Globale Seekabel:Sensible Schlagadern

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Die weltweite Kommunikation hängt am seidenen Faden: Naturkatastrophen könnten die fragilen Seekabel zerstören und ganze Kontinente vom Internet trennen.

Axel Bojanowski

Wenn die Verbindung zum Internet abbricht, kann die Ursache in der Tiefsee liegen. Die globale Kommunikation hängt dort fast buchstäblich am seidenen Faden. Ein weltweites Geflecht aus haarfeinen Quarzglas-Strähnen, ummantelt mit Hüllen aus Metall und Kunststoff, bilden die Arterien von Internet und Telefon zwischen den Kontinenten. Zerreißen sie, werden mitunter ganze Staaten vom globalen Datenstrom abgeschnitten.

Glasfaser-Netze in der Tiefsee sind die Hauptschlagadern des weltweiten Datenkreislaufs. (Foto: Foto: AP)

Oft sind es Naturgewalten, die wichtige Verbindungen kappen. So zerriss im vergangenen Jahr zu Weihnachten ein Seebeben am Grund des Mittelmeers ein Kabel und zerstörte die Internetverbindung zwischen Indien und Nordafrika; Millionen Datenanschlüsse fielen aus. Ende 2006 brachen bei einem Beben im Indischen Ozean gleich mehrere Kabel. Hunderte Millionen Menschen in Asien litten drei Wochen unter dem Ausfall, von immensen wirtschaftlichen Verlusten wurde berichtet.

Solche Zwischenfälle seien lediglich der Vorgeschmack für den ganz großen Blackout, warnen nun Geoforscher. Seebeben, Untermeer-Lawinen und Vulkanausbrüche könnten ganze Kontinente vom globalen Datenverkehr abschneiden, schreiben Dale Dominey-Howes und James Goff vom Australischen Tsunami-Forschungszentrum in Sydney im Fachblatt Natural Hazards and Earth System Sciences (Bd.9, S.605). Wie Datenkabel in der Tiefsee besser geschützt werden könnten, beraten Experten in dieser Woche in Bremen auf der Tagung von Ozean-Spezialisten der Internationalen Ingenieurvereinigung IEEE.

Zweifel am Verstand der Ingenieure

Verliefen Wasserleitungen an Land in ähnlichen Gefilden wie die Datenkabel in der Tiefsee, würden wohl Zweifel am Verstand der Ingenieure aufkommen. Ausgerechnet die interkontinentalen Kommunikationsleitungen - die Lebensadern der Industriegesellschaft - queren Erdbebenzonen und Vulkangebiete. Die Konstrukteure haben allerdings keine Wahl. Die Ozeane sind von Erdbebenzonen umringt und von einem 60.000 Kilometer langen Vulkangebirge durchzogen.

Netze in der Tiefsee sind die Hauptschlagadern des weltweiten Datenkreislaufs. Probleme gab es dabei allerdings von Anfang an. Das erste Tiefseekabel, das im Ärmelkanal Nachrichten zwischen England und Frankreich übertragen sollte, verstummte 1850 gleich am ersten Betriebstag - und verschluckte eine Nachricht an Napoleon III. Und 1858 gelang es erst im fünften Versuch, zwischen Europa und den USA eine funktionierende Leitung zu verlegen.

Doch die Glückwunsch-Telegramme zwischen Queen Victoria und US-Präsident Buchanan quälten sich 16 Stunden durch das Kabel, bevor dieses für immer seinen Dienst einstellte. Erst acht Jahre später entstand eine bleibende Nachrichtenverbindung zwischen den Kontinenten. Und bis zur ersten interatlantischen Telefonleitung dauerte es weitere 90 Jahre. Erst von 1956 an übertrug ein Tiefseekabel 36 Gespräche gleichzeitig.

Trotz aller Widrigkeiten gibt es aber auch im Satelliten-Zeitalter keine Alternative zum Tiefseekabel. Moderne Glasfasern übertragen weitaus mehr und schneller Daten, als dies Satelliten tun. Durch die beiden haardünnen Quarz-Fäden einer Glasfaserleitung können rund eine Million Telefongespräche gleichzeitig laufen - mit Lichtgeschwindigkeit.

