Elektronischer Buchersatz:Was ein E-Book-Reader können muss

Die Deutschen finden Gefallen an digitalen Büchern. Mehr als eine Million E-Book-Reader sollen in diesem Jahr verkauft werden. Soll das Gerät nur zur Bettlektüre taugen - oder auch fürs Freibad? Soll es viel Lesestoff bieten - oder auch Platz für Notizen?

Von Christoph Neidhart, Johan Schloemann, Melanie Staudinger, Dieter Sürig und Barbara Vorsamer

Sex sells - auch bei E-Books. Der Erotikroman "Shades of Grey" war immerhin im vergangenen Jahr das meist verkaufte E-Book in Deutschland, so haben die Marktforscher von Media Control ermittelt. Etwa vier Jahre, nachdem Sony sein erstes Lesegerät für elektronische Bücher in Deutschland vorgestellt hat, finden die Menschen so langsam Gefallen daran, statt zum Taschenbuch zu einem kleinen Computer zu greifen.

Noch bewegt sich der Umsatzanteil von E-Books beim Buchhandel erst bei zwei Prozent. Der Chef der zweitgrößten deutschen Buchhandelskette Thalia, Michael Busch, rechnet in zwei, drei Jahren aber schon mit einem Umsatzanteil von 25 Prozent.

Das hat Auswirkungen auf den Markt der Lesegeräte: Der Branchenverband Bitkom prognostiziert, dass in diesem Jahr in Deutschland 1,4 Millionen E-Reader verkauft werden. Das wäre fast eine Verdoppelung gegenüber dem vergangenen Jahr.

Das beliebteste Lesegerät ist der Amazon-Kindle - und zwar mit großem Abstand. Der Gesellschaft für Konsumforschung zufolge hat Amazon bisher einen Umsatzanteil bei E-Books von etwa 40 Prozent. Thalia, Weltbild, Hugendubel und Bertelsmann wollen nachlegen und dem Amazon-Gerät mit dem Tolino die Stirn bieten. Sie sind nach Brancheninformationen mit 50 000 Geräten gestartet. Ihr Ziel: Von gut 30 Prozent Marktanteil bei E-Books mindestens auf Augenhöhe mit dem amerikanischen Rivalen zu gehen. Der Markt ordnet sich in den kommenden Monaten neu, die SZ bietet auf den folgenden Seiten einen Überblick der gängigsten Lesegeräte.

Für Ästheten: Amazon Kindle

Amazon bietet drei Lesegeräte an. Das bunteste ist das Kindle Fire, das in etwa dem iPad mini von Apple entspricht, aber billiger ist (ab 199 Euro). Darauf kann man Bücher aus dem großen Amazon-Angebot lesen, aber auch Filme anschauen und Spiele spielen. Das Fire-Modell ist ein Tablet, bietet also nicht die augenschonende, lesefreundliche E-Tinte.

Am anderen Ende steht das ,,klassische" Kindle, ein schlichtes, aber inzwischen ziemlich ausgereiftes Gerät, das mit seinem Kampfpreis von 79 Euro darauf verweist, dass das große Geld beim elektronischen Lesen kaum noch mit den Apparaten, sondern mit Downloads gemacht werden soll.

Und dazwischen steht, technisch und preislich, das neuere Modell Kindle Paperwhite. Es ist ein Kompromiss, aber kein fauler. Mit dem Paperwhite wird das Problem gelöst, das sich bei stabileren Paarbeziehungen oft einstellt: dass einer schon schlafen, der andere noch lesen will. Die E-Ink-Technologie wurde dafür mit einer verstellbaren Hintergrundbeleuchtung kombiniert. Das hilft im Schlafzimmer, aber auch bei Tageslicht ist der Hintergrund weißer und der Kontrast schärfer.

