Happy Birthday Linux:Torvalds darf feiern

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Vor 15 Jahren hat die Initiative eines finnischen Studenten die IT-Welt auf den Kopf gestellt.

Auf den Tag genau ist der Geburtstag von Linux nicht auszumachen: Am 25. August 1991 bat Linus Torvalds in einem Posting an die Usenet-Gruppe comp.os.minix um Kommentare und Anregungen zu einem System, das er eigentlich als Terminalemulation entwickelt hatte. Herausgekommen war der Ansatz für ein abgespecktes Unix für 386er PCs. Dessen Version 0.01 war ab dem 17. September 1991 auf einem FTP-Server der Helsinki University of Technology abrufbar. Es brauchte allerdings noch das 386er Unix Minix. Am 5. Oktober des gleichen Jahres erschien die Version 0.02.

Torvalds hatte den Quellcode veröffentlicht und bat um Codebeiträge, die ebenfalls publik sein sollten. Und die Minix-Szene reagierte: Mitte Januar 1992 hatte die neue Mailing-Liste Linux-activists schon 196 Mitglieder. Mit der Zahl der Programmierer entwickelte sich Linux in atemberaubendem Tempo. Die komprimierte Kernel-Version 0.01 war 63 KB groß gewesen. Version 0.12 vom Januar 1992 - laut Torvalds der Kernel, der "es schaffte" - war mit 108 KB schon fast doppelt so groß.

So ging es weiter nach einer Open-Source-Maxime, die erst viel später formuliert wurde: "Release often, release early!" Es war nicht ungewöhnlich, wenn Folgeversionen im Zwei-Tages-Rhythmus erschienen - und dann so bizarre Nummern hatten wie 0.96b.2. Die Version 0.98 brachte es schon auf 320 KB Größe. Dann kam im März 1994 der Kernel 1.0; sein komprimiertes Volumen betrug 1 MB.

Linux hatte das Minix längst hinter sich gelassen - trotz einer harschen Kritik von Professor Andrew Tannenbaum, der Minix als Übung für das Studium der Betriebssysteme entworfen hatte. Er bemängelte schon früh an Linux vor allem, es sei monolithisch statt als Microkernel sowie nur auf einen Prozessor ausgelegt, und es fehle eine die Entwicklung steuernde Person.

Genau der letzte Punkt war es, der den Erfolg von Linux ausmachen sollte. Torvalds hatte Linux im Juni 1993 unter die GNU General Public Licence (GPL) gestellt. Jeder konnte mit dem Quellcode machen, was er wollte, musste aber alle eigenen Erweiterungen ebenfalls im Quellcode verfügbar machen. In der Praxis stellte sich heraus, dass Entwickler ihre Codeverbesserungen (Patches) an Torvalds und später an andere Programmierer schickten, die sich als besonders versiert, eifrig und durchsetzungsstark in der Szene einen Namen gemacht hatten.

Diese "Meritokratie" etablierte sich in Form der "Lieutenants". Erste führende Mitentwickler des Linux-Kernels waren Ed Ts'o und Allen Cox. Später wurden zum Beispiel Marcello Tosatti und Andrew Morton als leitende Kernel-Betreuer berühmt.

In dieser frühen Linux-Phase entbrannte ein Streit mit Richard Stallman, Erfinder des Unix-Editors Emacs, der 1984 das Projekt GNU für ein freies Unix (GNU is Not Unix) gegründet hatte. In diesem Projekt war Unix über zahlreiche Tools bis hin zu Libraries und Entwicklungsumgebungen quasi von außen nach innen nachgebildet worden. Was fehlte, war ein Kernel, der im GNU-Projekt Hurd heißt. Der verzögerte sich immer wieder: Wegen seiner Auslegung als Microkernel war er extrem schwer zu debuggen.

Torvalds aber hatte einen Kernel und verband ihn mit den GNU-Tools. So war ein komplettes Betriebssystem entstanden. Stallman verlangte seinen Anteil am Ruhm und forderte zunächst den Namen "Lignux" später "GNU/Linux". Die Forderung war nicht unberechtigt, aber der prägnantere Namen Linux setzte sich durch. Das lag auch daran, dass die 1994 gegründeten Distributionen Red Hat und Suse sich Stallman widersetzten und Linux populär machten.

Ein Jahr später zeichnete sich eine Abkehr vom bisherigen Linux-Entwicklungsweg ab. Das Betriebssystem wurde dabei von Grund auf neu programmiert. Es wurde nun auf Rechner von DEC und Sun portiert; bald folgten weitere Systeme aus der Server-Welt. Linux verließ die PC-Nische und betrat eine andere: Mit dem quelloffenen Web-Server "Apache" verbreitete es sich sehr schnell. Und oft genug wussten die IT-Chefs nicht, auf welchen "Underground-Servern" in ihren Unternehmen inzwischen Linux lief.

Mit der Version 2.0 erschien im Juni 1996 ein völlig neuer Linux-Kernel, der nun schon 5 MB groß war. Er war prozessorunabhängig, unterstützte mehrere CPUs und Dateisysteme und erwies sich als sehr netzwerkfähig. Jetzt begann sich die Industrie ernsthaft dafür zu interessieren. Die Datenbank Adabas, der Browser Netscape sowie die Office-Pakete Applixware und Star Office wurden 1997 auf Linux portiert. Im Jahr darauf kündigten Oracle und Informix Linux-fähige Versionen ihrer Datenbanken an.

Im Januar 1999 kam der Linux-Kernel 2.2 mit nochmals verbesserter SMP-Unterstützung und Netzwerkfähigkeit heraus. Er leitete den endgültigen Durchbruch ein. Im gleichen Jahr folgte eine wahre Linux-Welle: Compaq, Dell, Fujitsu-Siemens, HP, IBM, SAP, SGI und Sun stellten sich hinter Linux. Der Hype reichte bis an die Aktienmärkte: Die Distributoren Red Hat und Caldera sowie die Linux-Server-Anbieter Cobalt Networks und VA Linux schafften bemerkenswerte Börsengänge.

Doch mit dem Platzen der Dotcom-Blase war der Aufschwung erstmal vorbei. Die Highflyer der Linux-Industrie mussten ihre ehrgeizigen Wachstumsziele zusammenstreichen. Vorsichtig gewordene Geldanleger zogen ihr Kapital ab. In Deutschland machten die Linux-Dienstleister ID Pro und Innominate Bankrott. Statt an die Börse zu gehen, flüchtete sich der Distributor Suse kurz vor der Pleite unter die Fittiche von Novell.

Trotz dieser Rückschläge lief die Linux-Entwicklung weiter. Mit der Professionalisierung der Entwicklung wurden die Abstände zwischen den "öffentlichen" Linux-Releases (das sind jene, die auf eine gerade Zahl nach dem ersten Punkt enden; alle anderen sind Entwicklerversionen) größer. Die Kernel-Version 2.4 erschien erst im Januar 2001, zwei Jahre nach dem Vormodell 2.2. Fast genau so lange dauerte es bis zum Kernel 2.6, den Torvalds Ende 2003 freigab. Dabei ist es - in der öffentlichen Version - abgesehen von Sub-Releases bisher geblieben.

Dadurch ist Linux dem Interesse der Softwarehersteller, die ihre Anwendungen nicht ständig an neue Kernel anpassen können, entgegengekommen. Seit dem Jahr 2000 erschienen tausende Programme mit dem Etikett "Linux-fähig". Mit ihnen kam das Betriebssystem aus der Web-Nische heraus und machte sich in der gesamten IT breit. Besonders schnell wurde es wegen seiner Stabilität, Performance und Sicherheit zur Basis für unternehmenskritische Anwendungen.

Linux ist 15 Jahre nach seiner Geburt längst erwachsen geworden. Inzwischen geht es mit mehr Codebeiträgern denn je daran, die Betriebssystem-Welt völlig neu zu gestalten. Schon verdrängt es Unix und wird zum einzigen ernsthaften Rivalen von Microsoft. Nur in puncto Desktop hat Linux nichts an der Dominanz des Softwaregiganten zu ändern vermocht.

Im Gefolge von Linux macht sich mit Open Source ein neues Entwicklungsmodell breit, das die Softwareindustrie revolutioniert. Schon zum zehnten Geburtstag von Linux erklärte Linus Torvalds in einem Interview: "Hardware, früher das Geschäft der Superprofite, ist schon länger ein preiswerter Gebrauchsgegenstand, Betriebssysteme werden es gerade und als nächstes vielleicht Standardanwendungen. Das braucht aber noch einige Jahre. Für Software sind die Zeiten drei- und vierstelliger Handelsspannen vorbei, auch für Microsoft. Was bleibt, sind Services. Das mögen einige für negativ halten; ich betrachte es als unausweichlich."

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