Die Risiken, denen die Kabel ausgesetzt sind, kann jedoch auch moderne Technologie nicht verringern. Zwar schützt ein Mantel aus Metall und Kunststoff die feinen Stränge vor Salzwasser und Strömung. Im Flachmeer, wo Anker und Fischernetze am Grund entlangschrammen, werden die Kabel zudem mit Hilfe eines Pflugs vergraben, den das Kabelleger-Schiff hinter sich herzieht. Auch diese Maßnahme schützt nur bedingt. Im Winter 2007/2008 zerrissen binnen weniger Wochen vier Schiffe mit ihren Ankern Kabel am Grund des Mittelmeers; in Indien und im Nahen Osten lahmte das Internet wochenlang, Millionen Anschlüsse fielen komplett aus.

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In größeren Meerestiefen werden die Leitungen sogar einfach auf den Grund gelegt. Der Großteil des Meeresbodens ist Schlammwüste, dort droht wenig Gefahr. An den Grenzen zwischen zwei Erdplatten jedoch wirken immense Naturgewalten. Viele Kabel müssen einen Mittelozeanischen Rücken queren, einen untermeerischen Gebirgszug. Dort quillt, von Beben begleitet, Lava aus den Scheiteln der Bergrücken. Geologen versuchen, die Kabel an den vulkanisch aktiven Zonen vorbeizuführen - ein kompliziertes Unterfangen. Das Kabelschiff muss ständig seine Route korrigieren und die Leitungen dem Schlingerkurs folgen.

Starkbeben könnten jederzeit sämtliche Verbindungen kappen

In Küstennähe ist es oft kaum möglich, Gefahrenzonen zu umgehen. Nur die Gestade des Atlantiks sind weitgehend frei von Erdbeben. In Mittelmeer, Rotem Meer, Pazifik und Indischen Ozean zerreißen regelmäßig schwere Beben den Meeresboden. "Besonders gefährdet sind die Kabel vor Ostasien", sagt Peter Linke vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel - ausgerechnet dort, wo die meisten Kabel verlaufen. Auch vor der Westküste der USA können Starkbeben jederzeit sämtliche Verbindungen von Nordamerika nach Asien kappen.

Auf Hawaii, dessen Vulkane als die aktivsten überhaupt gelten, kreuzen sich gleich 13 Kabelstränge. Die Vulkaninsel Mauna Kea ist zudem der höchste Berg der Welt, er ragt 10000 Meter vom Meeresgrund auf, davon 4000 Meter über den Meeresspiegel. Seine Nachbarvulkane, die die Inselkette Hawaiis bilden, erreichen ähnliche Höhen. Alle paar Jahre rutschen mächtige Gerölllawinen von den Flanken der Berge. Ein Vulkanausbruch könnte so gewaltige Rutschungen auslösen, dass sämtliche Kabel um Hawaii herum zerstört würden, meint Dominey-Howes. Die interkontinentale Kommunikation im Pazifikraum würde weitgehend lahmgelegt. Es würde Wochen dauern, den Schaden zu beheben.

Auch andere Kabel-Knotenpunkte seien bedroht, warnt Dominey-Howes. Eine Naturkatastrophe an einem solchen Flaschenhals sei eine "Hauptgefahr für die Weltwirtschaft". So schlängeln sich im Mittelmeer drei bedeutende Datenleitungen aus Nordeuropa durch die Straße von Gibraltar und die Straße von Messina, zwei geologisch fragile Regionen. Die Kabel führen von Deutschland bis nach Japan. Beben, Eruptionen oder Lawinen könnten die Leitungen zerstören, Mitteleuropa verlöre seine wichtigste Datenverbindung nach Asien und Afrika.

Wie häufig die Tiefseekabel Schaden nehmen, ist unbekannt. Es würden längst nicht alle Unfälle publik, sagt der Ozeanforscher Peter Linke. Der Blackout eines ganzen Kontinents aber würde sich kaum geheim halten lassen.

© SZ vom 12.05.2009/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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