Google-Expansion:Das Monopoooooool

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Nach dem Start von Google Maps und Wikipedia-Konkurrenz Google Knol möchte der Suchmaschinen-Gigant sein Angebot jetzt durch den News-Dienst digg.com erweitern: Warum Google immer gefährlicher wird.

Bernd Graff

Wir werden sagen können, wir sind dabei gewesen. Wir haben den Moment miterlebt, in dem die Wörter "Information" und "informieren" ersetzt wurden durch "Google" und "googlen".

Die Suchmaschinen-Krake wächst und wächst: Als nächstes möchte Google den News-Dienst digg.com übernehmen. (Foto: Foto: afp)

Ist ja länger schon bekannt, dass die Suchmaschine mit dem kindergartenbunten Namenszug längst die gefräßigste Krake im Meer des Internets ist. YouTube, DoubleClick, Teile von AOL - was multimedial nicht niet- und nagelfest ist, gehört der Firma aus dem kalifornischen Mountain View, steht in Übernahmeverhandlungen oder gilt als Kandidat in verschieden Reifegraden.

Vor kurzem wurden Programme für das künftige Betriebssystem Android vorgestellt, das den Handy-Markt revolutionieren soll. Selbst so digitalfremde Alt-Medien wie Bücher entkommen den langen Fangarmen des Suchspezialisten nicht: Google scannt zusammen mit einigen der größten Bibliotheken Hunderttausende Bücher ein, bis 2015 will man 15 Millionen Bände dem allwissenden Suchindex einverleiben. Dagegen war die Bibliothek von Alexandria ein Kiosk.

Nun lösen drei neue Projekte Unruhe aus. Auf deutschen Straßen fahren mit speziellen Kameras bestückte Vehikel umher, um alle Metropolen Straßenzug für Straßenzug, Haus für Haus abzufotografieren - der Satellitenbilderdienst Google Maps soll mit frischen Originalfotos bestückt werden.

Konkurrenz für Wikipedia

Am 24. Juli ist Google Knol an den Start gegangen, ein Wissensportal, das der Online-Enzyklopädie Wikipedia direkt Konkurrenz machen soll: Jedermann kann sein Wissen dort eintragen, jedermann kann es kostenfrei abrufen. Allerdings fallen drei Unterschiede auf: Knol ist ein kommerzielles Unterfangen, das seine "Autoren" an den Werbeeinnahmen beteiligt, die Googles Internetwerbe-Plattform AdSense erwirtschaftet.

Zweitens können die Beiträge nur von den jeweiligen Autoren modifiziert werden. Und zum dritten - das ist der Clou auch weiterer Google-Strategien - sollen die Knol-Nutzer die Einträge kommentieren, rezensieren und bewerten können. Nicht das Wissen selbst steht also im Zentrum dieses Lexikons, sondern dessen Popularität. Weswegen Knol am Premierentag aufmachte mit Beiträgen wie: Lungenkrebs, Zahnschmerz und verstopfte Toiletten.

Der für gewöhnlich hervorragend informierte Informatiker Michael Arrington schreibt auf seinem Blog Techcrunch, dass Google den Internetdienst digg.com kaufen möchte; inzwischen seien 200 Millionen Dollar für die 2004 gegründete Site geboten. Eigentlich ein News-Dienst, ist digg.com in einem Punkt dem Google-eigenen News-Dienst - natürlich gibt es auch den! - überlegen: Darüber, was relevant ist auf dieser Seite und folglich prominent gezeigt wird, entscheiden nicht Computer nach obskuren mathematischen Verfahren, sondern der Geschmack leibhaftiger Menschen. Je mehr Belobigungen eine Nachricht, ein Bild oder ein Video erhalten, umso höher steigen sie auf der Seite - und bekommen so noch mehr Aufmerksamkeit.

"Jedem Suchenden alle verfügbare Information servieren"

Google bekennt sich offen zu dem Ehrgeiz, jedem Suchenden alle verfügbare Information zu servieren - egal, wo man sich befindet und in welcher Sprache man sucht. Die Firma hat im vergangenen Jahr errechnet, dass sie alle ihre Dienste wie Suchmaschinen, Google Earth, Nachrichten in 40 Sprachen anbieten muss, damit 98 Prozent aller Internet-Nutzer das Angebot verstehen oder nutzen können. Damals gab es gerade mal fünf Dienste in 30 Sprachen; heute sind es 30 Dienste in 30 Sprachen.

Google besitzt jetzt schon mehr Rechenleistung und Speicherkapazitäten, als jedes andere Unternehmen jemals besessen hat. Bald wird man seine Maschinen für das Gedächtnis der Menschheit halten können. Doch auch dann wird eine Frage offenbleiben, auf die selbst Googles Über-Suche keine Antwort findet:

Warum sollte ein börsennotiertes Unternehmen, das nur seinen Aktionären gegenüber und nicht einem abstrakten, philantropischen Begriff von Gutsein und Neutralität verpflichtet ist, eine Firma, die im internationalen Informationsmarkt nahezu eine Monopolstellung hält und überall schon dort ist, wo der Nutzer erst hinläuft, warum also sollte eine solche, auf dem Mysterium ihrer Suchalgorithmen gegründete Firma das Wissen demokratisieren wollen?

© SZ vom 25.07.2008/mei - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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