so wurde Ebay nicht nur zur Überfluss-Halde, sondern auch zum Hort des Wörterwahns, der Formulier-Verbrechen und des Fabulier-Erbrechens. Illustriert von Bilderbögen des Grauens, die oftmals nur die eine Wahrheit dokumentieren: Ramsch bleibt Ramsch.

© SZ vom 20.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: