Glasfaserkabel:Die Schlagadern des Internets

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Ohne sie geht nichts mehr: Unterseeische Kabel aus haarfeinen Glasfasern transportieren 95 Prozent des globalen Telefon- und Datenverkehrs.

Helmut Martin-Jung

"Eigentlich", sagt Georges Krebs, "eigentlich ist es manchmal fast langweilig." So etwas darf nur jemand mit einem Job behaupten, für den man eine Art Abenteurer sein muss. Jemand, der nicht nur heute hier und morgen dort irgendwo auf den sieben Weltmeeren mit einem kraftstrotzenden Schiff Stürmen trotzen und dennoch Präzisionsarbeit verrichten muss.

Glasfaserkabel wickeln 95 Prozent des weltweiten Datenverkehrs ab, (Foto: Foto: AP)

Sondern der gegebenenfalls auch in der Lage sein sollte, den Hafenmeister eines exotischen Landes davon zu überzeugen, dass es schon seine Ordnung hat, wenn er seine Ladung quasi unterwegs verloren hat. Das nämlich ist sein Job: Der Franzose verlegt für den Konzern Alcatel-Lucent Kabel im Meer. Kabel, die dafür sorgen, dass sinkende Börsenkurse in Hongkong oder London Händlern auf dem gesamten Globus die Schweißperlen verzögerungsfrei auf die Stirn treiben können. Die den neuesten gestohlenen Hollywood-Blockbuster in DVD-Qualität über den Pazifik jagen, Geschäftsberichte und Mails und Telefonate.

Obwohl viele Kommunikations-Satelliten im Orbit fliegen - Seekabel sind nicht nur die weitaus billigere Alternative, sie können auch viel mehr Daten transportieren. Hunderte gibt es davon weltweit, 95 Prozent des weltweiten Datenverkehrs wird darüber abgewickelt. Möglich wurde das mit der Erfindung der Glasfasertechnik. Die Lichtwellenleiter, die aus zwei Sorten geschmolzenem Glas gezogen werden, sind zwar dünner als ein menschliches Haar, können aber so viele Daten befördern wie Tausende Kupferkabel.

Immer zwei davon ergeben eine Leitung. Pro Faserpaar können mit den jüngsten Produkten gut ein Terabit pro Sekunde an Daten, 1000 Milliarden Nullen und Einsen, transportiert werden. Modulierte Lichtwellen, die von einem Laser erzeugt werden, rasen in Lichtgeschwindigkeit durch die feinen Leitungen. Durch eine komplizierte Technik, Experten sprechen von Multiplexing, können über ein Faserpaar viele Datenströme auf einmal fließen.

Im Gegensatz zu den armdicken alten Kabeln mit Kupferkern sind die neuen Glasfaserkabel, die mehrere Faserpaare enthalten, ziemlich dünn. Nur einen Durchmesser von 17 Millimetern haben die Strippen, die Georges Krebs und seine Crews in den Ozeanen der Welt versenken. Am einfachsten haben es die Verlegemannschaften, wenn sie das Kabel bei niedrigem Seegang auf dem offenen Meer ausbringen können.

Doch bloß ins Wasser werfen kann man die Leitungen selbst dann nicht. Bevor das Schiff ausläuft, hat es etwa 14 Tage im Hafen gelegen, um vor allem eines zu tun: Das Kabel Schicht für Schicht und mit höchster Präzision auf die riesigen Spulen zu wickeln, die im Bauch des Kabelschiffes befestigt sind. Wenn es dann endlich losgeht, steuert der Kapitän das Schiff nicht etwa nach seinem Belieben in Richtung Ziel, sondern folgt einer zuvor genauestens ausgekundschafteten Route.

Dafür zuständig sind sogenannte Survey-Schiffe. Diese sind mit Sonar-Anlagen ausgestattet, um die Beschaffenheit des Meeresbodens zu erkunden. Mit maximal fünf Kilometern pro Stunde tasten sich diese Schiffe vorwärts. Aber warum muss man überhaupt wissen, wie es am Meeresboden aussieht, wenn das Kabel auf offener See ohnehin nur einfach auf den Boden gelegt wird? Zum einen hängt es vom Bodenprofil ab, wie viel Kabel man braucht. Je mehr es also auf und ab geht, umso mehr Kabel wird benötigt - und Kabel ist teuer.

Zum anderen ist das Geländeprofil auch wichtig beim Auslegen. Um immer die gerade richtige Länge auszulegen, müssen die Geschwindigkeit des Schiffes, die Geschwindigkeit, mit der das Kabel abgewickelt wird, genau auf die Beschaffenheit des Meeresgrundes abgestimmt sein. Um das zu erreichen, arbeiten an Bord der Kabelschiffe verschiedene Systeme Hand in Hand. Mehrere GPS-Empfänger bestimmen die exakte Position, Rollen ähnlich wie bei einer Achterbahn sorgen dafür, dass nicht zu viel Zug auf das Kabel kommt und dass es mit der richtigen Geschwindigkeit abgespult wird.

Die Kabelschiffe haben starke Motoren, die gewährleisten, dass die Crews auch bei starkem Wind noch arbeiten können. "Nur wenn es ganz schlimm wird, müssen wir das Kabel abschneiden und einen Hafen anlaufen", sagt Georges Krebs. Gern macht das natürlich niemand, denn zum einen erhöht es die Kosten, wenn das Kabelende wieder herausgefischt und geflickt werden muss, zum anderen bringt es die meist engen Terminpläne durcheinander.

Je näher die Schiffe der Küste kommen, um so komplizierter wird der Job ihrer Besatzungen. Weil der Meeresboden nun ansteigt, sind die Leitungen in ständiger Gefahr, von Schiffsankern zerrissen oder von den Schleppnetzen der Fischtrawler über den Boden geschleift und beschädigt zu werden. Vergangene Woche erst waren im Nahen Osten insgesamt vier Seekabel durchtrennt oder beschädigt worden, zwei besonders leistungsfähige allein vor dem ägyptischen Alexandria.

Vor den Küsten verwenden die Kabelfirmen stärker armierte Kabel. Die in der Tiefsee verlegten Strippen bestehen aus Glasfasern, die in einem Kupferrohr stecken, das mit einem wasserabweisenden Verbundstoff ausgegossen ist. Es folgen je nach Stärke des Schutzes mehrere Schichten von Kunststoff und verdrillten Stahldrähten, oft auch noch eine Röhre aus Aluminium, die zusätzlichen Schutz vor dem Eindringen des Salzwassers bietet.

Im flachen Wasser werden die Leitungen im Meeresboden vergraben. Dazu haben die Kabelschiffe einen sogenannten Meerespflug an Bord. Der sieht dem aus der Landwirtschaft bekannten Gerät ziemlich ähnlich, nur dass er mehrere Meter groß ist. Er gräbt eine Furche in Sand, Geröll oder Schlamm, legt das Kabel hinein und deckt es wieder zu. Bei sandigem Boden werden die Kabel oft auch eingespült. Wasser wird unter hohem Druck in den Sand gespritzt, der darauf hin zu Treibsand wird.

Das Kabel sinkt ein und der Sand wird anschließend wieder fest. Am Strand schließlich führt das Kabel in einen Schacht und von dort unterirdisch zur Landungsstelle mit seiner elektronischen Ausrüstung. "Wenn wir mit dem Kabel irgendwo ankamen, gab es oft ein Fest", erzählt Georges Krebs. In den vergangenen zehn Jahren sei es oft passiert, dass ein Land erstmals über ein solches Hochleistungskabel ans Netz angebunden wurde. Einige weiße Stellen aber gibt es noch auf der Landkarte, Grönland zum Beispiel. Lange jedoch wird auch das nicht mehr so sein. "Im Sommer", sagt Krebs, "legen wir ein Kabel dorthin."

© SZ vom 9.2.2008/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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