Umblättern und Steuerung funktionieren per Touchscreen so schnell und präzise wie der drahtlose Bücherdownload. In der Buchcover-Ansicht kann man wechseln zwischen Inhalten, die aufs Gerät geladen wurden, und Inhalten, die in der digitalen Wolke lagern - praktisch, wenn man mehrere Lesegeräte hat. Sehr bequem ist auch, man traut es sich auf diesen schönen gedruckten Seiten kaum zu sagen, die Zeitungslektüre auf dem Kindle Paperwhite. Fazit: Schwer zu schlagen, der böse Riese Amazon.

Kosten fürs Gerät: zwischen 129 bis 189 Euro, Auswahl an 1,5 Millionen internationalen Büchern, davon 140.000 in deutscher Sprache

Für Kritzler: Sony E-Reader

Sony hat die Sache mit dem "elektronischen Papier" wörtlich genommen. Sein E-Reader liegt in der Hand wie eine gute Fotokopie in einem Bilderrahmen. Mit 160 Gramm passt er wie eine Postkarte in die Innentasche eines Jackets. Die Schriften seiner elektronischen Tinte sind gestochen scharf, der weiße Bildschirm angenehm matt, das Auge ermüdet nicht. 1300 Bücher lassen sich auf dem Gerät speichern - oder: 33- Manga-Bände. Über ein Micro-SD-Slot kann die Bibliothek beliebig erweitert werden. Die Batterie hält zwei Monate, wenn man täglich anderthalb Stunden liest. Versieht man den Text mit dem beiliegenden Stift mit Anmerkungen, dann sieht das aus, als hätte man mit schwarzem Kugelschreiber auf Papier geschrieben. Die Notizen setzen sich aber farblich nicht vom Text ab.

Über den Touch-Screen kann man auf den Text zoomen. Anders als auf einem Tablet passt sich das Layout aber nicht an. Das geschieht nur, wenn man die Schriftgröße über die Vorgaben ändert. Umblättern kann der Leser mit physischen Knöpfen, das schnelle Durchblättern von Zeitschriften ist deshalb umständlich.

Der Reader verfügt über WLAN, man kann im Internet surfen - aber nur in schwarz-weiß und fast ohne Apps. Immerhin ist Evernote vorinstalliert: Passagen, die man später lesen will, lassen sich kopieren. Das System des Readers fußt auf Android. Deshalb kann der Technikfreak den Reader auch in einen (langsamen) Tablet-Computer verwandeln.

Auch in Deutschland betreibt Sony inzwischen eine eigene e-Buchhandlung. Bücher von Thalia lassen sich auf dem Reader lesen, dazu Dateien wie PDF, epub und andere offene Formate, wie sie das Projekt Gutenberg und Bibliotheken verwenden. Urheberrechtlich geschützte Bücher von Amazon dagegen öffnet der Sony-Reader nicht. Im Freien lässt er sich leichter lesen als ein Tablet, im Bett dagegen braucht man ein Leselämpchen, das sich auf das Gerät stecken lässt.

Kosten für das Gerät: 130 Euro, Auswahl an mehreren 100 000 Büchern in acht verschiedenen Sprachen

Für Lesefreunde: Tolino Shine

Tolino Shine: Neuer E-Reader mit Beleuchtung

Tolino Shine: Neuer E-Reader mit Beleuchtung Zum Themendienst-Bericht vom 1. März: Tolino Shine heißt der hintergrundbeleuchtete Sechs-Zoll-Reader von Telekom und mehreren Großbuchhändlern. (Die Veröffentlichung ist für dpa-Themendienst-Bezieher honorarfrei. Das Bild darf nur in Zusammenhang mit dem genannten Text und nur bei Nennung der Bildquelle verwendet werden.) Foto: Deutsche Telekom

(Foto: dpa-tmn)

Der Tolino Shine soll für den deutschen Buchhandel das werden, was der Kindle für Amazon ist: Ein günstiger, handlicher und benutzerfreundlicher E-Reader, der die Kunden direkt mit dem eigenen Webstore verbindet, auf dass sie hier ihr ganzes Geld ausgeben. Das könnte funktionieren. Menüführung und Optik des Tolinos sind so intuitiv, dass jeder, der schon mal Smartphone, Tablet oder E-Reader in der Hand hatte, auch mit diesem Modell sehr schnell Bücher lesen, suchen und kaufen kann. Weitere Funktionen sind das Setzen von Lesezeichen, die Volltextsuche nach bestimmten Wörtern und die Einstellung von Schriftgröße und Helligkeit. Darüber hinaus kann der Tolino jedoch wenig. Wer daran gewöhnt ist, Wörter nachzuschlagen oder Notizen in seine Texte einzufügen, kommt mit diesem E-Reader nicht weit.

Ansonsten ähnelt der Tolino den anderen Geräten seiner Klasse fast auf den Millimeter. 6-Zoll-Display, HDE-Ink-Display mit integrierter Beleuchtung und Touchscreen sind Standard ebenso wie mehrere Wochen Akkulaufzeit und 4 GB interner Speicher, erweiterbar mit SD-Card. Neu ist das offene System, für das sich die beteiligten Buchhändler entschieden haben. Anders als beispielsweise beim Kindle, nimmt der Tolino auch E-Books aus anderen Quellen - vorausgesetzt, man kann sie dort exportieren. Bei Amazon geht das jedoch nicht. Kindle-Besitzer, die auf Tolino umsteigen, verlieren ihre Bibliothek.

Ein Manko ist die Auswahl der angebotenen Titel. Zwar werben die Buchhändler mit der größten Auswahl an deutschsprachigen Titeln - mehr als 300 000. Wer jedoch gerne im Original liest, wird enttäuscht. Nur einzelne fremdsprachige Titel sind zu finden, Bestseller wie "Harry Potter" oder "Die Tribute von Panem" gibt es derzeit nur auf Deutsch. Weltbild begründet das mit der noch andauernden Migration der Daten in die Telekom-Cloud. In Zukunft soll es mehr Auswahl geben. Das schlagende Argument für den Tolino ist der Preis. Mit 99 Euro ist der neue E-Reader günstiger als die Konkurrenten.

Kosten fürs Gerät: 99 Euro, Auswahl an 300.000 deutschsprachigen Büchern

Für Vielseitige: iPad

So viel vorweg: Wer einfach nur digital Bücher lesen will, braucht sich allein dazu kein iPad anzuschaffen. Ein wirklicher Buchersatz ist das Gerät nicht, obwohl die Idee für sich genommen verlockend klingt: Man hat ein Gerät, mit dem man im Internet surfen, Spiele spielen, seine Mails beantworten und eben auch die neuesten Bestseller lesen kann.

Apple bietet dafür auch die Grundlagen: Im iBooks-Store, der aufgemacht ist wie ein Buchregal, lassen sich Werke einfach und schnell herunterladen, manche sogar kostenlos. Die Auswahl ist riesig. Man kann bestimmte Passagen in den Büchern markieren oder eigene Kommentare hinzufügen - für Studenten perfekt.

Das Problem ist eindeutig die verspiegelte Oberfläche des Bildschirms, an die man sich erst gewöhnen muss. Wer in beleuchteten Räumen sitzt, erkennt in bestimmten Winkeln eher sein eigenes Gesicht als das geschriebene Wort. Draußen in der Sonne ist kaum mehr etwas zu erkennen. Das iPad eignet sich eher für kurze Texte, für Artikel aus Zeitungen und Nachrichtenmagazinen, die interaktive Illustrationen enthalten.

Wer auf dem Weg zur Arbeit in der Bahn nur ein paar Seiten lesen will und ohnehin schon ein iPad besitzt, kann sich auch ein paar Bücher herunterladen - und muss sich nicht extra einen E-Book-Readers anschaffen. Aber dass man auf dem Apple-Gerät einen 600-seitigen Roman mit Freude durchstöbert, ist nur schwer vorstellbar.

Kosten fürs Gerät: ab 329 Euro, Auswahl an 1,5 Millionen internationalen Büchern

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: