Grafikkarte:Der schlafende Turbo

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Nicht nur Prozessoren bringen einen Rechner auf Trab. Grafikkarten sollen ihn 100 oder 200-mal schneller arbeiten lassen.

Helmut Martin-Jung

Wer seinen Computer beschleunigen will und dem Rechner dafür ein neues Herz einpflanzt, erlebt in aller Regel eine Enttäuschung. Auch wenn der neue Hauptprozessor theoretisch um 30 Prozent fixer rechnen kann - in der Praxis merkt man davon meist nicht viel.

Eine Grafikkarte: Künftig Beschleuniger für rechenintensive Aufgaben? (Foto: Foto: Istock)

Wie aber wäre es, wenn man mit einer Erweiterung für einige Hundert Euro den Rechenknecht ganz anders auf Trab bringen könnte, ihn 100 oder 200-mal so schnell arbeiten lassen könnte? Damit werben die Hersteller von Geräten, die man lange schlicht unter "Peripherie" aufgeführt hat - Grafikkarten.

Anstatt bloß Monster in Ballerspielen realitätsnah bis zum letzten Reißzahn darzustellen, könnten Grafikprozessoren künftig helfen, rechenintensive Aufgaben dramatisch zu beschleunigen. Einen DVD-Film so umzurechnen, dass er auf dem iPod abgespielt werden kann, würde dann nicht mehr, wie bisher, eine halbe Stunde, sondern weniger als 20 Sekunden dauern.

Mehrere Kerne

Die Rechenchips, die auf Grafikkarten sitzen, verfügen schon lange über eine Eigenschaft, die bei Hauptprozessoren für PCs erst vor wenigen Jahren eingeführt wurde: Sie haben mehrere sogenannte Rechenkerne, die parallel arbeiten können. Zentralprozessoren dagegen konnten bis vor einigen Jahren Aufgaben nur hintereinander ausführen. Das konnten sie zwar von Jahr zu Jahr schneller, doch stieg auch ihr Energieverbrauch und die Wärmeentwicklung rasant. Heute sind deshalb Prozessoren mit zwei Rechenkernen Standard, solche mit vier Kernen erreichen gerade den Massenmarkt.

Darüber können die Entwickler der Grafik-Prozessoren nur lachen. Als in den neunziger Jahren die Anforderungen an die Darstellung von Grafik auf dem Bildschirm höher wurden, entwickelten die Hersteller von Grafikkarten die Multiprozessoren-Technik quasi "aus Versehen", scherzt David Kirk, Forschungsleiter beim Grafikprozessor-Spezialisten Nvidia.

Die ersten Mehrkern-Systeme wurden 1998 verkauft, auf den neuen Modellen rechnen bereits 128 Kerne nebeneinander. Anders als früher sind die Chips auf den heutigen Grafikkarten zunehmend programmierbar, das heißt, man kann sie als Hilfskräfte zum Rechnen einspannen. "Wenn man manche Dinge 100-mal schneller machen kann, ist das eine ganz neue Qualität", sagt Kirk, "da kann man ganz andere Programme schreiben."

Doch einfach so lässt sich die Rechenleistung eines PCs nicht auf die Grafikkarte verlagern. Die Software weiß von dieser neuen Möglichkeit zunächst einmal nichts. Und das Dumme ist: Man kann es ihr auch nicht nachträglich beibringen. Software wurde und wird für Prozessoren geschrieben, die einen Job nach dem nächsten erledigen. Sollen viele dieser Jobs gleichzeitig erledigt werden, muss man diese Arbeitsteilung auch organisieren und dafür sorgen, dass nicht zum Beispiel das Dach eines Hauses vor dem Rohbau entsteht.

Bewegung am Markt

Die Grafikkartenhersteller bieten deshalb Software an, mit der man Programme schreiben kann, welche die Vielzahl an Recheneinheiten ausnutzt, aber die Ergebnisse am Ende auch wieder richtig zusammenpuzzelt. An den Universitäten zählt paralleles Programmieren mittlerweile zu den Informatik-Pflichtfächern, kein Superrechner kommt mehr ohne aus. In den Markt für kommerzielle Programme kommt aber nur langsam Bewegung.

Die Firma Elemental Technologies beispielsweise hat vor kurzem eine Software angekündigt, die beim Berechnen von hochauflösenden Videos die Grafikkarte zu Hilfe nimmt. Ebenfalls geplant ist eine Zusatzsoftware für das Profi-Bildbearbeitungsprogramm Photoshop, das die Berechnung großer Bilder beschleunigen soll. Denkbare andere Anwendungsbereiche sind Viren-Scanner und Verschlüsselungs-Software.

In der Forschung, zum Beispiel in der Molekularbiologie, werden die Grafikprozessoren schon länger zum Rechnen zweckentfremdet. Ob die Bewegung den Massenmarkt erreicht, hängt davon ab, ob genügend Software geschrieben wird, die parallele Prozessoren bedienen kann. Bei Nvidia rechnet man fest damit, schon allein deshalb, weil soviel Rechenkraft quasi brachliegt. Bis Ende 2008, schätzt die Firma, werden 200 Millionen ihrer programmierbaren Grafikkarten verkauft sein.

© SZ vom 23.4.2008/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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